Kapillarbildung

Neue Gefäße brauchen Druck

Der Blutdruck ist die treibende Kraft bei der Angiogenese, haben Forscher herausgefunden.

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BERLIN. Mit zeitlich hochaufgelösten Bildern hat die Arbeitsgruppe um Professor Holger Gerhardt am Max-Delbrück-Centrum für Molekulare Medizin (MDC) in Berlin im Detail gezeigt, wie sich Blutkapillaren neu bilden: der Blutdruck presst die Zellmembran von Gefäßzellen nach innen, daraus wächst ein zusammenhängender Gefäßschlauch heran. Die Zelle dirigiert den Prozess mit Hilfe der Fasern ihres Zellskeletts (Nature Cell Biology 2016; online 29. Februar).

Die Ergebnisse der Arbeit könnten helfen, die Angiogenese während der Embryonalentwicklung und bei Erkrankungen wie Krebs zu verstehen, teilen das MDC, das Berliner Institut für Gesundheitsforschung (BIH), sowie das Deutsche Zentrum für Herz-Kreislaufforschung (DZHK) mit. Auch für die Störung der Gefäßbildung bei Diabetes könnte der Prozess eine Rolle spielen.

Die Forscherteams um Professor Holger Gerhardt am MDC, BIH, DZHK und am Flämischen Institut für Biotechnologie (VIB) in Belgien haben ein völlig neues Konzept der Neubildung von feinsten Kapillaren entdeckt, heißt es in der Mitteilung. Bekannt sei bisher gewesen, dass zunächst neue Zellen aus der Wand eines vorhandenen Blutgefäßes in die Umgebung sprießen. Wie genau sich dann der innere Hohlraum bildet, durch den später das Blut fließt, war bislang unklar.

Gerhardts Team nutzt modernste Konfokalmikroskopie und lebende Zebrafischembryonen, deren Gefäßzellen genetisch mit fluoreszierenden Proteinen markiert werden. Die Forscher beobachteten unter dem Mikroskop, wie der Blutdruck eine Einstülpung in die Gefäßsprosse presst und sie weiter vorantreibt. Die Zelle dirigiert den Prozess mit Proteinfasern aus Actin und Myosin. So wächst der Hohlraum der neuen Kapillare immer nur an der Spitze weiter. Kapillaren werden gebildet, wenn neue Gewebeabschnitte mit Sauerstoff und Nahrung versorgt werden sollen: bei der Embryonalentwicklung oder der Wundheilung. Auch schnell wachsende Krebsgeschwüre lassen Gefäße sprießen, aber: "Die Gefäße in Tumoren sind nicht normal. Sie sind undicht und können den Gefäßdurchmesser häufig nicht kontrollieren", wird die Erstautorin Véronique Gebala in der Mitteilung zitiert. Nicht nur für das Verständnis von Krebs sind die neuen Ergebnisse bedeutend. "Wenn die Gefäßbildung wirklich so stark von der Hydrodynamik des Blutes abhängt, was bedeutet das für physiologische Blutdrucksituationen?" fragt Gruppenleiter Gerhardt. Bei Diabetikern werden zum Beispiel die Gefäße der Netzhaut im Auge abgebaut, die natürlicherweise von starken Blutdruckschwankungen betroffen sind. Inwieweit der neu entdeckte Mechanismus der Gefäßbildung für diese Krankheitsbilder mitverantwortlich ist, gilt es nun herauszufinden, sagt Gebala: "Der nächste logische Schritt ist die Untersuchung pathologischer Situationen." (eb)

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