Psyche und Herz

Trübsal blasen fördert erneuten Infarkt

Wenn ein Herzinfarkt und seine Folgen zu sehr auf der Seele lasten, begünstigt dies offenbar einen neuerlichen Infarkt - nicht selten mit Todesfolge. Besonders wenn die Vitalität der Betroffenen leidet, ist dies ein schlechtes Zeichen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Infarktpatienten mit Depressionen haben eine deutlich verschlechterte Prognose.

Infarktpatienten mit Depressionen haben eine deutlich verschlechterte Prognose.

© JPC-Prod / fotolia.com

AARHUS. Vor dem Infarkt noch vor Kraft strotzend, geht danach lange Zeit oft nichts mehr. Verständlich, dass dies an der Seele nagt.

Doch je mehr man sich den Infarkt zu Herzen nimmt, umso stärker scheint es dieses zu schädigen. Darauf deuten Daten einer prospektiven Studie von Forschern um Tine Nielsen aus Aarhus in Dänemark (BMJ Open 2013; 3: e003045).

So ist schon lange bekannt, dass die Depression, die etwa ein Viertel der Patienten nach einem Herzinfarkt heimsucht, nicht gut für die weitere Prognose ist.

Wer nach dem Infarkt Trübsal bläst, erhöht sein Risiko für einen erneuten Infarkt um das Zwei- bis Dreifache. Die Gründe dafür sind nicht ganz klar.

Möglicherweise vernachlässigen depressive Patienten Therapie und Reha, rauchen mehr oder lassen sich eher gehen. Diskutiert werden aber auch direkte negative Effekte einer Depression auf das Herzkreislaufsystem.

Das Team um Nielsen interessierte sich aber nicht nur für Depressionen, sondern allgemein für den psychischen Zustand der Herzinfarktpatienten.

Für ihre Studie schrieben sie alle Dänen an, die aufgrund von Registerdaten im Jahr 2009 einen ersten Herzinfarkt erlitten hatten. Ihnen schickten sie 12 bis 14 Wochen nach der Klinikentlassung ein Set von Fragebögen.

Knapp 70 Prozent der Betroffenen antworteten. Die Forscher konnten anschließend Angaben von 880 Patienten auswerten.

Psychische Gesundheit im Fokus

Der psychische Gesundheitszustand wurde dabei mit mehreren validierten Instrumenten erfasst, etwa mit der "Hospital Anxiety and Depression Scale (HADS)".

Dieser Fragebogen richtet sich vor allem an Klinikpatienten mit körperlichen Erkrankungen, bei denen nach psychischen Begleitstörungen gefahndet wird.

Bei einem HADS-Wert ab 8 Punkten besteht der Verdacht auf eine Depression oder Angststörung. Entscheidend für die Forscher waren jedoch die Angaben im "Mental Component Summary" (MCS) des SF-12-Gesundheitsfragebogens.

Beim MCS wurde gefragt, wie oft die Patienten aufgrund von emotionalen Problemen weniger auf die Reihe bekamen, als sie wollten, oder ihre Arbeit weniger sorgfältig erledigten als üblich.

Zudem sollten sie angeben, wie häufig sie sich ruhig und friedlich, energiegeladen oder depressiv fühlten und wie oft ihre psychischen Probleme sie an sozialen Aktivitäten hinderten.

Normal ist beim MCS ein Wert von 50 Punkten in der Bevölkerung, die Herzinfarktpatienten der Studie erreichten im Schnitt 45 Punkte.

Viele Betroffene müssen bald wieder in die Klinik

Nun teilten die Forscher die Patienten entsprechend ihrer MCS-Werte in vier Quartilen ein.

Dabei stellten sie fest, dass bei den Patienten in der Quartile mit den höchsten MCS-Werten und damit dem besten psychischen Zustand nach im Schnitt 2,6 Jahren 15 Prozent erneut einen Infarkt erlitten oder starben.

Der Anteil stieg über die Quartilen kontinuierlich an und erreichte 48 Prozent in der Quartile mit dem schlechtesten psychischen Zustand - in dieser Gruppe kam es also bei fast jedem Zweiten zu einem gravierenden Ereignis.

Erwartungsgemäß waren in dieser Gruppe auch viele depressiv oder von Ängsten geplagt: 58 Prozent hatten einen HADS-Wert von 8 oder mehr Punkten, nur halb so viele waren es in der Gruppe mit den besten MCS-Werten.

Demnach ist das Risiko, bei schlechten MCS-Werten einen erneuten Herzinfarkt zu bekommen oder zu sterben, etwa dreieinhalb Mal höher als bei guten Werten.

Die Unterschiede bleiben auch dann bestehen, wenn das Team um Nielsen Angststörungen, Depressionen, Alter, die Schwere der Erkrankung sowie eine Reihe weiterer Faktoren berücksichtigte - unabhängig davon war das Infarkt- und Todesrisiko bei schlechter psychischer Gesundheit noch um das Zweifache erhöht.

Schauten sich die Wissenschaftler um Nielsen die einzelnen Komponenten des MCS an, so war die Frage nach der Vitalität am aussagekräftigsten.

Patienten, die sich häufig ruhig, energiegeladen und selten depressiv fühlten, zeigten in der Folgezeit die geringste Reinfarkt- und Sterberate.

Das Team um Nielsen schließt aus den Ergebnissen, dass ein schlechter psychischer Zustand, egal ob er auf einer Depression oder anderen Ursachen beruht, auch die kardiale Prognose massiv verschlechtert.

Entsprechend sollten sich Ärzte bei Herzinfarktpatienten nicht nur um die körperliche Wiederherstellung kümmern, ebenso wichtig sei es, auf den psychischen Zustand zu achten.

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