Pädiater fordern

3. März soll Tag der angeborenen Fehlbildungen werden

Eltern von Kindern mit angeborenen Fehlbildungen haben keine Lobby, ihnen droht oft soziale Isolation. Um das Thema in den Fokus zu rücken, unterstützt die Stiftung Kindergesundheit eine internationale Initiative für einen "Welttag der angeborenen Fehlbildungen" - am heutigen 3. März.

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Förderung bei geistiger Behinderung: Jedes Jahr werden 50 000 Kinder mit großen Fehlbildungen geboren.

Förderung bei geistiger Behinderung: Jedes Jahr werden 50 000 Kinder mit großen Fehlbildungen geboren.

© Bilkei / fotolia.com

MÜNCHEN. Jedes Jahr werden in Deutschland etwa 50.000 Kinder mit großen Fehlbildungen geboren, berichtet die Stiftung Kindergesundheit.

Ein Netz von zwölf internationalen Gesundheitsorganisationen sowie die Stiftung will mehr Aufmerksamkeit für das vernachlässigte Problem sowie Möglichkeiten von Behandlung und Prävention schaffen.

Vorgeschlagen wird, den 3. März künftig zum Welttag angeborener Fehlbildungen (World Birth Defects Day) zu ernennen.

"Angeborene Fehlbildungen und Syndrome sind die häufigste Todesursache bei Babys und Kleinkindern", wird Professor Berthold Koletzko, Stoffwechselexperte der Universitätskinderklinik München, in einer Mitteilung der Stiftung zitiert.

Betroffene "müssen häufig komplizierte und belastende Behandlungen auf sich nehmen und bleiben trotzdem von langfristigen und oft lebenslangen Behinderungen bedroht".

Die Liste ist lang und reicht von Alkoholembryopathie über Down-Syndrom, Gliedmaßenfehlbildungen, Lippen-Kiefer-Gaumenspalten und Polydaktilie bis zu Zystenniere.

Im Gegensatz zu anderen europäischen Staaten werden aber angeborene Fehlbildungen in Deutschland bislang nicht systematisch und differenziert bundesweit erfasst.

Zurzeit analysieren nur die Universitäten Greifswald, Magdeburg und Mainz die Daten von Fehlbildungen bei lebendgeborenen und totgeborenen Kindern oder bei abgetriebenen Föten.

Herzfehler an erster Stelle

Hier finden Eltern Unterstützung:

Kindernetzwerk e.V. — für Kinder, Jugendliche und (junge) Erwachsene mit chronischen Krankheiten und Behinderungen, Hanauer Straße 8, 63739 Aschaffenburg, info@kindernetzwerk.de, Tel: 06021-12030

Bundesarbeitsgemeinschaft SELBSTHILFE e.V., Kirchfeldstr. 149, 40215 Düsseldorf, Tel.: 0211-31006-0, www.bag-selbsthilfe.de

Die größte Gruppe betrifft das Herz-Kreislauf-System: Jährlich kommen in Deutschland 7000 bis 8000 Kinder mit einem Herzfehler zur Welt.

Aufgrund von immer besseren diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten kann heute ein Teil dieser Erkrankungen bereits bei Kindern geheilt werden, andere erfordern eine langfristige Nachbehandlung mit wiederholten Interventionen und einer intensiven medikamentösen Therapie.

In der Häufigkeitsliste des "Fehlbildungsmonitorings Sachsen-Anhalt" an der Universität Magdeburg folgen ZNS-Fehlbildungen an zweiter Stelle. Zu ihnen zählen zum Beispiel die Neuralrohrdefekte, von denen in Deutschland jedes Jahr etwa 4800 Kinder betroffen sind.

Zu ihnen gehört die Spina bifida. Auch wenn sie gleich nach der Geburt operiert werden, bleiben die meisten Kinder querschnittsgelähmt, inkontinent und auf einen Rollstuhl angewiesen.

Bei etwa 80 Prozent entsteht eine zusätzliche Störung des Hirnwasserkreislaufs, es bildet sich ein Hydrozephalus. In zwei von drei Fällen wird die Fehlbildung bereits während der Schwangerschaft entdeckt.

Wegen der zu erwartenden schweren Schädigung des Kindes wir die Schwangerschaft dann meist abgebrochen.

Folsäure verringert das Risiko

Bekannterweise spielt für die gesunde Entwicklung von Rückenmark und Gehirn Folsäure eine entscheidende Rolle: Sie kann die Entstehung von Neuralrohrdefekten verhindern.

Mangelt es an Folsäure während der Frühschwangerschaft, drohen auch andere Gefahren wie die Entstehung von Herzfehlern oder eine Lippen-Kiefer-Gaumenspalte.

Eine ausreichende Versorgung könnte dieser Entwicklung vorbeugen und bis zu 70 Prozent aller Neuralrohrdefekte verhindern. Sie ist jedoch im Alltag nur schwer zu sichern.

Die zur wirksamen Prävention tägliche Aufnahme von mindestens 400 µg Folsäure zusätzlich zur normalen Nahrungszufuhr durch Tabletten und angereicherte Lebensmittel wird bei den derzeitigen Ernährungs- und Lebensgewohnheiten der Bevölkerung nur selten erreicht.

Leider werden die seit 20 Jahren bestehenden Empfehlungen der Fachgesellschaften, den Folsäuremangel schon in der Frühschwangerschaft durch die Einnahme von Tabletten auszugleichen, bis heute nur unzureichend befolgt, beklagt die Stiftung Kindergesundheit.

Eine Untersuchung des Fehlbildungsmonitorings in Sachsen-Anhalt ergab: Nicht einmal 30 Prozent der Frauen, die mit der Empfängnisverhütung aufgehört hatten, um ein Baby zu bekommen, nahmen, wie empfohlen, Folsäurepräparate ein.

Eltern, deren Kind von einer Fehlbildung betroffen ist, sind täglich mit erheblichen gesundheitlichen Einschränkungen konfrontiert, unterstreicht die Stiftung Kindergesundheit. Zusätzlich ergeben sich oft weitere Probleme, wie soziale Isolation oder finanzielle Not.

Keine Therapiemöglichkeit in Wohnortnähe

Auch die Suche nach den in der Behandlung der jeweiligen Fehlbildung erfahrenen Spezialisten gestaltet sich manchmal als ausgesprochen schwierig.

Oft stellt sich heraus, dass es keine Therapiemöglichkeiten in Wohnortnähe gibt und deshalb weite Wege und ein hoher Zeitaufwand in Kauf genommen werden müssen, um das Kind von einem erfahrenen Experten behandeln lassen zu können.

Diese Situation kann überdies mit Problemen bei Kostenübernahmen verbunden sein: Es entstehen zusätzliche finanzielle Belastungen wie beispielsweise Fahrkosten für den kleinen Patienten und seine Eltern.

"Die Behandlungsmöglichkeiten von Kindern mit angeborenen Erkrankungen haben sich in den letzten Jahrzehnten zum Teil erheblich verbessert", betont Professor Berthold Koletzko.

"Ein ‚Welttag der Fehlbildungen' könnte die vielfältigen Probleme der betroffenen Familien stärker in das Bewusstsein der Öffentlichkeit rücken und so für mehr Verständnis in der Gesellschaft für diese oft extrem benachteiligte Personengruppe sorgen". (eb)

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