Lungenhochdruck - das ist ein ganzes Krankheitsspektrum

Ein Lungenhochdruck ist kein seltenes Phänomen - eine pulmonale arterielle Hypertonie schon. Hinter dem Begriff Lungenhochdruck verbirgt sich ein ganzes Spektrum von Krankheiten, und deren Einteilung kann verwirrend sein. Doch für die meisten Patienten gibt es inzwischen inhalierbare und orale Medikamente, die nicht nur die Symptome lindern, sondern auch die Lebenszeit verlängern.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

Nach Daten einer US-Studie haben 20 Prozent der über 65jährigen Männer eine schwere pulmonale Hypertonie, Frauen deutlich seltener. Häufigste Ursachen sind eine Linksherzerkrankung oder eine COPD. So führt praktisch jede schwere Linksherzinsuffizienz zu einer Druckerhöhung im Lungenkreislauf.

"Wir haben Millionen Menschen in Deutschland mit einer Linksherzinsuffizienz. In späten Stadien bekommen sie einen Lungenhochdruck, der auch den rechten Ventrikel in Mitleidenschaft zieht", so Dr. Ardeschir Ghofrani von der Universität Gießen beim Internistenkongreß in Wiesbaden. COPD-Patienten bekommen zu etwa 30 Prozent - bedingt durch die Hypoxie - einen Lungenhochdruck, der jedoch meist nicht so schwer ausgeprägt ist.

Allerdings gilt sowohl für die COPD als auch für die Linksherzinsuffizienz: Besteht erst einmal ein Lungenhochdruck, ist die Prognose sehr schlecht. Eine pulmonale Hypertonie ist bei diesen Krankheiten der Faktor, der die Lebenszeit am stärksten verkürzt.

Medikamente gegen PAH haben oft Orphan-drug-Status

Seltener kommt es zu einem Lungenhochdruck durch Lungenfibrosen, chronische Thrombembolien oder Lungengefäßerkrankungen, so Ghofrani. Und sehr selten sind die unter dem Begriff "pulmonale arterielle Hypertonien" (PAH) zusammengefaßten Krankheiten.

Dazu zählen die primäre PAH, die zu einem Teil erblich bedingt ist, aber auch eine durch Bindegewebserkrankungen, angeborene Herzfehler oder HIV verursachte pulmonale Hypertonie. Insgesamt gibt es weltweit nur etwa 100 000 Patienten, die in diese Kategorie fallen.

Die Einteilung sei oft sehr verwirrend, so Ghofrani, da es auch etwa bei einer COPD zu einer rein arteriellen pulmonalen Hypertonie kommen kann, die Patienten aber nicht der Gruppe der PAH-Patienten zugeordnet werden. Konsequenzen hat diese Einteilung für die Therapie: Bisher sind Medikamente speziell gegen Lungenhochdruck nur für die äußerst kleine Gruppe der Patienten mit PAH zugelassen - meist mit einem Orphan-drug-Status.

Für Ghofrani ist dies aber kein Grund, nicht auch andere Patienten mit Lungenhochdruck zu behandeln, ganz im Gegenteil: "Wenn die Patienten trotz optimaler Therapie gegen die Grunderkrankung eine schwerer pulmonale Hypertonie haben, also einen mittleren pulmonalen Druck von über 30 mmHg, dann muß man diese Patienten gegen die Hypertonie behandeln, sonst sterben sie an einer Rechtsherzinsuffizienz."

Eine Therapie wird bisher nur bei schwerem Lungenhochdruck empfohlen, also bei Patienten der NYHA-Stadien III und IV (6-Minuten-Gehstrecke unter 380 Meter und ein systolischer Belastungsblutdruck von über 120 mmHg). Besser wäre jedoch eine frühzeitige Therapie, so Ghofrani, um eine Progression zu verhindern und einer Rechtsherzinsuffizienz vorzubeugen. Wegen der hohen Therapiekosten wird jedoch oft erst in späten Stadien behandelt.

Zunächst wird nach Angaben des Internisten eine orale Therapie mit dem Endothelin-Rezeptor-Antagonist Bosentan oder dem PDE-5-Hemmer Sildenafil versucht. Sildenafil ist seit Anfang des Jahres zur Therapie bei PAH zugelassen ist. Wird das Therapieziel - eine NYHA-Klasse von unter I bis II - innerhalb von zwei bis sechs Monaten damit nicht erreicht, kann eine Kombitherapie mit Bosentan plus Sildenafil versucht werden.

Genügt auch das nicht, wird inhalatives Iloprost hinzugefügt. Gibt es mit dieser Therapie keinen Erfolg, muß auf eine Kombination mit intravenös verabreichtem Iloprost umgestiegen werden. Als ultima ratio bleibt dann noch eine Lungentransplantation.

Wird ein solcher Algorithmus konsequent bei PAH-Patienten angewandt, leben nach drei Jahren noch etwa 80 Prozent, ohne Therapie sind es weniger als 50 Prozent, so Ghofrani. Für etwa fünf Prozent der PAH-Patienten gibt es jedoch eine weit bessere Prognose: Ihnen kann bereits eine orale Therapie mit Kalzium-Antagonisten so gut helfen, daß keine Gefahr mehr besteht, an der Krankheit zu sterben.

Diese Patienten kann man mit einem Vasoreagibilitäts-Test einfach erkennen. Dabei wird Stickstoffmonoxid inhaliert oder Adenosin injiziert. Sinkt dann der mittlere pulmonale Druck um mehr als 10 mmHg oder liegt er absolut unter 40 mmHg, dann sprechen die Patienten auch auf eine Therapie mit Kalzium-Antagonisten gut an. Da sich diese Patienten sehr gut behandeln lassen, lohnt es sich, den Test mit allen PAH-Patienten vor Beginn einer Therapie zu machen, so Ghofrani.

Sildenafil eignet sich bei hypoxischem Lungenhochdruck

Haben Patienten einen hypoxisch bedingten Lungenhochdruck, etwa durch COPD oder Lungenfibrose, geht es nicht nur darum, den Lungendruck zu senken, sondern auch darum, den Gasaustausch zu verbessern. Erhalten solche Patienten ein Vasodilatans, das alle, also auch schlecht ventilierte Gefäße erweitert, kommt es zur venösen Beimischung im Blut - die Sauerstoffversorgung verschlechtert sich. Eine Lösung ist die Inhalation eines Vasodilatans - dadurch gelangt das Medikament bevorzugt an die gut belüfteten Gefäße.

Der Druck sinkt, zugleich verbessert sich die Sauerstoffversorgung. Möglich ist dies etwa durch die Therapie mit inhalativem Iloprost, allerdings, so Ghofrani, ist dies technisch aufwendig. Eine orale Alternative könnte die Behandlung mit Sildenafil sein. Das Medikament wirkt vor allem in den gut belüfteten Arealen. In Studien ließ sich dadurch die Ventilation und Perfusion bei COPD-Patienten mit Lungenhochdruck deutlich verbessern.

Eine noch zielgenauere Therapie verspricht sich Ghofrani in Zukunft mit ähnlichen Ansätzen wie in der Krebstherapie. Dort werden Medikamente entwickelt, die spezifisch diejenigen zellulären Prozesse beeinflußen, die bei den Tumoren entgleist sind. Einige dieser Prozesse sind offenbar auch bei PAH bedeutsam und führen zu einer übermäßigen Zellwandproliferation.

Mit dem Krebsmedikament Imatinib gelang so bei einem PAH-Patienten ein Überraschungserfolg: Der Patient stand kurz vor einer Lungentransplantation. Mit Imatinib besserte sich die 6-Minuten-Gehstrecke in drei Monaten von 260 auf 390 Meter, der pulmonale Gefäßwiderstand halbierte sich und die NYHA-Klasse sank von IV auf II.



So erfolgt die Diagnose

Klinische Zeichen einer pulmonalen Hypertonie (PH) sind Zunahme an Gewicht und Bauchumfang, periphere Ödeme, pektanginöse Thoraxschmerzen, Schwindel, Synkopen, Husten oder Dyspnoe, aber auch Müdigkeit und Depression.

Die wichtigste Untersuchung bei Verdacht auf eine PH ist die Echokardiographie. Dabei wird der Druck unter körperlicher Belastung bestimmt. So ist etwa bei vielen COPD-Patienten der Ruhedruck in der Lunge noch normal - also unter 15 mmHg, steigt dann aber unter Belastung steil an. Ergeben sich Hinweise auf eine Rechtsherzbelastung, muß geklärt werden, ob es sich um eine primäre Erkrankung des Lungenparenchyms (etwa Fibrose-Emphysem), des linken Herzens (Myokardinsuffizienz, Klappenvitien) oder der Lungengefäße selbst handelt.

So ist es notwendig, eine chronische Thromboembolie mittels Ventilations-Perfusions-Szintigraphie, Thorax-CT und eventuell Pulmonalis-Angiographie auszuschließen. Lassen sich keine Erkrankungen identifizieren, die mit einer PH assoziiert sind, liegt eine primäre pulmonale arterielle Hypertonie vor.

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