Gefahr für Herz und Kreislauf

Sauber-Image von Kaffee gerät ins Wanken

Moderatem Kaffeekonsum werden diverse positive Gesundheitseffekte nachgesagt. Eine aktuelle Studie rüttelt jetzt kräftig an diesem Image.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
Kaffee ist vielleicht doch nicht so gut für die Gesundheit wie bislang gedacht.

Kaffee ist vielleicht doch nicht so gut für die Gesundheit wie bislang gedacht.

© Okea / iStock / Thinkstock

LONDON. Wie wirkt sich Kaffeetrinken auf das kardiovaskuläre Risiko aus? Beeinflusst es den Blutdruck oder das Diabetes-Risiko? Das haben italienische Wissenschaftler untersucht. Für die Beobachtungsstudie werteten Kardiologen um Lucio Mos von der Kardiologischen Klinik des Krankenhauses San Daniele in Udine Daten von 1201 nicht diabetischen jungen Erwachsenen im Alter zwischen 18 und 45 Jahren aus.

Es handelte sich um Teilnehmer der prospektiven HARVEST-Studie, einer langjährigen italienischen Hypertoniekohorte, an der 17 Zentren beteiligt sind, wie Mos beim ESC-Kongress berichtet hat.

Alle Patienten dieser Auswertung hatten eine arterielle Hypertonie im Stadium I mit systolischen Blutdruckwerten zwischen 140 und 159 mmHg und/oder diastolischen Werten zwischen 90 und 99 mmHg und waren zu Studienbeginn medikamentös unbehandelt. Sie wurden für insgesamt 12 Jahre begleitet.

Junge Hypertoniker untersucht

26,3 Prozent der Studienteilnehmer tranken keinen Kaffee. 63,8 Prozent waren "moderate Trinker", definiert als eine bis drei Tassen pro Tag. 9,9 Prozent wurden mit mehr als drei Tassen pro Tag als starke Kaffeetrinker kategorisiert. Da die Studie in Italien stattfand, habe es sich bei den konsumierten Kaffeegetränken in erster Linie um Espresso gehandelt, betonte der Studienleiter.

Im Ergebnis fanden die Forscher einen linearen Zusammenhang zwischen Kaffeekonsum und Quote der Patienten mit therapiebedürftiger Hypertonie. Die abstinenten Patienten wurden zu knapp 60 Prozent therapiebedürftig, Patienten mit starkem Kaffeekonsum zu über 70 Prozent.

Das war nach Adjustierung für Alter und Geschlecht mit einer Hazard Ratio von 1,5 statistisch signifikant. Bei moderatem Kaffeekonsum gab es einen nicht signifikanten Trend zuungunsten der Kaffeetrinker. Auch das Prädiabetes-Risiko war erhöht, aber nur bei Patienten, die Koffein langsam metabolisieren, was am CYP1A2-Genotyp festgemacht wurde.

Daten kontrovers diskutiert

Die Italiener berechneten in einer multivariaten Analyse außerdem das Risiko kardiovaskulärer Ereignisse, wobei insgesamt nur 60 Ereignisse in 12,5 Jahren auftraten. Bei moderatem Kaffeegenuss war das Risiko dreifach und bei starkem Kaffeegenuss vierfach erhöht.

 Wurden Hypertonie und Prädiabetes in die multivariate Analyse einbezogen, schmolz die Signifikanz dahin. Dies deute darauf hin, dass der Kaffeekonsum über den Umweg einer Blutdruckerhöhung oder der Begünstigung einer diabetischen Stoffwechsellage zum erhöhten kardiovaskulären Risiko führe, so Mos.

Die Daten wurden in London kontrovers diskutiert, weil sie im Widerspruch zu vielen anderen Studien stehen. So war Kaffeekonsum in einer Metanalyse dosisabhängig mit einer niedrigeren Gesamtmortalität und einer niedrigeren kardiovaskulären Mortalität assoziiert.

Allerdings beziehen sich die meisten Kaffeedaten auf gesunde Erwachsene, während an der jetzt vorgestellten Untersuchung ausschließlich junge Patienten mit leichter Hypertonie teilnahmen.

José González Juanatey, Präsident der Spanischen Gesellschaft für Kardiologie, wies daraufhin, dass eine arterielle Hypertonie bei jungen Menschen stark von einem überaktiven Sympathikus getrieben werde. Es sei denkbar, dass Koffein in dieser Konstellation den Sympathikus weiter antreibe und so den Blutdruck erhöhe.

Bewiesen ist das freilich nicht. Und so wurde dann auch Mos‘ Empfehlung, jungen Hypertonikern von starkem Kaffeekonsum abzuraten, vom Podium zum jetzigen Zeitpunkt und angesichts fehlender randomisierter Daten eher kritisch gesehen.

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