Ernährung

Fasten hilft körpereigener Müllabfuhr

Immer wieder wird unter Medizinern diskutiert, ob Fasten gesund oder überflüssig ist. Für den Verzicht spricht besonders ein nobelpreis-gekürtes Argument.

Von von Professor Stephan Martin Veröffentlicht:
Viele Menschen schaffen es aber nicht, längerfristig die Nahrungszufuhr zu reduzieren. Ist hier das "intermittierende Fasten" eine Möglichkeit?

Viele Menschen schaffen es aber nicht, längerfristig die Nahrungszufuhr zu reduzieren. Ist hier das "intermittierende Fasten" eine Möglichkeit?

© dima_pics / Fotolia.com

Das Thema Fasten spielt aktuell nicht nur bei Christen eine sehr wichtige Rolle. Der biblische Hintergrund für diese Zeit geht auf Jesus zurück, der 40 Tage und Nächte in der Wüste gefastet hat. Zunehmend werden aber auch die biologischen Prozesse des Fastens aufgedeckt.

So erhielt der japanische Forscher Yoshinori Ohsumi 2016 den Nobelpreis für seine Arbeiten zur Autophagie, einer Art zelluläre Müllabfuhr im Körper. Defekte oder alte Zellen werden durch diese körpereigenen Prozesse aufgelöst und das Zellmaterial recycelt.

Doch was hat dieser Nobelpreis mit der Fastenzeit zu tun? Während einer reduzierten Nahrungszufuhr wird dieser Prozess aktiviert und vermehrt Zell-Müll aufgelöst (Autophagy. 2017; online 6. Januar). Anders ausgedrückt könnte man das Fasten auch als Verjüngungskur bezeichnen. Man muss aber die Nahrung reduzieren, mit geistigem Fasten wie Handy- oder dem Fernsehverzicht wird man die zelluläre Müllabfuhr nicht aktivieren!

Viele Menschen schaffen es aber nicht, längerfristig die Nahrungszufuhr zu reduzieren. Ist hier das "intermittierende Fasten" eine Möglichkeit? Darunter versteht man, wenn die Nahrungszufuhr für 14 bis 16 Stunden gestoppt wird. In dieser Nahrungs-freien Zeit versorgt sich der Körper durch Lipolyse und bildet Ketonkörper.

Frühstück: gefährlich wie Rauchen?

Auch wenn es zu diesem Thema bisher nur wenige kontrollierte Studien gibt, so gibt es doch hochrangig publizierte Abhandlungen (PNAS 2014; 111: 166472). In seinem Buch "Breakfast is a Dangerous Meal" nutzt Terence Kealey diese Zusammenhänge um zu behaupten, dass Frühstücken genauso gefährlich sei wie Rauchen.

Wenn man also spät abends ein üppiges Mahl zu sich nimmt und am Morgen wieder gut frühstückt, dann reicht die Zeit für Lipolyse nicht aus. Durch das Auslassen des Frühstücks, wie es auch in vielen südeuropäischen Ländern gehandhabt wird, in denen auch spät abends gegessen wird, erreicht man wieder die 14-16-stündige Fastenperiode.

Insofern scheint auch die Volksweisheit zu stimmen, nach der wir wie ein Kaiser frühstücken und wie ein König Mittagessen sollten. Das Abendessen sollte dann jedoch wie das eines Bettelmanns sein!

Kritik am Adipositas-Paradoxon

Doch macht es überhaupt Sinn, durch Fasten das Gewicht zu reduzieren? In den letzten Jahren gab es immer wieder Studien, nach denen angeblich Personen mit Übergewicht gesünder sind und länger leben. In der Wissenschaft spricht man auch vom Adipositas-Paradoxon.

Da es sich hierbei um Beobachtungsstudien handelt, besteht die Gefahr, dass schwer kranke Patienten, die häufig ein niedriges Gewicht haben, die statistischen Analysen verfälschen.

Doch warum kann man diese Frage nicht in exakten wissenschaftlichen Studien untersuchen? Eine solche Studie würde wie folgt aussehen: Schlanke und gesunde junge Erwachsene würden zufällig in zwei unterschiedlichen Gruppen zugeordnet werden.

Die eine soll sich über 30 Jahre gesund ernähren und schlank bleiben, die andere bekommt den Auftrag übergewichtig zu werden. Dann würde man prüfen, welche Gruppe weniger Erkrankungen hat und länger lebt. Keine Ethikkommission der Welt würde einer solchen Studie zustimmen!

Zwei US-Arbeitsgruppen haben dieses Experiment trotzdem durchgeführt, aber nicht an Menschen, sondern an knapp 200 Rhesusaffen (Nat Commun. 2017: online 3. Januar). Die eine Gruppe bekam eine knappe Kost, die anderen wurden überernährt.

Die 30-Jahres Analyse zeigte eindeutig, dass Affen mit knapper Kost länger lebten und deutlich gesünder waren als die übergewichtigen Tiere. Es traten auch Erkrankungen wie Arthritis, Osteoporose, Krebs und Herz-Kreislauf-Leiden seltener auf.

Wenn Sie also beim nächsten "all you can eat" Angebot wieder in Versuchung kommen, denken Sie daran: "Schlanke Affen leben länger!"

Professor Stephan Martin ist Chefarzt für Diabetologie und Direktor des Westdeutschen Diabetes- und Gesundheitszentrums (WDGZ).

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