Retinafotos verraten Apoplexierisiko
BERLIN (gvg). Blutgefäßveränderungen im Augenhintergrund können Informationen zum Apoplexierisiko liefern. Der Prognosewert der Gefäßveränderungen ist dabei offenbar unabhängig vom Vorliegen kardiovaskulärer Erkrankungen.
Veröffentlicht:Die epidemiologischen Daten dazu stammen aus mehreren Studien, meist aus den USA, die Professor Tien Yin Wong von Uni Melbourne in Australien zusammengefaßt hat (Lancet Neurology 3, 2004, 179).
So habe eine Serie von Retinafotos innerhalb der ARIC-Studie (Artherosclerosis Risk In Communities) belegt, daß Mikroaneurysmen und Hämorrhagien das Risiko, innerhalb von drei Jahren einen ersten Schlaganfall zu kriegen, verdoppelten bis verdreifachten (The Lancet 358; 2001; 1134). Dieses Risiko war statistisch unabhängig von anderen kardiovaskulären Risiken. Auch die Cardiovascular Health Study aus den USA komme zu diesem Ergebnis, so Wong.
Medikamentöse Erweiterung der Pupille ist meist nicht nötig
Die Netzhautfotographie ist, anders als die herkömmliche Augenhintergrunduntersuchung, ein standardisierbares Verfahren mit Funduskameras, die meist von medizinisch-technischen Assistenten bedient werden. Eine medikamentöse Pupillenerweiterung ist meist nicht nötig.
Besonders aussagekräftig ist der sogenannte A/V-Wert, bei dem die durchschnittlichen Durchmesser von Arteriolen und Venolen von einer Spezial-Software miteinander in Beziehung gesetzt werden. Der Normalwert liegt je nach Software bei 0,8 bis 0,9. Pauschal ausgedrückt steigt das kardiovaskuläre Risiko mit fallenden Werten.
Auf Retinafotos sind auch Mikroaneurysmen erkennbar
Augenärzte beurteilen auf Retinafotos zudem die üblichen Zeichen einer Mikroangiopathie, also Mikroaneurysmen und Blutungen. "Untersucht man Patienten mit netzhautfotographisch nachgewiesenen Gefäßveränderungen, aber ohne sonstige Risiken, mit Magnetresonanz-Tomographie (MRT), dann zeigt sich auch eine Korrelation zwischen den Retinaveränderungen und Schäden an der weißen Hirnsubstanz", so Wong in seinem Artikel. In der ARIC-Studie sei bei Patienten, die Veränderungen im MRT-Bild plus auffällige Fundusfotos hatten, das Schlaganfallrisiko im Vergleich zur Normalbevölkerung 18fach erhöht gewesen.
In Deutschland macht die Siemens Betriebskrankenkasse seit zwei Jahren mit Netzhautfotografie ein Screeningprojekt in deutschen Städten. Insgesamt wurden bisher mehr als 30 000 Menschen untersucht. Nach einer Anamnese werden Netzhautfotos erstellt, die in der Augenklinik der Uni Erlangen ausgewertet werden. Gegebenenfalls wird empfohlen, zur Therapie bei kardiovaskulären Risiken den Hausarzt aufzusuchen.
"Wir holen uns von den Patienten zudem die Erlaubnis ein, sie in Zukunft per E-Mail zu kontaktieren, sodaß die Möglichkeit zu einer längerfristigen Beobachtung besteht", so Professor Georg Michelson, der Projektverantwortliche in Erlangen. Für eine Aussage zum Apoplexierisiko ist die Beobachtungszeit im Siemens-BKK-Projekt aber noch nicht lang genug.