Kommentar – Diabetes-Experte

Kinder und Eltern profitieren vom Screening auf Typ-1-Diabetes

Von Prof. Hellmut Mehnert Veröffentlicht:

Typ-1-Diabetes ist die häufigste Stoffwechselkrankheit bei Kindern und Jugendlichen. Jedes Jahr erkranken 2300 Kinder daran und es werden immer mehr. Der Manifestation geht ein symptomfreies Stadium voraus, das mit genetischen und immunologischen Tests diagnostiziert werden kann. Ein Screening darauf wird in den Studien Fr1da (Bayern), Freder1k (Sachsen) und Fr1dolin (Niedersachsen) evaluiert.

Prof. Hellmut Mehnert

Kinder und Eltern profitieren vom Screening auf Typ-1-Diabetes

© sbra

Arbeitsschwerpunkte: Diabetologie, Ernährungs- und Stoffwechselleiden: Diesen Themen widmet sich Prof. Hellmut Mehnert seit über 50 Jahren.

Erfahrungen: 1967 hat er die weltweit größte Diabetes-Früherfassungsaktion gemacht sowie das erste und größte Schulungszentrum für Diabetiker in Deutschland gegründet.

Ehrung: Er ist Träger der Paracelsus-Medaille, der höchsten Auszeichnung der Deutschen Ärzteschaft.

Gestartet wurde vor zwei Jahren mit der Fr1da-Studie vom Institut für Diabetesforschung am Helmholtz Zentrum München. Allen 2- bis 5-Jährigen in Bayern werden bei Vorsorgeterminen Tests auf Diabetes-Autoantikörper angeboten (IAA; GADA, IA-2A und ZnT8A). Dafür reichen wenige Tropfen kapillaren Bluts aus. Jedes zweite Kind dieses Alters wurde bereits getestet (über 50.000). Ergebnis: Etwa 1660 Kinder hatten ein symptomloses Frühstadium, jedes zehnte Kind davon hatte bereits erhöhte Blutzucker- und HbA1c-Werte und zehn Kinder einen manifesten Diabetes. Die hereditäre Penetranz der Krankheit ist schwach: Nur bei 13 Prozent der positiv getesteten Kinder gab es Verwandte mit Typ-1-Diabetes. Und gerade die 87 Prozent der Kinder ohne erkennbare erbliche Belastung können von der Diagnose besonders profitieren: Die Früherkennung hilft, schwere Komplikationen bei späterer Manifestation zu vermeiden.

Screening bei Säuglingen

Die im vergangenen September gestartete Freder1k-Studie in Sachsen geht einen anderen Weg: Hier werden die Untersuchungen parallel zum Neugeborenen-Screening vorgenommen. 5000 Säuglinge sollen binnen eines Jahres untersucht werden. Aus einer getrockneten Blutprobe auf Filterpapier wird die DNA isoliert; daraus werden drei Diabetes-Risikoallele bestimmt (HLA DR3, HLA DR4 und HLA DQ8 ). Eltern von Kindern mit erhöhtem Risiko und genetischer Belastung (erkrankte Verwandte 1. Grades) werden dann weitere Tests angeboten. Sie können bei ihrem Kind nach sechs Monaten sowie nach zwei und vier Jahren wie in Bayern die Autoimmunmarker bestimmen lassen. Ebenso wird die psychische Belastung der Familie ermittelt.

Die Fr1dolin-Studie in Niedersachsen wurde im vergangenen Oktober begonnen. Untersucht werden alle Kinder im Alter von zwei bis zehn Jahren bei den Vorsorgeuntersuchungen. Außer den Autoimmunantikörpern wird hier auch das LDL-Cholesterin bestimmt, um eine familiäre Hypercholesterinämie abzuklären. Werden bei einem Kind mindestens zwei diabetesspezifische Antikörper oder ein LDL-Wert über 135 mg/dl festgestellt, nimmt der Kinderarzt Kontakt mit den Eltern auf.

Interventions-Studie mit Insulin

Welchen Nutzen haben nun die Studienteilnehmer davon? Die Früherkennung eines symptomfreien Typ-1-Diabetes kann dabei helfen, Komplikationen zu vermeiden. Eltern betroffener Kinder sind vorgewarnt, dass sich der Diabetes später manifestiert. Sie können die Symptome wie Polyurie, Durst, Gewichtsverlust und Abgeschlagenheit richtig deuten und ihre Kinder früh behandeln lassen. Den potenziell lebensgefährlichen Ketoazidosen und damit auch diabetischen Folgeschäden wird so vorgebeugt.

Kinder im symptomlosen Frühstadium können zudem in München an der Fr1da-Insulin-Interventions-Studie teilnehmen. Darin wird geprüft, ob die Prävention mit oralem Insulinpulver vor der Manifestation der symptomatischen Erkrankung schützt. Die Teilnehmerzahl dieser Studie wurde gerade von 62 auf 220 erhöht.

Ähnlich wie bei einer Desensibilisierung soll das Immunsystem dabei über den Magen-Darm-Trakt mit Insulin konfrontiert und so eine schützende, insulinspezifische Immunantwort hervorgerufen werden. Erfolgversprechende Daten zur präventiven Therapie mit oralem Insulin gibt es aus der Pilotstudie Pre-POINT.

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