Renale Denervation

Neue Zielgruppe im Fokus

Die Renale Denervation soll als Methode zur Blutdrucksenkung weiter erforscht werden - obwohl sie in mehreren Studien zuletzt enttäuscht hat. In den Blickpunkt rückt jetzt eine neue Zielgruppe.

Peter OverbeckVon Peter Overbeck Veröffentlicht:
Darstellung der Denervierung von renalen Sympathikus-Nervenfasern.

Darstellung der Denervierung von renalen Sympathikus-Nervenfasern.

© Ardian Inc, Medtronic

NEU-ISENBURG. Euphorie über einen vermeintlichen "Therapiedurchbruch" bei resistenter Hypertonie, gefolgt von tiefer Enttäuschung über den unerwartet gescheiterten Nachweis ihrer Wirksamkeit in der bis dato größten kontrollierten Studie (Symplicity- HTN3) - die Renale Denervation (RD) hat von dieser Methode überzeugte Experten in kurzer Zeit in ein Wechselbad der Gefühle gestürzt.

Nüchtern betrachtet ist der derzeitige Stand der Forschung, dass eine relevante blutdrucksenkende Wirkung der katheterbasierten Verödung von sympathischen Nervenfasern in der Nierenarterienwand bislang weder zweifelsfrei nachgewiesen ist, noch mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden kann.

Die angesichts uneinheitlicher Studienergebnisse bestehende Ungewissheit kann nur durch weitere Forschung beseitigt werden. Bei der Festlegung ihrer Ausrichtung will man sich von Lehren aus den bisherigen Erfahrungen mit der RD in Studien leiten lassen.

Ergebnisse einer dazu einberufenen "Konsensus-Konferenz" hat eine internationale Forschergruppe um Dr. Felix Mahfoud aus Homburg/Saar und Professor Roland Schmieder aus Erlangen jüngst publiziert (Eur Heart J. 2015, online 19. Mai).

Auf den allgemeinsten Nenner gebracht geht es nun vor allem darum, für eine bessere Standardisierung zu sorgen, und zwar auf drei Gebieten: bei technischen Aspekten der Ablationsprozedur, bei der Auswahl der dafür am besten geeignet erscheinenden Patienten und bei der methodischen Studienplanung.

Neue Aspekte der Ablationsprozedur

Nach den in Studien gewonnenen Erfahrungen scheint es bei der RD eine "Dosis-Wirkung-Beziehung" zwischen Zahl der Ablationspunkte bzw. dem Muster ihre Anlage in der Gefäßzirkumferenz und dem blutdrucksenkenden Effekt zu geben. Einiges spricht dafür, dass die Ablation bislang oft "unterdosiert" - sprich: inkomplett - gewesen ist.

Verbesserungen erhofft man sich unter anderem von neuen Multielektroden-Ablationskathetern, mit denen bei kürzerer Ablationsdauer möglicherweise konsistentere Therapieergebnisse in der gesamten Zirkumferenz der Nierenarterienwand erzielt werden.

Auch hat man in Sachen Anatomie dazugelernt und weiß inzwischen mehr über periarterielle Verteilung und Dichte der renalen sympathischen Nervengeflechte. Daraus sind Zweifel erwachsen, ob die initial favorisierte Ablation in der proximalen Nierenarterie wirklich der beste Ansatz war.

Jetzt tendiert man eher zur Verlegung der Ablation in den distalen Bereich sowie in kleinere Äste der Arteria renalis. Daraus resultiert allerdings das Problem, dass diese Gefäßbereiche mit einigen der verfügbaren Katheter nicht zugänglich sind.

Ein Hauptproblem wird sich aber wohl so schnell nicht lösen lassen: Es gibt keine zuverlässigen Marker, die dem Arzt unmittelbar anzeigen, wie komplett oder inkomplett die angestrebte Ausschaltung der renalen sympathischen Signalwege war.

Von Beginn an war die klinische Prüfung der RD auf Patienten mit sogenannter resistenter Hypertonie fokussiert - was verständlich ist, da hier der größte ungedeckte Bedarf an neuen Therapien besteht.

Doch inzwischen keimt der Verdacht, damit womöglich nicht die beste Zielpopulation für die RD erwischt zu haben. Oft handelt es sich um ältere Patienten mit isolierter systolischer Hypertonie als Ausdruck einer erhöhten Steifigkeit der Aortenwand. Es gibt Hinweise, dass speziell diese Patienten weniger gut auf eine RD ansprechen.

Die Frage der Wahl der "richtigen" Patienten

Jetzt richtet sich der Blick der Forscher mehr auf jüngere Patienten mit weniger stark ausgeprägter Hypertonie. Zum einen sei bei ihnen die Aktivität des sympathischen Nervensystems höher als bei älteren Patienten, zum anderen seien die Arterien jüngerer Hypertoniker noch nicht so stark verändert und deshalb möglicherweise empfänglicher für die Effekte der RD, wird argumentiert.

Eine Frage muss bei der Kursnahme auf diese Zielgruppe aber zuvor beantwortet werden: Ist es gerechtfertigt, einen invasiven Eingriff bei Patienten durchzuführen, für die es - anders als bei resistenter Hypertonie - sichere und wirksame konservative Behandlungsalternativen aus dem Repertoire der Antihypertensiva gibt?

Die Hinwendung zu jüngeren Patienten mit gering bis moderat erhöhtem Blutdruck könnte auch hilfreich sein, methodische Probleme der Studien zu verringern. So ist davon auszugehen, dass die antihypertensiven Therapieregime bei jüngeren Patienten weit weniger komplex und damit besser kontrollierbar sind als bei Patienten mit resistenter Hypertonie.

Das könnte es leichter machen, ungeplant vorgenommene Therapiemodifikation und die Variabilität der Therapieadhärenz, die in den Studien bei resistenter Hypertonie als potenzielle Störfaktoren galten, gering zu halten.

Auch Studien zur Prüfung der RD bei Patienten mit milder Hypertonie, die für eine befristete Zeit überhaupt keine medikamentöse blutdrucksenkende Therapie erhalten, sind in Planung.

Konsens besteht offenbar dahingehend, dass primär die Ergebnisse der ambulanten Langzeit-Blutdruckmessung zur Beurteilung der Wirksamkeit der RD herangezogen werden sollen.

Auch eine Kontrollgruppe mit Scheinintervention (sham control) wird als notwendig erachtet.

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