Senioren am Steuer

Ab wann wird Autofahren zur Gefahr?

Irgendwann sind viele Senioren den Anforderungen im Straßenverkehr nicht mehr gewachsen. Vor allem bestimmte Vorerkrankungen erhöhen das Unfallrisiko. Ärzte sollten ihre Patienten gezielt darauf ansprechen, raten US-Geriater.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Ab wann wird Autofahren zum Risiko?

Ab wann wird Autofahren zum Risiko?

© jörn buchheim/Fotolia.com

ATLANTA. In vielen ländlichen Regionen sind die Menschen aufs eigene Auto angewiesen: Der Einkauf im Supermarkt, der Besuch bei Freunden und Verwandten und auch beim Arzt sind ohne den eigenen Wagen kaum möglich.

Zugleich ist das Auto oft Statussymbol und Ausdruck der eigenen Persönlichkeit, entsprechend schwer fällt es vielen älteren Fahrern, den Wagen für immer in der Garage zu lassen.

Problematisch ist das Autofahren vor allem bei den über 80-Jährigen: Hier sind Unfälle mit schweren oder gar tödlichen Auswirkungen noch häufiger als bei den unerfahrenen und oft ungestümen Fahranfängern.

Aus diesem Grund raten Geriater um Dr. Quratulain Syed von der Emroy University School of Medicine in Atlanta ihren ärztlichen Kollegen, bei allen Senioren über 80 Jahren regelmäßig die Fahrtüchtigkeit zu prüfen (Cleveland Clinic J Med 2015; 82: 22-25).

Dies sollten sie auch bei den noch etwas jüngeren Älteren tun, wenn sie Risikofaktoren für eine eingeschränkte Fahrtüchtigkeit erkennen.

Die Geriater listen in einem Übersichtsartikel einige dieser Faktoren auf.

Erkrankungen verstärken das Risiko im Straßenverkehr

Demenz: Es dürfte klar sein, dass eine Demenz jeglicher Art die Fahrtüchtigkeit einschränkt.

Probleme mit der Orientierung, der Aufmerksamkeit und dem Reaktionsvermögen können im Straßenverkehr gravierende Folgen haben.

Nach Auffassung von Syed und Mitarbeiter kommt es jedoch weniger darauf ankommt, ob jemand eine Demenz hat, sondern wie weit diese fortgeschritten ist.

Die American Academy of Neurology (AAN) hat zu diesem Zweck eine Einteilung in vier Stufen vorgeschlagen, die anhand der Clinical Dementia Rating Skala (CDR) ermittelt werden kann.

In Studien ließ sich anhand der CDR-Werte recht gut die Fahrtüchtigkeit abschätzen. Ein Wert von einem Punkt entspricht einer leichten, zwei Punkte einer moderaten und drei Punkte einer schweren Demenz.

Personen mit leichten kognitiven Einschränkungen (MCI) erreichen oft einen halben Punkt.

Ab einem Wert von zwei Punkten sollten Fahrer unbedingt davon überzeugt werden, das Auto stehen zu lassen. Sie haben ein sehr hohes Unfallrisiko. Dagegen seien die meisten MCI-Patienten noch sichere Fahrer.

Etwas schwieriger lässt sich die Fahrtüchtigkeit bei leichter Demenz (1 Punkt) beurteilen.

Etwa vier von zehn Betroffenen könnten durchaus noch sicher am Straßenverkehr teilnehmen, bei den übrigen gelte es Warnzeichen wie Unfälle in der jüngeren Vergangenheit, einen aggressiven Fahrstil oder Berichte zu beachten, wonach die Fahrer sich nur noch auf vertrauten Routen bewegen.

Werden solche "red flags" bei Patienten mit MCI oder leichter Demenz sichtbar, sollte dringend ein Experte die Fahrtüchtigkeit überprüfen.

Bei Parkinson fällt es schwer, die Spur zu halten

Parkinson: Zu Beginn und unter guter symptomatischer Kontrolle sorgt die Erkrankung kaum für Beeinträchtigungen.

Schreitet sie voran, haben die Patienten oft Probleme mit der Geschwindigkeitsabschätzung und der räumlichen Wahrnehmung: Einparken, rechtzeitig blinken oder den Wagen richtig in der Spur zu halten, fällt dann schwerer.

Syed und Mitarbeiter raten daher zu einer Fahrtüchtigkeitsprüfung bei der Diagnose und dann alle ein bis zwei Jahre.

Anfälle: Synkopen, Arrhythmien oder eine Epilepsie sind bei schätzungsweise 1 bis 3 Prozent aller Autounfälle beteiligt.

Bei wiederholten Anfällen sollten Ärzte daher die Fahrtüchtigkeit infrage stellen.

Nach der Implantation eines Defibrillators (ICD) wird ein Verzicht auf das Fahrzeug von mindestens vier Wochen empfohlen, auch nach einem Ersatz des Geräts oder der Elektroden sollten sich die Betroffenen nicht sofort wieder ans Steuer setzten.

Polypharmazie: Viele ältere Patienten bekommen Medikamente, die allein oder in Kombination müde machen, die Aufmerksamkeit beeinträchtigen, die Reaktionszeit verringern oder das Koordinationsvermögen reduzieren.

Ärzte sollten dafür spezielle Warntools verwenden. Das Team um Syed nennt etwa die Webseite www.roadwiserx.com.

Medikamente überprüfen

Hier können Ärzte Medikamente eingeben und nach Wirkungen und Interaktionen schauen, welche die Fahrtüchtigkeit einschränken.

Haben Ärzte Zweifel an der Fahrtüchtigkeit, ist viel Fingerspitzengefühl gefordert.

Ältere Fahrer wollen sich oft nicht eingestehen, dass ihre Fahrfähigkeit deutlich nachgelassen hat, und werden schon alleine wegen der Konsequenzen wie sozialer Isolation und Abhängigkeit nicht auf das Fahrzeug verzichten wollen.

Auch aus diesem Grund raten die US-Mediziner, die Patienten zur weiteren Überprüfung zu spezialisierten Geriatern oder Verkehrsmedizinern zu schicken.

Lesen Sie dazu auch: Hochbetagte am Steuer: Verkehrsrisiko Senioren

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