Hintergrund

Ärzte unfitter als der Durchschnittsbürger

Beim Thema Sport sind viele Ärzte kein Vorbild für ihre Patienten. Das zeigt ein Fitnesstest mit knapp 2000 Medizinern. Die mittlere körperliche Leistung der Ärzte blieb sogar unter dem Bevölkerungsdurchschnitt. Die Ärztinnen hingegen zeigten groß auf.

Von Pete Smith Veröffentlicht:
Beim Lauftest über 2000 Meter hatten Ärztinnen die Nase vorn.

Beim Lauftest über 2000 Meter hatten Ärztinnen die Nase vorn.

© Tyler Olson / fotolia.com

Im Praxis- oder Klinikalltag raten Ärzte ihren Patienten zu gesundem Lebensstil, ausgewogener Ernährung und regelmäßigem Sport. Doch wie ist es um ihre eigene Fitness bestellt? Laufen sie ihren Patienten mit gutem Beispiel voran?

Das wollten Forscher um Professor Klaus Bös vom Institut für Sport und Sportwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) wissen und testeten fast 2000 Ärztinnen und Ärzte auf ihre körperliche Leistungsfähigkeit.

Das Ergebnis ist zumindest für die männlichen Mediziner wenig schmeichelhaft: Sie schnitten über alle Altersklassen hinweg signifikant schlechter ab als der Durchschnittsbürger, während Ärztinnen tatsächlich leistungsfähiger sind als die Norm.

Studie mit 1919 Ärztinnen und Ärzte

Bisherige Studien legen nahe, dass Ärzte im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung seltener rauchen, weniger Alkohol konsumieren, mit ihrer Gesundheit zufriedener sind und durchschnittlich drei Jahre länger leben.

Doch die Untersuchungen zur Gesundheit von Ärzten basieren sämtlich auf Befragungen und relativ kleinen Stichproben, Testergebnisse zur Fitness von Ärzten lagen bislang nicht vor.

Wissenschaftler des KIT und des Instituts für präventive Diagnostik, Aktivitäts- und Gesundheitsförderung (IDAG) in Karlsruhe haben diese Lücke geschlossen.

Sie befragten 1919 Ärztinnen und Ärzte im Alter von 26 bis 75 Jahren zu ihrer Gesundheit und ließen sie einen Walking-Test absolvieren, der am UKK Institut in Finnland evaluiert worden ist.

Hierbei mussten die Probanden - allesamt Teilnehmer an ärztlichen Fortbildungsveranstaltungen zu Diabetes und Präventionsmedizin - eine 2000 Meter lange ebene Strecke in möglichst kurzer Zeit mit forciertem Armeinsatz in einem Bereich von 80 bis 95 Prozent der maximalen Herzfrequenz gehen.

Ärztinnen schneiden besser ab

Bezogen auf die reinen Laufzeiten, schnitten die Ärzte im Vergleich zu einer von Studienleiter Bös entwickelten Normstichprobe eher durchschnittlich oder leicht schlechter ab, die Ärztinnen schnitten dagegen tendenziell besser ab. Genauere Ergebnisse lieferte der sogenannte Walkingindex, der außer der Geschwindigkeit auch das Alter, den BMI und die Herzfrequenz berücksichtigt.

Hier lagen die Ärzte deutlich unter den Normwerten (92 Prozent der Norm), die Ärztinnen dagegen deutlich darüber (103 Prozent). Schlüsselt man die Ergebnisse nach dem Alter auf, so zeigt sich, dass vor allem die 66- bis 75-jährigen Ärzte überdurchschnittlich schlecht und ihre gleichaltrigen Kolleginnen überdurchschnittlich gut abschnitten.

Bis zum Alter von 35 Jahren gab es beim Walkingindex keine nennenswerten Unterschiede zwischen Ärzten und Ärztinnen, mit fortschreitendem Alter klafft die Schere jedoch immer weiter auseinander.

Ein solches Ergebnis spiegele das allgemeine Gesundheitsverhalten von Mann und Frau in Deutschland, so Studienleiter Bös. "Wir haben in der Gemeinde Bad Schönborn eine 20 Jahre lang laufende Längsschnittstudie und sehen auch dort, dass Frauen gesundheitsbewusster sind als Männer.

Die Längsschnittentwicklung zeigt eine Schere: Frauen holen hinsichtlich Aktivität und Fitness deutlich auf und überholen zum Teil sogar gleichaltrige Männer."

Hohe Berufsbelastung geht zulasten der Fitness

Dass junge Ärzte in puncto Fitness besser abschneiden als die Norm, nach ihrem Studium aber so drastisch nachlassen, erklärt der Karlsruher Sportwissenschaftler mit der hohen Berufsbelastung von Akademikern, die wenig Zeit für körperliche Aktivität lasse, wodurch die Fitness auf Dauer leide.

Dennoch sollten auch Ärzte regelmäßige Bewegung fest in ihren Alltag einbauen.

Unter dem Strich sind Ärzte und Ärztinnen jedoch tatsächlich gesünder als die Allgemeinbevölkerung, wie die Studie ergab. Nur gut drei Prozent der Befragten gaben an, in den vergangenen sechs Monaten ernstlich krank gewesen zu sein, 73,8 Prozent nannten sich gänzlich frei von Beschwerden.

Auch hier schnitten Frauen besser ab als Männer. 13,2 Prozent der Ärzte leiden an Herzerkrankungen und hohem Blutdruck (Ärztinnen 8,9 Prozent), dagegen sind sie von Gelenkschmerzen und Arthrose mit 11,3 Prozent seltener betroffen als ihre Kolleginnen (14,7 Prozent).

"Gute Fitness", so Bös, "ist ja nur ein Faktor für gute Gesundheit. Auch regelmäßige Vorsorge und gute Medikamenteneinstellung spielen ja eine ganz wesentliche Rolle. Ich gehe davon aus, dass hier Ärzte ihr Gesundheitswissen auch für sich gut nutzen."

Insofern seien sie ihren Patienten denn doch ein Vorbild.

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