TAVI über Karotits

Machbar und sicher

Nicht bei allen Patienten ist eine Transkatheter-Aortenklappenimplantation (TAVI) über die A. femoralis sicher durchführbar. Als mögliche Alternative haben Wissenschaftler einen ungewöhnlichen Zugangsweg über die A. carotis getestet.

Von Veronika Schlimpert Veröffentlicht:
Machbar und sicher

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LILLE. Die A. femoralis communis hat sich in Studien als der sicherste Zugangsweg für die TAVI herausgestellt. Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie (DGK) empfiehlt daher in ihrem aktuellen Positionspapier "Qualitätskriterien zur Durchführung der kathetergestützten Aortenklappenimplantation", wenn möglich, immer eine transfemorale TAVI durchzuführen.

Doch nicht bei allen Patienten mit schwerer Aortenstenose lässt sich der Zugang über die A. femoralis sicher bewerkstelligen, etwa bei Patienten mit schwerer Arteriopathie. Der in diesen Fällen dann übliche alternative Zugangsweg – die transapikale TAVI – geht allerdings im Vergleich zur transfemoralen TAVI mit einer erhöhten Mortalitätsrate einher, wie die erst in diesem Jahr veröffentlichte Studie PARTNER2A ergeben hat.

Als weitere Alternative haben Wissenschaftler um Nicolas Debry daher in zwei Kliniken in Frankreich eine TAVI mit einem Zugangsweg über die A. carotis etabliert (JACC Cardiol Intervent 2016; 9:2113–20). Dabei wird entweder die linke oder rechte Arteria carotis communis über einen latero-zervikalen Schnitt freigelegt, und die Klappenprothese über die Aorta ascendes zur Aortenklappe vorgeschoben und platziert.

Vollnarkose versus minimalinvasiv

Bisher wurde dieser ungewöhnliche Zugangsweg nur an wenigen Patienten in experimentellen Studien getestet. In der aktuellen Untersuchung wurde dieses als transkarotale TAVI bezeichnetes Vorgehen bei immerhin 174 im Mittel 80-jährigen Patienten, die alle eine schwere symptomatische Aortenstenose und zahlreiche Komorbiditäten aufwiesen (STS-Score von 8,4), von einem multidisziplinären Ärzteteam vorgenommen. Erstmals in dieser Studie wurde dabei die Sicherheit eines minimalinvasiven Vorgehens unter Lokalanästhesie und Analogsedierung (bei 29,8 Prozent der Patienten) mit der einer TAVI unter Vollnarkose (bei 70,1 Prozent) verglichen. Bei allen Patienten war zuvor der transfemorale Zugangsweg aufgrund von Kontraindikationen ausgeschlossen worden.

Die transkarotale TAVI war machbar und sicher, berichten die Studienautoren, mit einer 30-Tage Mortalität von 7,4 Prozent und einer Schlaganfall- bzw. TIA-Rate nach 30 Tagen von 5,7 Prozent. Die Häufigkeit von Schlaganfällen ist damit nach Ansicht von Debry und Kollegen vergleichbar mit der Rate, die bei der transfemoralen TAVI im Real-World-Setting zu beobachten sei. In dem deutschen GARY-Register betrug die Gesamtrate periprozeduraler neurologischer Komplikationen bei transfemoraler TAVI allerdings nur 1,7? Prozent.

Bei 88 bzw. 93 Prozent der Patienten mit minimalinvasivem Vorgehen bzw. Vollnarkose ließ sich der Eingriff erfolgreich abschließen. Der nach Valve Academic Research Consortium (VARC-2) definierte kombinierte 30-Tage-Sicherheits- und Effizienzendpunkt ließ sich bei entsprechend 80,4 und 87,9 Prozent der Probanden erreichen.

Es kam zu keinerlei schweren Gefäßkomplikationen im Bereich des Zugangsweges. Bei 18,9 Prozent der Patienten wurde eine Schrittmacher-Implantation nötig, bei 8,6 Prozent wurde neu aufgetretenes Vorhofflimmern diagnostiziert.

Mit Vollnarkose länger in der Klinik

Nach einem Jahr betrug die Gesamtmortalität 12,6 Prozent, die kardiovaskuläre Sterblichkeit 8,0 Prozent ohne signifikanten Unterschied zwischen beiden Vorgehensweisen. Unter Vollnarkose kam es allerdings häufiger zu zerebrovaskulären Komplikationen als mit dem minimalinvasiven Vorgehen (8,2 vs. 0 Prozent). Ebenso ging die TAVI unter Vollnarkose mit einer längeren Klinikverweildauer einher. Nur 5,7 Prozent der ursprünglich ohne Vollnarkose geplanten TAVIs mussten letztlich doch unter Vollnarkose vorgenommen werden.

Für die Studienautoren spricht dieses Ergebnis dafür, dass sich eine transkarotale TAVI wie die transfemorale TAVI auch ohne Vollnarkose sicher durchführen lässt. Gerade bei Patienten mit schweren Lungenerkrankungen oder Immundefizienzen (Pneumonien und verzögerte Extubationen werden vermieden), mit unstabiler Hämodynamik (Vermeidung einer weiteren Hypotension) oder milder bis moderater Demenz (weitere kognitive Dysfunktionen oder ein Delir lassen sich verhindern) könne dieses Vorgehen Vorteile gegenüber einer TAVI mit Vollnarkose haben.

Trotz der augenscheinlich positiven Ergebnisse betonen die Studienautoren, dass eine Intervention an der Karotis von Natur aus mit einem erhöhten Schlaganfallrisiko assoziiert ist und daher nur von Ärzten durchgeführt werden sollte, die mit Eingriffen an der Karotis Erfahrung haben. So weisen sie auch darauf hin, dass die Ärzte, die in dieser Studie die transkarotale TAVI vorgenommen haben, darauf spezialisiert waren. Daher müssten diese Ergebnisse erst in größeren Patientenserien bestätigt werden.

Mehr Informationen zur Kardiologie unter www.springermedizin.de

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