Durchblutungsstörungen auf der Spur

Mit dem klassischen Knöchel-Arm-Index (ABI) zur Identifikation von Durchblutungsstörungen am Bein kann man bei Diabetikern oft falsch liegen. Ein Augsburger Angiologe schlägt deshalb eine modifizierte Berechnung des einfachen klinischen Tests vor. Konsequent angewandt und rechtzeitig therapeutisch reagiert, könnte dies typischen Fußkomplikationen bei Diabetikern vorbeugen.

Dr. Thomas MeißnerVon Dr. Thomas Meißner Veröffentlicht:
Bei der Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes werden die Fußpulse mit einem Doppler-Gerät gemessen.

Bei der Bestimmung des Knöchel-Arm-Indexes werden die Fußpulse mit einem Doppler-Gerät gemessen.

© Foto: Iimago

Alle neun Minuten fällt in Deutschland ein Bein einer Amputation zum Opfer, sagt Privatdozent Dr. Frank Schröder aus Augsburg. Überwiegend handelt es sich dabei um Diabetiker, 61 000 Amputationen sind es pro Jahr. Das diabetische Fußsyndrom ist bei der Hälfte der Patienten neuropathischer Genese, zur anderen Hälfte angiopathisch oder angiopathisch-neuropathischer Ursache. Bei bis zu jedem dritten Diabetiker soll eine periphere arterielle Verschlusskrankheit (pAVK) vorliegen. Die Bestimmung des Knöchel-Arm-Index (ABI) ist eine einfache Methode, die Patienten rechtzeitig zu identifizieren. Werte unter 0,9 entsprechen einer pAVK, bei weniger als 0,4 handelt es sich bereits um eine kritische Ischämie.

Es besteht das Risiko für falsch normale Werte

Wichtig bei Bestimmung des ABI ist, dass der Patient zunächst zehn Minuten gelegen hat. Gemessen werden die Blutdrücke an beiden Armen (A. brachialis) und Sprunggelenken (A. tibialis anterior und/oder posterior), wobei bislang der jeweils höchste gemessene systolische Druck zur Berechnung verwendet werden soll.

Diese klassische ABI-Messung birgt speziell bei Diabetikern jedoch die Gefahr, dass falsch normale ABI-Werte herauskommen. Denn Diabetiker haben typischerweise eine Unterschenkel-pAVK, während bei Rauchern oder Personen mit Hyperlipidämie eher die Becken- und Oberschenkelgefäße stenosiert sind. Das kann zu unterschiedlichen Quotienten führen, so Schröder.

Ein Beispiel: Ein Patient hat einen systolischen Blutdruck über der rechten A. tibialis anterior von 110 mmHg, über der A. tibialis posterior jedoch von 60 mmHg (vorgeschaltete Stenose). Am Arm betrug der Druck 120 mmHg. Die klassische Rechnung lautet: 110/120 mmHg ergibt 0,92, also keine pAVK. Nimmt man den niedrigen Knöcheldruck dagegen in den Zähler ergibt sich: 60/120 mmHg. Das entspricht 0,5 und ergibt eindeutig einen Verdacht auf pAVK!

Modifizierter Index hat höhere Sensitivität

Tatsächlich haben Schröder und seine Kollegen in einer Studie bei mehr als 200 Patienten heraus bekommen, dass eine pAVK viel sicherer diagnostiziert werden kann, wenn man beim ABI den niedrigen Tibialisdruck für die Berechnung benutzt. Die Sensitivität des klassischen ABI lag bei 0,68, die Sensitivität des modifizierten ABI bei 0,89. Die ABI-Indices hatten die Augsburger mit den Befunden der Duplex-Sonografie bei den Patienten abgeglichen. Ein Sonderfall ist ein ABI von über 1,3. Dann liegt eine Intima-media-Sklerose vor. Die Mediasklerose verengt zwar nicht das Gefäßlumen, ist aber dennoch nicht harmlos. Denn die Mediasklerose erhöht Pulsgeschwindigkeit sowie arteriellen Blutdruck und führt zur Hypertrophie der linken Herzkammer. Außerdem, so Schröder, hätten viele Diabetiker gleichzeitig eine Mediasklerose und eine pAVK. Damit verdreifache sich das Amputationsrisiko und vervierfache sich die kardiovaskuläre Sterberate dieser Patienten!

STICHWORT

Ratschow-Test

Die Durchblutungssituation am Unterschenkel kann mit dem Ratschow-Test zunächst ohne Hilfsmittel überprüft werden: Der Patient liegt auf dem Rücken, die Beine werden vom Untersucher senkrecht nach oben gehalten und der Patient soll kreisende Bewegungen mit den Füßen machen (etwa 30-mal). Die Füße blassen etwas ab. Nun setzt sich der Patient aufrecht auf die Liege und lässt die Beine herunter hängen. Normalerweise werden die Füße nun in fünf bis zehn Sekunden hyperämisch. Bei Durchblutungsstörungen bleibt der Fuß blass, oftmals minutenlang. Jeder Diabetiker über 50 Jahre sowie Diabetiker mit Claudicatio-Anamnese sollten auf Durchblutungsstörungen untersucht werden, sagt Privatdozenz Dr. Frank Schröder aus Augsburg. (ner)

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