Mehr Bewegung -- bei KHK ist es dafür längst noch nicht zu spät

Regelmäßige Bewegung beugt KHK vor. Aber auch in der Sekundärprävention kann mehr körperliche Aktivität noch davor bewahren, vorzeitig zu sterben. Gründliche Untersuchungen und dem Risiko angemessene Belastungsintensität sind bei Koronarer Herzkrankheit obligat.

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Patienten mit Koronarer Herzkrankheit wird eine regelmäßige körperliche Aktivität von allen großen kardiologischen und sportmedizinischen Fachgesellschaften empfohlen - aus gutem Grund. Denn allein durch vermehrte körperliche Aktivität können die Gesamt-Sterberate um 27 Prozent und die Sterberate an Koronarer Herzkrankheit um 31 Prozent reduziert werden, hat eine Metaanalyse über den Einfluß körperlicher Aktivität und Lebensstilintervention bei über 8000 KHK-Patienten ergeben.

Fitness ist ein direkter Prädiktor für das Sterberisiko

Außer der körperlichen Aktivität ist auch die Fitness ein wesentlicher Prädiktor für das Sterberisiko von KHK-Patienten (NEJM 346, 2002, 793). Ergeben hat das eine Studie mit über 6000 Männern, von denen ein Teil eine KHK hatte. In der Studie wurden nach einem Fitness-Test auf dem Laufband in den folgenden sechs Jahren die Sterberaten registriert.

Die maximale Leistungsfähigkeit, gemessen in MET (MET bedeutet Leistung als Metabolisches Äquivalent, 1 MET entspricht 3,5 ml Sauerstoffaufnahme/kg Körpergewicht/min, 1 MET entspricht der Sauerstoffaufnahme im Sitzen), erwies sich als stärkster Prädiktor zu sterben. Jede Zunahme um ein MET bedeutete zwölf Prozent längeres Leben.

Körperliche Aktivität wirkt sich nach Angaben von Professor Martin Halle von der Universität München positiv auf Endothelfunktion, Koronarmorphologie und Plaquestabilität aus.

Training normalisiert die Endothelfunktion

So ist belegt worden, daß durch körperliches Training die Endotheldysfunktion, die als früheste Stufe der Koronarerkrankung angesehen wird, normalisiert werden kann.

In einer Studie genügte hierzu, daß Patienten vier Wochen lang täglich 10 Minuten bei 80 Prozent der maximalen Herzfrequenz auf dem Fahrradergometer trainierten.

Koronarstenosen können vermindert werden

Was bewirkt Bewegung bei Patienten mit KHK?

Verstärkte körperliche Aktivität hat bei KHK-Patienten vielfältige positive Auswirkungen. So wird die Sympathikusaktivität vermindert und die parasympathische Aktivität wird gesteigert Unter anderen wird dadurch die Ruheherzfrequenz gesenkt. Zu den vielfältigen metabolischen Veränderungen bei verstärkter körperlicher Aktivität gehört eine Steigerung der Insulinsekretion und der Glukosetoleranz. Auch die Insulinsensitivität steigt und die Plasmaglukose sinkt. Positive Auswirkungen gibt es auch auf den Lipidstoffwechsel. Gesamtcholesterin, Triglyzeride und LDL-Cholesterin sinken, das HDL-Cholesterin steigt.

Sogar Koronarstenosen können sich durch regelmäßiges Training vermindern. Dies hat mit einem ehrgeizigen Programm in der Lifestyle Heart Trial zuerst der US-Wissenschaftler Dan Ornish belegt. Dazu gehörten allerdings strikte vegetarische Diät mit einem Fettanteil unter zehn Prozent, eine regelmäßige körperliche Bewegung in Kombination mit Anti-Streßtherapie, Psychotherapie und Raucherentwöhnung.

Und in einer Heidelberger Studie über sechs Jahre wurde koronarangiographisch eine verringerte Progression der Koronarstenosen bei Patienten belegt, die fünfmal die Woche 30 Minuten bei 75 Prozent der maximalen Herzfrequenz trainierten. Der zusätzliche Gesamtkalorienverbrauch lag dabei bei 1750 kcal pro Woche.

Körperliche Bewegung geringeren Ausmaßes - dreimal pro Woche mit 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz - verändert zwar nicht die Koronarmorphologie, aber Leistungsfähigkeit und Lebensqualität steigen, es gibt weniger kardiale Ereignisse und es sind weniger Klinik-Behandlungen nötig.

Was Training im Vergleich zu einer PTCA bringt, wurde auch in einer Studie am Herzzentrum Leipzig ermittelt. An dieser Untersuchung haben Patienten mit stabiler KHK und Stenosen mit über 50 Prozent teilgenommen. Verglichen wurde der Effekt eines täglichen Ergometertrainings von 20 Minuten bei 70 Prozent der maximalen Herzfrequenz und einer interventionellen Therapie mit PTCA und Stentimplantation. Nach zwölf Monaten war die Komplikationsrate mit dem Training mit 70 Prozent signifikant geringer als mit 88 Prozent in der Kontrollgruppe.

Wie wirkt Aktivität auf KHK-Risikofaktoren?

Körperliche Inaktivität mit Fehlernährung und Adipositas ist entscheidend für die Ausprägung kardiovaskulärer Risikofaktoren. Diese können durch Bewegung und Fitness günstig beeinflußt werden. So ist durch körperliches Training und Ernährungsumstellung bei Patienten nach einem Herzinfarkt das LDL-Cholesterin um 20 Prozent gesenkt worden. Zudem wird die Insulinresistenz verringert.

Welche Untersuchungen sind vor der Aktivität nötig?

Vor Beginn der verstärkten körperlichen Aktivität von Koronarpatienten sollte deren kardiovaskuläres Risiko mit einigen Untersuchungen und Tests beurteilt werden: mit Echokardiographie die linksventrikuläre Funktion, die maximale Leistungsfähigkeit mit einer Fahrrad- oder Laufbandergometrie, je nach dem, was am ehesten der geplanten Aktivität entspricht.

Denn die Empfehlung zur Herzfrequenz beim Fahrradfahren liegt um zehn Schläge niedriger als beim Laufen. Da KHK-Patienten auch ihre Medikamente eingenommen haben, wenn sie trainieren, also Plättchenhemmer, Lipidsenker oder Medikamente zur Steigerung des HDL-Spiegels, Betablocker, Ca-Antagonisten und Nitrate, sollten die Medikamente auch vor einer Ergometrie genommen worden sein. Ob eine Myokardischämie vorliegt, klärt ein Belastungs-EKG.

Wann ist das kardiovaskuläre Belastungsrisiko gering?

Ein mäßig erhöhtes kardiales Belastungsrisiko besteht bei normaler oder fast normaler linksventrikulärer systolischer Funktion in Ruhe mit Auswurffraktionen über 50 Prozent und normaler Leistungsfähigkeit bei der Fahrrad- oder Laufbandergometrie. Was normal ist, hängt vom Geschlecht und Alter ab.

Die Grenzwerte bei der Fahrradergometrie betragen für Männer: bis 50 Jahre 2,4 Watt/kg, bis 59 Jahre 2,1 Watt/kg, bis 69 Jahre 1,8 Watt/kg und mit 70 Jahren 1,5 Watt/kg. Die entsprechenden Werte für Frauen: 2,2 Watt/kg, 1,9 Watt/kg, 1,6 Watt/kg, 1,3 Watt/kg. Auch sollten unter Belastung keine myokardiale Ischämie und keine ventrikulären Tachykardien auftreten.

Was wird bei einem gering erhöhtem Risiko empfohlen?

Diesen KHK-Patienten kann eine sportliche Betätigung mit geringer statischer und leichter bis mittlerer dynamischer Beanspruchung empfohlen werden. Drei bis fünf Trainingseinheiten pro Woche sollten es sein. Die Intensität sollte dabei zwischen 68 und 79 Prozent der maximalen Herzfrequenz beim Ergometertest liegen.

Wann ist das Belastungsrisiko deutlich erhöht?

Das kardiale Belastungsrisiko ist deutlich erhöht, wenn eine dieser Bedingungen erfüllt ist: Die LV-Funktion in Ruhe ist eingeschränkt. Es gibt Hinweise auf myokardiale Ischämien während Belastung oder Hinweise auf komplexe ventrikuläre Arrhythmien, besonders ventrikuläre Tachykardien unter Belastung. Es liegen Koronarstenosen über 50 Prozent in einer großen Koronararterie oder eine Hauptstammstenose vor.

Was ist KHK-Patienten mit erhöhtem Risiko zu raten?

Bei erhöhtem Risiko ist eine Belastung nach maximaler symptom- und befundfreier Intensität erlaubt:

bei maximal 66 Prozent Herzgruppensport in einer Trainingsgruppe, bei maximal 50 Prozent Herzgruppensport in Übungsgruppen oder Radfahren unter 15 km/h, bei maximal 35 Prozent Herzgruppensport in Übungsgruppen. (Rö)



Tips für Sport bei KHK

Die Belastungssteuerung bei Ballsportarten ist schwierig. Wegen der wechselnden Belastungen sind die Herzfrequenz-Messungen schwer verwertbar. Belastungsspitzen werden unterschätzt Zu empfehlen sind daher Ballsportarten mit niedriger dynamischer Beanspruchung wie Golf, Tischtennis oder Tennis im Doppel.

Schwimmen wird meist nur besser belastbaren Koronarpatienten mit einer beschwerde- und symptomfreien Ergometerleistung von mindestens 1,5 Watt/kg empfohlen. Generell sollten Patienten mit KHK nie unbeobachtet schwimmen. Die Herzfrequenzen müssen wegen der besonderen hämodynamischen Einflüsse im Wasser 10 Schläge/min niedriger liegen als bei Training auf dem Fahrrad.

Patienten mit Koronarer Herzkrankheit sollten Ausdauersportarten wie Jogging oder Walking aus Sicherheitsgründen möglichst nur in der Gruppe und in geringer Entfernung vom Standort und von Hilfsmöglichkeiten machen.

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