Wird Hypothermie bald Therapieoption bei Apoplexie?

Ein zeitweiliges Senken der Körpertemperatur kann den Erfolg einer Reanimation verbessern. Jetzt wird das Hypothermie-Verfahren auch bei Schlaganfallpatienten intensiver untersucht.

Philipp Grätzel von GrätzVon Philipp Grätzel von Grätz Veröffentlicht:
MRT-Bild und Gehirnmodell eines Patienten mit Schlaganfall. Erste Studien mit Hypothermie bei Apoplexie sind vielversprechend.

MRT-Bild und Gehirnmodell eines Patienten mit Schlaganfall. Erste Studien mit Hypothermie bei Apoplexie sind vielversprechend.

© Foto: dpa

Klinische Studien zu Hypothermie bei Schlaganfall kamen bisher nur zögerlich voran: "Das Verfahren lässt sich nicht patentieren und wird deswegen kaum beforscht. Und wir haben das Problem, dass unsere Schlaganfallpatienten wach sind und die Kälte spüren", sagte Dr. Rainer Kollmar von der Klinik für Neurologie der Uni Erlangen. In der 2002 publizierten Studie zu Hypothermie bei Reanimation wurde die Körperkerntemperatur zeitweilig auf 33 °C gesenkt, was den Anteil der Patienten mit gutem neurologischen Ergebnis nach Reanimation fast verdoppelte.

Doch 33 °C ist zu kühl für viele Schlaganfallpatienten. Auch die Anwendung der Kältetherapie ist bei diesen Patienten ein Problem. Technisch gut machbar sind kalte Lösungen, die endovaskulär über einen Katheter appliziert werden. Das allerdings hat den Nachteil, dass ein Sicherheitszeitfenster nach der Lysetherapie abgewartet werden muss, bevor der Katheter gelegt werden kann.

In Erlangen wurde jetzt mit kalten Kochsalzlösungen gearbeitet, die über eine herkömmliche Flexüle und damit noch während der Lyse oder unmittelbar danach appliziert werden können. "Wir haben bei zehn Patienten mit zwei Litern gearbeitet, das wird gut toleriert", sagte Kollmar bei der Arbeitstagung Neurologische Intensiv- und Notfallmedizin (ANIM) in Leipzig. Zusätzlich gaben die Erlanger Ärzte Pethidin. "Das senkt die Zitterschwelle, sodass die Hypothermie auch bei wachen Patienten möglich wird", so Kollmar.

Nach den guten Erfahrungen der Pilotstudie wird jetzt eine zweite Studie gestartet, bei der die anfängliche Kühlung über intravenöse Kochsalzlösung erfolgt und dann mit sicherem Abstand zur Lyse ein endovaskulärer Katheter für eine kontinuierliche Kühlung über 24 Stunden gelegt wird. Das ist der Zeitraum, der auch in den erfolgreichen Reanimationsstudien gewählt worden war. An dieser randomisiert-kontrollierten Studie werden 30 Patienten teilnehmen. Die Zieltemperatur liegt bei 35 °C. "Es handelt sich primär um eine Sicherheitsstudie, mit der auch die Patientenzahl für eine Phase-III-Studie abgeschätzt werden soll", so Kollmar.

Auch europäisch gewinnt die Hypothermie bei Schlaganfall an Fahrt: So wurde im Dezember 2008 das European Stroke Research Network for Hypothermia gegründet, an dem auch deutsche Kliniken beteiligt sind. Die European Science Foundation (ESF) kümmert sich gerade um eine Finanzierung. Die Deutsche Forschungsgesellschaft aber hat die Anfrage der ESF negativ beschieden.

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