HDL-Cholesterin

Doch kein Herzbeschützer?

Innovative Pharmaka, die das HDL-Cholesterin im Plasma erhöhen, nähren die Hoffnung, damit das Risiko für Herzinfarkte in Zukunft weiter senken zu können. Ergebnisse einer neuen Genstudie stellen dieses Konzept allerdings grundsätzlich infrage.

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Der gute Engel HDL: Müssen wir umdenken?

Der gute Engel HDL: Müssen wir umdenken?

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BOSTON (ob). Im Gegensatz zum "bösen" - weil proatherogen wirksamen - LDL-Cholesterin sind die High-Density-Lipoproteine (HDL) des Cholesterins gut beleumdet.

Ihr guter Ruf stützt sich unter anderem auf Ergebnisse epidemiologischer Studien, die eine inverse Beziehung zwischen HDL-Plasmakonzentration und dem Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse belegen.

Eine in Beobachtungsstudien dokumentierte Assoziation ist aber nicht gleichbedeutend mit einem kausalen Zusammenhang zwischen HDL-Cholesterin und Herzerkrankungen.

Dafür bedarf es eines überzeugenderen Beweises, der einen Risikomarker - dieser kann den Krankheitsverlauf auch widerspiegeln, ohne ursächlich beteiligt zu sein - erst zu einem kausal wirksamen Risikofaktor macht.

Für das LDL-Cholesterin ist dieser Beweis erbracht worden, indem in prospektiven Studien gezeigt wurde, dass eine Senkung dieses Parameters auch eine Reduktion von Herzinfarkten und Schlaganfällen nach sich zieht. Beim HDL-Cholesterin ist der kausale Zusammenhang noch ungeklärt.

Zu seiner Klärung eignet sich, abgesehen von randomisierten Studien, nach Ansicht von Experten für genetische Epidemiologie auch das Konzept der "Mendelschen Randomisierung".

Es beruht darauf, dass genetische Varianten bekannt sind, durch die die Ausprägung eines Risikomarkers - in diesem Fall des HDL-Cholesterins - beeinflusst wird.

Sofern das HDL-Cholesterin ein kausaler Faktor für kardiovaskuläre Erkrankungen ist, sollte sich auch ein Zusammenhang zwischen diesen genetischen Varianten und dem Risiko für entsprechende Erkrankungen nachweisen lassen.

Mendelsche Randomisierung

Die Natur selbst, die in der Meiose für eine Zufallsverteilung der Genvarianten sorgt, regelt dabei quasi die Randomisierung.

In sogenannten genomweiten Assoziationsstudien sind zahlreiche DNA-Varianten - man spricht von Single Nucleotide Polymorphisms (SNP) - identifiziert worden, die Einfluss auf diverse Lipidfraktionen haben.

Nach dem Prinzip der "Mendelschen Randomisierung" hat eine internationale Forschergruppe in zwei Analysen die mögliche protektive Wirkung des HDL-Cholesterins überprüft (Lancet 2012; 380: 572).

Für die erste Analyse nutzte sie einen Polymorphismus des LIPG-Gens (Asn396Ser), der bei Trägern dieser Genvariante (2,6 Prozent der Bevölkerung) das HDL-Cholesterin um 0,14 mmol/ (5,4 mg/dl) im Vergleich zu Nicht-Trägern erhöht.

Ausgehend von epidemiologischen Daten lässt dieser Unterschied im HDL-Cholesterin eine Reduktion des Herzinfarktrisikos um 13 Prozent erwarten.

Bei der Überprüfung anhand von Daten aus 20 Studien mit rund 116.000 beteiligten Personen war jedoch keine signifikante Beziehung zwischen Genvariante (also HDL-Erhöhung) und Infarktrisiko festzustellen.

Bei ihrer zweiten Analyse nutzten die Forscher einen genetischen Score aus 14 häufigen Polymorphismen, die alle mit einem erhöhten HDL-Cholesterin assoziiert sind.

Rückschlag für CETP-Hemmer?

Auch diese Analyse ergab keinen Zusammenhang zwischen Score und Infarktrisiko. Auf Basis epidemiologischer Daten war in diesem Fall eine Risikoreduktion um 38 Prozent zu erwarten.

Bei einem ähnlichen Test, der Auswirkungen von Veränderungen des LDL-Cholesterins anhand eines genetischen Scores überprüfen sollte, wurden die Erwartungen hingegen erfüllt.

Denn für das "böse" Cholesterin wurde die durch epidemiologische Studie nahegelegte Assoziation mit dem Herzinfarktrisiko in den genetischen Studien bestätigt.

Die Ergebnisse dämpfen die Hoffnung, mit innovativen Pharmaka, die den HDL-Spiegel anheben, die Prävention von Herz-Kreislauf-Erkrankungen optimieren zu können.

Leider sind auch die bisherigen Ergebnisse der darauf zielenden Lipidforschung nicht dazu angetan, Zuversicht in diese Strategie zu stiften.

In der AIM-HIGH-Studie konnte die Möglichkeit, dass Nikotinsäure das kardiovaskuläre Risiko reduziert, weder bestätigt noch ausgeschlossen werden.

Die anfängliche Euphorie über die CETP-Hemmer, die das HDL-Cholesterin dramatisch in die Höhe treiben können, hat sich abgekühlt: Nach Torcetrapib (im Jahr 2006) ist mit Dalcetrapib kürzlich erneut ein Vertreter dieser heterogenen Wirkstoffklasse in einer Studie gescheitert - diesmal wegen Wirkungslosigkeit.

Jetzt ruhen die Hoffnungen auf Anacetrapib und Evicetrapib, die in großen Endpunktstudien ihren Nutzen beweisen müssen.

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