Mehrgefäßerkrankung

Bypass toppt PCI mit modernen Stents

Welche Revaskularisations-Strategie soll man Patienten mit koronarer Mehrgefäßerkrankung empfehlen? In aktuellen Studien hat sich die Bypass-Chirurgie der perkutanen Angioplastie als langfristig überlegen erwiesen.

Von Dirk Einecke Veröffentlicht:
Bypass-Op zur koronaren Revaskulisierung.

Bypass-Op zur koronaren Revaskulisierung.

© muratolmez / fotolia.com

SAN DIEGO. Bypass-Chirurgie und perkutane Angioplastie sind in mehreren randomisierten Studien verglichen worden. Sie zeigten, dass das Risiko für die meisten weiteren kardiovaskulären Komplikationen nach Bypass-Chirurgie langfristig geringer ist.

Vor allem bei komplexen Koronarläsionen liefert die Bypass-Operation prognostisch eindeutig bessere Ergebnisse.

Bei weniger komplexen Läsionen scheint der Kathetereingriff in etwa gleichwertig - und wird dann häufig aufgrund der geringeren Invasivität bevorzugt. Die Komplexität der Koronarläsionen wird mit dem SYNTAX-Score bemessen.

Ein Manko bisheriger Studien bestand darin, dass im PCI-Arm mit medikamenten-beschichteten Stents der ersten Generation gearbeitet wurde.

Moderne Gefäßstützen der zweiten DES-Generation hatten Studienvergleiche mit Erstgenerations-DES aber gewonnen: Sie zogen weniger klinische Komplikationen nach sich, besonders weniger Stent-Thrombosen.

Studien zu Everolimus-Stents

Nun liegen erstmals die Ergebnisse zweier Studien auf dem Tisch, die bei Mehrgefäßerkrankung Bypass und PCI mit Everolimus-beschichteten Stents verglichen. Die Ergebnisse der prospektiv randomisierten BEST-Studie wurden von Dr. Seung-Jung Park, Asan Medical Center in Seoul, Südkorea, im Rahmen der Late-Breaking Clinical Trial Session auf der Jahrestagung der American Heart Association (ACC) in San Diego vorgestellt.

Die Studie war in Fernost gemacht worden. 880 Mehrgefäß-KHK-Patienten waren entweder operiert oder mit PCI behandelt worden. Primärer Endpunkt der Studie war die Rate an Komplikationen wie Tod, Infarkt und erneuter Revaskularisation eines behandelten Koronargefäßes (N Engl J Med. 2015; online 16. März).

Von den geplanten 1176 Patienten konnten nur 880 rekrutiert werden. Während die Studie lief, hatte sich die Messung der fraktionalen Flussreserve in der PCI-Vorbereitung immer mehr verbreitet, so dass kaum noch Patienten für die Studie gewonnen wurden. Die Autoren versuchten das Manko auszugleichen, indem sie den Beobachtungszeitraum auf 4,6 Jahre verlängerten.

Nach den ursprünglich geplanten zwei Jahren Follow-up zeigten 11 Prozent der Patienten nach PCI und 7,9 Prozent nach Bypass einen primären Endpunkt. Die Nichtunterlegenheit wurde nicht erreicht.

Nach im Schnitt 4,6-jährigem Follow-up hatten 15,3 Prozent der PCI-Patienten und 10,6 Prozent der Bypass-Patienten einen primären Endpunkt -  signifikanter Vorteil für die Bypass-Op.

Eine Analyse gemäß Syntax-Score wurde noch nicht vorgelegt. Zum Unterschied trugen v. a. die erneuten revaskularisierenden Eingriffe (11 vs. 5,4 Prozent) und Herzinfarkte (4,8 vs. 2,7 Prozent) bei. Gestorben sind 6,6 und 5,0 Prozent der Patienten. Stent-Thrombosen in der PCI-Gruppe waren mit 2 Prozent nach 5 Jahren selten.

"In der BEST-Studie ist es nicht gelungen, die Nichtunterlegenheit der PCI mit modernen Stents gegenüber dem Bypass zu belegen. Langfristig erzielte der Bypass die besseren Ergebnisse", resümierte Park.

Große Registerstudie aus New York

Am gleichen Tag wurde neben BEST noch eine zweite Studie von Sripal Bangalore et al. publiziert, die ebenfalls Bypass und PCI mit Everolimus-Stents bei Patienten mit Mehrgefäßerkrankung verglichen hatte (N Engl J Med. 2015; online 16. März).

Es handelte sich um eine Auswertung von Registerdaten im US-Staat New York. Die Autoren hatten mit dem Propensity-Score-Verfahren jeweils das Schicksal von 9223 Bypass-Patienten mit demjenigen von 9223 PCI-Patienten verglichen. Das Follow-up betrug im Median 2,9 Jahre.

Die Autoren berichten identische Mortalitätsdaten (3,1 Prozent pro Jahr nach PCI vs. 2,9 Prozent pro Jahr nach CABG), höhere Infarktraten nach PCI (1,9 vs. 1,1 Prozent pro Jahr), erwartungsgemäß auch eine erhöhte erneute Eingriffsrate an den Koronargefäßen nach der PCI (7,2 vs. 3,1 Prozent pro Jahr), aber eine niedrigere Schlaganfallrate nach PCI (0,7 vs. 1,0 Prozent pro Jahr). Die Herzinfarktraten seien nicht erhöht gewesen, wenn per PCI eine komplette Revaskularisation gelang, so die Autoren.

Beide Studien mit Schwächen

"Bypass-Chirurgie überflügelt Stents der neuen Generation und bleibt die beste Option für Patienten mit Mehrgefäßkrankheit", lautete die Überschrift der offiziellen Pressemitteilung der ACC.

Angesichts der Schwächen beider Studien - die eine unterpowert, die andere retrospektiv beobachtend - formuliert der Editorialist im "New England Journal of Medicine", Robert A. Harrington von der Stanford University, vorsichtiger: "Die richtige Revaskularisations-Strategie bei KHK-Patienten wählen."

Harrington verweist auf die Mängel der Studien und auf zwei Gemeinsamkeiten: Beide fanden etwas weniger Schlaganfälle und eindeutig mehr Herzinfarkte und erneute Eingriffe nach PCI. Das sind Punkte, die mit dem Patienten besprochen werden können, so Harrington.

Vor allem aber bemängelt Harrington eines: Dass Ärzte bei einer so häufigen Fragestellung in Ermangelung guter kontrollierter Studien auf Grundlage von Hinweisen aus Beobachtungsstudien und randomisierten Studien mit zu geringer Größe entscheiden müssen.

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