Häufigste Todesursache in Kliniken

Herzschwaches Deutschland

Ein schwaches Herz ist in Deutschland der häufigste Grund für eine krankheitsbedingte Klinikeinweisung. Und die meisten Todesfälle in Krankenhäusern gehen auch auf die Herzinsuffizienz zurück. Dass die Zahlen so hoch sind, hängt nicht nur mit der Alterung der Gesellschaft zusammen.

Von Dr. Christine Starostzik Veröffentlicht:
Auch bei manchen Herzen ist etwas die Luft raus.

Auch bei manchen Herzen ist etwas die Luft raus.

© Jörg Lantelme / fotolia.com

NÜRNBERG. Während in den USA, Australien, England, Irland, Neuseeland und Kanada stationäre Behandlungen von Herzinsuffizienzpatienten seit Beginn des 21. Jahrhunderts zurückgehen und in Frankreich und Schweden die Zahlen stagnieren, ist in Deutschland eine gegenteilige Bewegung zu erkennen.

Gleichzeitig werden die Behandlungskosten für diese Patienten in Deutschland derzeit auf über 2,9 Milliarden Euro geschätzt.

Um einen genaueren Eindruck von der Epidemiologie der Herzinsuffizienz zu erhalten, haben Michael Christ vom Klinikum Nürnberg der Paracelsus-Universität und Kollegen die zeitliche Entwicklung bei Klinikeinweisungen, Liegezeiten und Todesfällen von Patienten mit der Diagnose Herzinsuffizienz in deutschen Krankenhäusern analysiert.

Hierzu nutzen sie die Daten der jährlichen Gesundheitsberichterstattung des Bundes aus den Jahren 2000 bis 2013 (Eur J Heart Fail, 18: 1009-1018).

Immer mehr Klinikeinweisungen

Die Gesamtzahl der Klinikeinweisungen wegen Herzinsuffizienz ist von 239.694 Patienten im Jahr 2000 auf 396.380 Patienten im Jahr 2013 nahezu kontinuierlich um 65,4 Prozent gestiegen.

Diese Entwicklung scheint allerdings nicht nur eine Folge der alternden Bevölkerung. Denn auch altersstandardisiert haben die Autoren eine Steigerung der Hospitalisierungsrate errechnet, und zwar um 28,4 Prozent.

Die Risikoerhöhung war in allen Altersgruppen zu beobachten, am stärksten jedoch bei den 75- bis über 85-Jährigen (89,6 Prozent), gefolgt von der Gruppe ab 85 Jahren (62,6 Prozent).

Bei den Männern wurde der Anstieg besonders deutlich (33,2 versus 21,2 Prozent der Frauen). Damit verhält sich die Herzinsuffizienz gegen den Trend, denn die Gesamthospitalisierungsrate blieb bis 2006 konstant und stieg in den folgenden Jahren nur leicht.

Verkürzte Liegezeit

Auch die Zahl der Tage, die Patienten mit Herzinsuffizienz unter stationärer Behandlung verbrachten, stieg im Untersuchungszeitraum um 22,1 Prozent, während die Liegezeiten für alle Diagnosen insgesamt in Deutschland um 12,6 Prozent abnahmen.

Obwohl sich die durchschnittliche Verbleibdauer in der Klinik für Herzinsuffizienzpatienten von 14,3 auf 10,6 Tage verkürzte, lag diese immer noch über der allgemeinen Liegezeit, die von 9,7 auf 7,6 Tage schrumpfte.

Insgesamt ist die Mortalitätsrate für stationäre Herzinsuffizienzpatienten von 14,8 Prozent im Jahr 2000 auf 9,3 Prozent im Jahr 2013 gesunken (9,7 Prozent Frauen versus 8,8 Prozent Männer).

In jeder Altersgruppe war der Anteil der herzinsuffizienzbedingten Todesfälle in der Klinik pro 100.000 Einwohner im Untersuchungszeitraum zurückgegangen, am geringsten naturgemäß bei den Ältesten.

Die absolute Zahl der krankheitsspezifischen Todesfälle blieb aber mit etwa 35.000 pro Jahr (etwa 45/100 000 Personen der Allgemeinbevölkerung) ebenso konstant wie die der Patienten, die insgesamt in Krankenhäusern starben (400.000/Jahr). Im Jahr 2013 kam es zu 36.717 Todesfällen infolge Herzinsuffizienz (19.749 Frauen versus 16.968 Männer).

Daten zur Mortalität nach der Klinikentlassung fehlen allerdings für Deutschland. So könne man keine Aussagen darüber treffen, welche langfristigeren Auswirkungen die verkürzte Liegezeit und die niedrigeren Mortalitätsraten im Krankenhaus letztlich hätten, so Christ und Kollegen.

Mehr Aufmerksamkeit vonnöten

Auch im Jahr 2013 war die Herzinsuffizienz der häufigste Grund für eine krankheitsbedingte Klinikeinweisung (2,1 Prozent aller Fälle). Herzinsuffiziente beanspruchten nach Patienten mit rezidivierenden depressiven Erkrankungen die zweitlängsten Liegezeiten (2,9 Prozent aller Kliniktage).

Die häufigste Todesursache in der Klinik war nach wie vor die Herzinsuffizienz (8,8 Prozent aller Todesfälle; 9,8 Prozent Frauen versus 7,8 Prozent Männer), erst danach folgten Pneumonie, akuter Myokardinfarkt sowie Bronchial- und Lungentumoren.

Den derzeit erkennbaren Trend, so Christ und Kollegen, könne man ihrer Analyse zufolge nur teilweise der demografischen Entwicklung zuschreiben.

Deshalb bedürfe die Herzinsuffizienz dringend größerer Aufmerksamkeit. Trotz der bisherigen Verbesserungen in den Bereichen Prävention, Diagnostik und Therapie sowie der gesunkenen Mortalitätsraten im Krankenhaus halten die Studienautoren den Anteil von 8,8 Prozent an Kliniktodesfällen durch Herzinsuffizienz noch immer für alarmierend hoch.

Sie fordern deshalb nicht nur verstärkte Bemühungen in der Prävention, sondern auch im Krankheitsmanagement, zum Beispiel nach einem vorausgegangenen Herzinfarkt. Insbesondere bei älteren Patienten, so Christ und Kollegen, müsse die Versorgung verbessert werden.

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