Renale Denervation

Enttäuschte Hoffnung

Ernüchterndes Ergebnis: Deutlicher als erwartet verfehlt die bisher größte und am besten kontrollierte Studie SYMPLICITY HTN-3 den Wirksamkeitsnachweis der renalen Denervation bei Patienten mit unkontrollierter Hypertonie.

Veröffentlicht:
Blutdruck - sank in der SIMPLICITY HTN-3-Studie mit Placebo fast genauso gut wie die RD.

Blutdruck - sank in der SIMPLICITY HTN-3-Studie mit Placebo fast genauso gut wie die RD.

© Stephanie Eckgold / fotolia.com

WASHINGTON. Die renale Denervation (RD) gilt seit einigen Jahren als großer Hoffnungsträger für Patienten mit therapierefraktärer Hypertonie. In mehreren Studien waren beeindruckende Therapieerfolge berichtet worden mit systolischen Blutdrucksenkungen von 20 mmHg bis 30 mmHg, die bis zu drei Jahren lang anhielten.

Gemeinsam waren diesen Studien methodische Schwächen, kleine Patientenzahlen, und schlechte bzw. fehlende Kontrollgruppen.

Dennoch wurde das interventionelle Verfahren in 80 Ländern eingeführt, mit großem Enthusiasmus auch in Deutschland, wobei bereits Hunderte von Zentren die Behandlung anbieten. Die Therapeuten können zwischen fünf Kathetersystemen mit CE-Zulassung wählen. In den USA gilt das Verfahren als experimentell.

Bereits im Januar 2014 hatte der Sponsor Medtronic bekannt gegeben, dass die erste größere und wirklich gut kontrollierte Studie - SYMPLICITY HTN-3 - überraschenderweise negativ ausgegangen ist.

Die mit Spannung erwarteten detaillierten Ergebnisse wurden nun bei der Jahrestagung des American College of Cardiology 2014 in Washington vorgestellt und zeitgleich von der Autorengruppe um Harvard-Professor Deepak Bhatt vom Brigham und Women's Hospital Heart and Vascular Center in Boston publiziert (N Engl J Med 2014; online 29. März).

Teilnehmer waren 535 resistente Hypertoniker

Die prospektive und einfach-verblindete Studie umfasste 535 Patienten, die trotz Behandlung mit im Durchschnitt 5,1 Antihypertensiva (Diuretikum obligat) bei der Praxismessung sowie bei der 24-Std.-Messung durchschnittliche systolische Werte von 180 und 160 mmHg aufwiesen.

Nach 2:1-Randomisierung wurden 364 Patienten renal denerviert; bei 171 Kontroll-Patienten wurde eine renale Denervation nur vorgetäuscht (Sham-Kontrolle).

Unter voller Beibehaltung der medikamentösen Therapie war der systolische Blutdruck nach sechs Monaten in der Verumgruppe um 14,13 mmHg auf 166 mmHg und in der Kontrollgruppe um 11,74 mmHg auf 168 mmHg gesunken.

Die nicht signifikante Differenz lag bei bescheidenen 2,39 mmHg. Der zuverlässigere systolische 24-Stunden-Blutdruck fiel um 6,8 mmHg nach Denervation und um 4,8 mmHg nach Scheindenervation. Die Differenz betrug 2 mmHg.

Die Blutdrucksenkung korrelierte in beiden Gruppen mit den Ausgangswerten: Bei Werten > 184 mmHg fiel der systolische Druck um 25,7 und 19,7 mmHg, bei Werten von 170-184 mmHg um 13,8 und 9,8 mmHg, bei Werten < 170 mmHg um 6,6 und 4,5 mmHg.

Keine Differenz war signifikant. Wenn die Interventionalisten nicht reihenweise die renalen Nerven verfehlt haben, setzt dieses Ergebnis ein großes Fragezeichen hinter das Therapieprinzip der renalen Denervation.

Die Kontrollgruppe wurde sehr gut betreut

Grund ist das überraschend große Ausmaß der Blutdrucksenkung in der Kontrollgruppe. Studienautor Bhatt führt diese auf die sehr gute Betreuung der Patienten zurück, die im Team zwischen Interventionalisten und Hypertensiologen erfolgte.

Wenn Experten die Therapie übernehmen, lässt sich auch bei Therapieresistenz medikamentös doch noch etwas erreichen, so Bhatt. Vor allem aber zeigen die Ergebnisse seinen Worten zufolge, "wie wichtig es ist, neue Therapien gegen gute Kontrollgruppen zu testen, um Plazeboeffekte sicher auszuschließen".

Mehr als ein Viertel der Studienpatienten waren Afro-Amerikaner, bei denen sich die Autoren einen besonders guten Therapieeffekt von der Denervation erwartet hatten. Doch das Gegenteil war der Fall: Bei Farbigen stieg der Blutdruck nach Denervation sogar um 2,2 mmHg an, bei kaukasischen Patienten hingegen sank er im Vergleich zur Sham-Gruppe um 6,6 mmHg, was sogar signifikant war.

Bhatt warnte zwar aber davor, bei einer negativen Studie ein Subgruppen-Ergebnis über zu bewerten. Dennoch ist nicht auszuschließen, dass das Versagen der Therapie bei Afroamerikanern ein Grund für das negative Gesamtergebnis darstellte.

Wie geht es weiter?

Bhatt forderte kein Moratorium für die renale Denervation: "Wir haben eine sehr spezifische Patientengruppe mit einem bestimmten Kathetersystem untersucht, ich möchte nicht so arrogant sein, allen Kollegen weltweit vorzuschreiben, was nun zu tun ist."

Dennoch wäre er "sehr vorsichtig, diese Therapie Patienten zu empfehlen, nachdem die größte und beste Studie bis dato keinen Nutzen zeigte".

Er verwies darauf, dass viele Hypertonie-Experten die renale Denervation mit Skepsis verfolgten. Sowohl er, als auch New England Journal of Medicine-Editorialist Franz Messerli sowie Kommentatoren des ACC waren sich aber einig, dass das Kapitel der renalen Denervation noch nicht zugeschlagen werden sollte.

"Wir müssen aber umdenken und die Forschung noch einmal von vorne starten." Nicht zuletzt habe die Studie gezeigt, dass die Therapie sicher sei. (DE)

Lesen Sie dazu auch: Renale Denervation: Enttäuschte Hoffnung Lehren aus SIMPLICITY HTN-3: "Denervation nur noch in Studien" Unkontrollierte Hypertonie: Register bestätigt Sicherheit der Denervation

Mehr zum Thema

I-STAND-Intervention

Weniger Sitzen senkt Blutdruck bei Älteren

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System