Bei Haarausfall ist Resignation fehl am Platz

Obwohl es bei androgenetischer Alopezie inzwischen wirksame Hilfe gibt, wendet sich ein großer Teil der Männer nicht an einen Arzt. Kollegen sollten deshalb Patienten mit sichtbar schütter werdendem Haar ansprechen. Auch ein Wartezimmerplakat eignet sich, Schwellenängste zu überwinden, so ein Rat bei der 21. Fortbildungswoche für praktische Dermatologie und Venerologie in München. Von Werner Stingl

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Das Lichten des Haarschopfs macht vor allem jüngeren Männern zu schaffen.

Das Lichten des Haarschopfs macht vor allem jüngeren Männern zu schaffen.

© Foto: Rich Johnsonwww.fotolia.de

Für die meisten Männer ist ein schon in jüngeren Jahren immer breiter werdender Scheitel mit einem Leidensdruck verbunden, hat der Psychologe und Attraktivitätsforscher Privatdozent Ronald Henss betont. Obwohl es mit Finasterid (Propecia®) oder Minoxidil inzwischen gut verträgliche Mittel gibt, die androgenetische Alopezie zu stoppen oder partiell rückgängig zu machen, lassen die meisten der Natur ihren Lauf, sagte der Wissenschaftler aus Saarbrücken auf einem Seminar des Unternehmens MSD.

Nach einer europäischen Studie an 729 Männern mit androgenetischem Haarausfall haben 75 Prozent nie etwas dagegen unternommen. 7 Prozent versuchten zum Zeitpunkt der Befragung eine Therapie, und 18 Prozent hatten eine solche inzwischen wieder aufgegeben.

Übersteigerte Erwartungen führen zu Therapie-Abbruch

Hauptgrund für den Abbruch selbst einer wirksamen Therapie sind übersteigerte Erwartungen und das Fehlen einer Erfolgskontrolle. Wichtig ist, dass der Arzt realistische Perspektiven in Aussicht stellt und den Verlauf unter der Intervention regelmäßig dokumentiert, sagte Henss.

Wünschen Patienten mit gesichertem androgenetischem Haarausfall eine Behandlung, wird mit ihnen erörtert, ob für sie eher das topische Minoxidil oder das systemische Finasterid infrage kommt und danach die Therapieentscheidung gefällt, schilderte Professor Hans Wolff von der Dermatologischen Universitätsklinik München die Vorgehensweise in seiner Haarsprechstunde.

Die Dokumentation der Therapie erfolgt fotografisch

Dann kommt eine erste fotografische Aufnahme der Kopfhaarsituation zu den Akten. Drei Monate nach Therapiebeginn erfolgt ein zweiter Arztbesuch, wobei besonders die Nebenwirkungen, die sich, wenn überhaupt, dann erfahrungsgemäß überwiegend am Anfang der Therapie einstellen, interessieren. Nach sechs Monaten finden der dritte Besuch und die erste fotografische Erfolgsdokumentation statt, die dann nach einem weiteren halben Jahr und von nun an einmal jährlich wiederholt wird. Den Patienten muss klar sein: Ein Erfolg ist bereits, wenn sich im Gegensatz zum erwartbaren Spontanverlauf die Haarsituation nicht verschlechtert.

Dermatoskopische Haarzählung

Um den Erfolg einer Behandlung gegen Alopezie so gut wie möglich zu objektivieren, setzt der niedergelassene Dermatologe Professor Rolf Hoffmann aus Freiburg auf eine regelmäßige computergestützte, videodermatoskopische Haarzählung und -beurteilung (TrichoScan®). Um Artefakte zu minimieren, wird dazu auf einem immer gleichen Kopfhautareal (Markierungstätowierung) eine etwa eineinhalb Quadratzentimeter große Lochmaske aufgesetzt, und die darin liegenden Haare werden auf Stoppellänge gekürzt. Nach drei Tagen werden die Stoppel zur besseren Kontrastierung gefärbt und das definierte Areal wird videoskopisch in 20-facher Vergrößerung erfasst.

Mit Hilfe einer speziellen Computersoftware werden die Haare im definierten Areal automatisch gezählt und - abhängig davon, welcher Anteil noch ein normales tägliches Längenwachstum von etwa 0,3 mm zeigt - das prognostisch bedeutsame Verhältnis von Anagen- zu Telogen-Haaren bestimmt. (wst)

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