Viele Patienten mit Herzinsuffizienz bekommen noch nicht optimale Therapie

Die Deutsche Herzstiftung hat die Herzinsuffizienz zum Schwerpunkt der diesjährigen Herzwochen gemacht. Bei der bundesweiten Aufklärung wirbt die Stiftung dafür, die Therapieempfehlungen noch besser umzusetzen.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:

Ein aktuelles Problem bei Herzinsuffizienz ist die diastolische Dysfunktion. "Die diastolische Herzinsuffizienz haben wir letztlich immer noch nicht so richtig verstanden", sagt Professor Erland Erdmann. Der Kardiologe von der Uniklinik Köln ist Mitglied im wissenschaftlichen Beirat der Deutschen Herzstiftung und seit vielen Jahren ein exponierter Experte in Sachen Herzinsuffizienz.

Schlechte Prognose bei diastolischer Insuffizienz

Zwar sei bekannt, dass die Patienten - vor allem ältere Menschen und oft Frauen mit einer arteriellen Hypertonie als Grunderkrankung - die klinischen Symptome einer Herzinsuffizienz zeigen, ohne dass die systolische Pumpfunktion nennenswert eingeschränkt ist, sagte Erdmann aus Anlass der diesjährigen Herzwochen, in denen die Deutsche Herzstiftung das Thema Herzinsuffizienz zum Schwerpunkt gemacht hat. "Warum das den Betreffenden aber Probleme bereitet und warum die Prognose dieser Form der Herzinsuffizienz so schlecht ist, das ist nicht so einfach zu erklären", so Erdmann im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung".

Das gängige Erklärungsmodell, wonach der diastolische Druck vor allem bei körperlicher Belastung wegen eines eingesteiften Ventrikels überproportional ansteige, was dann wiederum die klinischen Symptome verursache, hält er für nicht ausreichend. "Das mag schon so sein. Es bleibt aber trotzdem erstaunlich, warum diese Erkrankung gerade bei älteren Frauen oft so schwer verläuft", so Erdmann. Der Sachverhalt ist keineswegs nur von wissenschaftlichem Interesse. Denn so lange nicht völlig klar ist, was eigentlich bei der diastolischen Herzinsuffizienz passiert, können auch keine gezielten Therapien entwickelt werden. "Tatsache ist, dass Medikamente gegen die Herzinsuffizienz bei Patienten mit rein diastolischen Problemen schlecht wirken", so Erdmann. Der Effekt von ACE-Hemmern und Sartanen ist in dieser Subgruppe der Herzinsuffizienz-Patienten sehr begrenzt. Diuretika und Betablocker werden oft schlecht toleriert. "Trotzdem bleiben die gängigen Herzinsuffizienz-Medikamente auch bei diastolischer Herzinsuffizienz bis auf Weiteres die Mittel der Wahl, denn wir haben nichts Besseres."

Dosis der Medikamente nur sehr vorsichtig steigern!

Dem Arzt in der Praxis empfiehlt der Experte, Diuretika und Betablocker bei Patienten mit diastolischer Herzinsuffizienz in niedrigst möglicher Dosis zu beginnen und die Dosis dann nur sehr vorsichtig zu steigern.

Auch bei der systolischen Herzinsuffizienz ist in Sachen Therapie noch längst nicht alles in trockenen Tüchern. Zwar sprechen Betroffene durchweg gut auf die Therapie mit RAAS-Hemmstoffen, Betablockern, Diuretika und Aldosteron-Antagonisten an. "Hier existiert aber nach wie vor ein Umsetzungsproblem", so Erdmann.

Nachholbedarf bei Aldosteron-Antagonisten

Besonders gelte das für Aldosteron-Antagonisten. Hier werde derzeit nur etwa jeder dritte Herzinsuffizienz-Patient, bei dem eine Indikation für einen Aldosteron-Antagonisten besteht, auch tatsächlich behandelt. Dabei scheinen gerade die Aldosteron-Antagonisten für einen langfristigen Therapieerfolg von entscheidender Bedeutung zu sein. "Diese Mittel sollten frühzeitig gegeben werden, weil sie wahrscheinlich über eine Hemmung der Kollagensynthese protektiv wirken", so Erdmann.

Klare Kandidaten für einen Aldosteron-Antagonisten seien Patienten mit einer Herzinsuffizienz des klinischen Schweregrades NYHA III und NYHA IV. "Aber auch jeder, der eine linksventrikuläre Pumpfunktion von unter 40 Prozent hat und dabei symptomatisch ist, sollte diese Medikamente bekommen." Schließlich profitierten auch alle Patienten, die nach einem Herzinfarkt eine reduzierte Pumpfunktion haben, überdurchschnittlich von Aldosteron-Antagonisten. "Auch hier ist die Therapie eigentlich ein Muss", so Erdmann.

Für etwas abgeflaut hält Erdmann mittlerweile die Begeisterung über die Herzinsuffizienz-Marker BNP beziehungsweise NTproBNP. Während ihre diagnostische und prognostische Bedeutung unstrittig sei, habe sich in den letzten Jahren gezeigt, dass sie zum Therapiemonitoring weniger gut geeignet sind als anfänglich erhofft. "Als diagnostisches Hilfsmittel bei Patienten mit unklarer Luftnot haben sie ihre Berechtigung. Auch als Motivationshilfe für Patienten können sie im Einzelfall hilfreich sein", so Erdmann. Eine generelle Indikation für eine (NTpro)BNP-Bestimmung bei Herzinsuffizienz sieht er aber nicht.

Während der Herzwochen im November gibt es über 1000 Veranstaltungen in Praxen, Kliniken, Apotheken und Ämtern (Infos: www.herzstiftung.de). Die Patientenbroschüre "Das schwache Herz" gibt es für 5 Euro in Briefmarken bei: Deutsche Herzstiftung, Vogtstr. 50, 60322 Frankfurt

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