"Go Red for Women" für bessere Versorgung herzkranker Frauen

Kardiovaskuläre Erkrankungen bei Frauen waren ein Schwerpunktthema in Dallas. Als sichtbares Zeichen dafür trafen die teilnehmenden Herzspezialisten überall im Kongreßzentrum auf lebensgroße Frauentorsi in roten, wallenden Kleidern. Denn: Frauen mit Herzinfarkt haben eine schlechtere Prognose als Männer.

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Thomas Meißner

"Go Red For Women" ist eine nationale Kampagne der AHA und anderer Organisationen in den USA, um die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf die spezifische Problematik von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei Frauen zu lenken.

Zugleich werden Ärzten und anderen Berufsgruppen des Gesundheitssystems konkrete Hilfen zur Prävention sowie zur Behandlung bei kardiovaskulären Krankheiten bei Frauen angeboten - seien es speziell für Frauen erstellte Leitlinien der AHA oder Informationsangebote im Internet bis hin zu Postern und passenden Terminkärtchen. Wer wollte, konnte sich zum Zeichen der Solidarität ein rotes T-Shirt überstreifen oder eine rote Krawatte tragen.

Bemerkenswert ist, daß US-Ärzte auf eine umfangreiche und detaillierte Datenbasis zurückgreifen können, auf deren Grundlage geforscht wird und gehandelt werden kann. So ist beispielsweise genau bekannt, in welchen Alters- und ethnischen Gruppen die Hypertonie besonders verbreitet ist, Adipositas vorkommt oder wie viel Prozent der Frauen in diesen Gruppen einen Gesamtcholesterin-Wert von mehr als 200 mg / dl haben.

Daß es einen Geschlechterunterschied bei Diagnostik und Therapie von kardiovaskulären Erkrankungen gibt, haben in Dallas vorgestellte Studien erneut bestätigt. "Verschiedene Untersuchungen haben ergeben, daß Frauen mit koronarer Herzkrankheit nicht so aggressiv gescreent und behandelt werden wie Männer", klagte etwa Dr. Reena Bhargava aus Santa Clara, Kalifornien.

Bhargava und ihre Kollegen haben jetzt in einer retrospektiven Kohortenstudie mit fast 88 000 Männern und Frauen festgestellt, daß nur 58 Prozent der Frauen mit Fettstoffwechselstörungen und KHK einen Lipidsenker bekommen, aber 67 Prozent der Männer. Unter der Therapie erreichen 35 Prozent der Frauen einen LDL-Wert von unter 130 mg / dl, bei Männern sind es 55 Prozent.

Dies ist auch vor dem Hintergrund erstaunlich, daß in den USA seit 1984 pro Jahr mehr Frauen als Männer an Herzerkrankungen und Schlaganfällen sterben (53 Prozent vs. 47 Prozent).

Zudem haben Frauen unter 55 Jahren, wenn sie einen Herzinfarkt erleiden, eine deutlich schlechtere Prognose als ihre männlichen Altersgenossen (Circulation 111, 2005, 682). Dies wird gemeinhin mit einem vergleichsweise schlechteren Risikoprofil bei Frauen erklärt. Mancher Zusammenhang ist aber noch unklar.

Hormonelle Ursachen spielen sicher ein Rolle. Dies wird auch durch eine aktuelle Studie der National Institutes of Health (NIH) gestützt, wonach postmenopausale Frauen mit erhöhten Androgen-Spiegeln eine erhöhte KHK-Prävalenz aufweisen, so Dr. C. Noel Bairey Merz vom Cedars Sinai Medical Center in Los Angeles und Mitarbeiter. Sie bestätigen damit Ergebnisse früherer Untersuchungen.

Auch bei der Primärprävention kardiovaskulärer Ereignisse ergaben sich beim AHA-Kongreß erstaunliche Unterschiede zwischen Mann und Frau. In einer Metaanalyse von sechs Studien mit insgesamt mehr als 95 000 Frauen und Männern wurde durch die tägliche Acetylsalicylsäure-Einnahme bei Frauen das Schlaganfall-Risiko signifikant um 17 Prozent reduziert, ohne das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle signifikant zu erhöhen.

Bei Männern ist es nach den Ergebnissen von Dr. David L. Brown aus Stony Brook, New York, und seinen Kollegen genau umgekehrt. Ischämische Schlaganfälle werden nicht seltener, dafür steigt das Risiko für hämorrhagische Schlaganfälle um 69 Prozent.

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