Hypertonie

Nicht trödeln bei der Blutdruck-Senkung

Ab welchen Blutdruckwerten muss die Therapie intensiviert werden? Darüber besteht keine Einigkeit. Eine neue Studie zeigt jetzt: Ärzte sollten nicht zu zögerlich sein - das kann gravierende Folgen haben.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Nicht zögern bei der Blutdruck-Senkung, wenn die Werte nicht im Zielbereich sind.

Nicht zögern bei der Blutdruck-Senkung, wenn die Werte nicht im Zielbereich sind.

© Alexander Maier / fotolia.com

BOSTON. Bislang besteht keine Einigkeit über Blutdruckwerte, ab denen eine antihypertensive Therapie intensiviert werden muss. Studien, die den Nutzen einer blutdrucksenkenden Therapie bei systolischen Ausgangswerten unter 160 mmHg eindeutig beweisen, fehlen.

Europäische Leitlinien empfehlen, jüngere Menschen ab 140 und ältere ab 150 mmHg zu behandeln. Andere Leitlinien sehen die Behandlung einer Grad-1-Hypertonie (140-159 mmHg) nur bei erhöhtem kardiovaskulärem Risiko vor.

Wenn erst bei Werten über 150 mmHg die antihypertensive Therapie intensiviert wird, oder eine Intensivierung erst mehrere Wochen nach erstmaligem Messen höherer Werte erfolgt, steigt das Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen und Tod, berichten US-Ärzte um Wenxin Xu vom Beth Israel Deaconess Medical Center in Boston.

Daten von fast 89.000 Patienten

Die Forscher haben die Daten von 88.756 Patienten gesichtet, die von 1986 bis 2010 in Großbritannien ambulant antihypertensiv behandelt worden waren (BMJ 2015; 350: h158).

Bei allen Patienten erfassten sie die Therapieveränderungen binnen zehn Jahren sowie kardiovaskuläre Ereignisse und Todesfälle im Anschluss (im Mittel drei Jahre lang).

Elf Prozent der Patienten bekamen in dieser Zeit einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall, eine Herzinsuffizienz oder eine PAVK oder sie starben.

Bereinigt um Risikofaktoren wie Alter, Geschlecht, Adipositas, Diabetes und Rauchen, ergab sich ein erhöhtes Risiko für kardiovaskuläre Komplikationen oder Tod, wenn die Therapie erst bei über 150 mmHg (systolisch) gesteigert wurde.

Bei einer Interventionsschwelle von 160 mmHg war die Ereignisrate um 21 Prozent, bei einer Schwelle von 170 mmHg sogar um 42 Prozent höher als bei einer Intensivierung ab 140 mmHg.

Im Bereich von 140 bis 150 mm Hg blieb ein Anstieg des Blutdrucks zunächst ohne Folgen.

Häufig Blutdruck messen!

Es zählte aber nicht nur, ab welchem Blutdruck die Therapie ausgeweitet wurde, sondern auch, wie viel Zeit nach der ersten Messung erhöhter Werte bis zu der Maßnahme verstrichen war.

Am besten erging es Patienten, bei denen das Intervall kürzer als 1,4 Monate war. Eine Verzögerung auf 1,4 bis 4,7 Monate war mit einer um zwölf Prozent höheren Komplikationsrate assoziiert.

Wie bald der Erfolg der aggressiveren Therapie kontrolliert wurde, wirkte sich ebenfalls auf das klinische Ergebnis aus: Wurden Patienten erst nach über 2,7 Monaten in der Praxis vorstellig, stieg das Komplikationsrisiko um 18 Prozent.

Die Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention (Hochdruckliga) rät Hypertonie-Patienten, den Blutdruck häufig zu messen, am besten mit einem DHL®-zertifizierten Gerät.

"Bei einem Anstieg sollte man nicht zu lange zögern, sondern die Therapie rechtzeitig anpassen", betont Professor Martin Hausberg, der Vorstandsvorsitzende der Hochdruckliga in einer Mitteilung zu der US-Analyse.

In einem Editorial schreiben zudem britische Ärzte: "Die Folgen therapeutischer Trägheit werden durch die Studie krass veranschaulicht."

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