Ärzte drängen Schlaganfall zurück

Erfolg für Internisten und Hausärzte: Schlaganfälle werden immer seltener, denn Ärzte haben die Risikofaktoren wie Hypertonie und hohe Cholesterinwerte inzwischen gut im Griff. Defizite gibt es allerdings noch bei Patienten mit Vorhofflimmern. Auch Frauen werden häufig noch schlechter medikamentös versorgt als Männer.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
CT bei Apoplexie: Per Durchflusszeit lässt sich durchblutetes Gewebe von abgestorbenem (blau) unterscheiden.

CT bei Apoplexie: Per Durchflusszeit lässt sich durchblutetes Gewebe von abgestorbenem (blau) unterscheiden.

© Allgemeinkrankenhaus Altona

BERKLESHIRE. Es klingt zunächst wie ein Widerspruch: Zwar entwickelt sich der Schlaganfall in Industrieländern inzwischen zur häufigsten Gefäßerkrankung, dennoch machen sich jetzt überall Fortschritte in der Primärprävention bemerkbar.

In Großbritannien etwa ist die Inzidenz für einen ersten Schlaganfall zwischen 1999 und 2008 um 30 Prozent gesunken: Lag sie vor zwölf Jahren noch bei 148 pro 100.000 Einwohner und Jahr, so ging dieser Wert kontinuierlich auf 104 pro 100.000 Einwohner zurück, berichtet ein Team um Dr. Sally Lee aus Berkshire (BMJ Open 2011; 2:e000269).

Großes nationales Hausarztregister für Ärzte in Großbritannien

Die Ärzte konnten für ihre Analyse auf ein großes nationales Hausarztregister zurückgreifen, die General Practice Research Database (GPRD) mit knapp 500 über das ganze Land verstreuten Arztpraxen und über drei Millionen Patienten. Sie erreicht damit etwa sechs Prozent der britischen Population.

Geschaut wurde für die Untersuchung allerdings nur, wie viele der Patienten dieses Registers erstmals einen Schlaganfall erlitten, ohne dass vorher eine kardiovaskuläre Erkrankung bekannt war. Patienten mit KHK oder Schlaganfallrezidiven wurden also ausgeschlossen.

Sterberate ging in 10 Jahren um über 40 Prozent zurück

Ein weiterer Erfolg lässt sich nach diesen Daten ebenfalls verbuchen: Starben 1999 noch 21 Prozent der Patienten innerhalb von sechs Wochen nach einem ersten Schlaganfall, so waren es 2008 nur noch 12 Prozent - ein Rückgang um 42 Prozent.

Die Sterberate war insgesamt mit 18,6 Prozent versus 11,3 Prozent bei Frauen deutlich höher als bei Männern, was zum Teil am höheren Alter der Frauen lag. Doch auch wenn das Alter berücksichtigt wurde, blieb noch ein signifikanter Unterschied.

65 Prozent der Schlaganfallpatienten hatten eine Hypertonie

Als Ursache für den Rückgang der Inzidenz vermuten die Autoren der Analyse ein besseres Management der Schlaganfall-Risikofaktoren. Auch dies konnten sie gut den GPRD-Daten entnehmen.

Insgesamt hatten 65 Prozent der Schlaganfallpatienten eine Hypertonie. Von diesen wurden vor dem Insult im Jahr 1999 nur drei Viertel antihypertensiv behandelt, 2008 waren es praktisch alle.

Versorgung nach Schlaganfall verbesserte sich deutlich

Erstversorgung bei Schlaganfall; die Sterberate nach einem Hirninfarkt ist bei Männern niedriger als bei Frauen.

Erstversorgung bei Schlaganfall; die Sterberate nach einem Hirninfarkt ist bei Männern niedriger als bei Frauen.

© C. Pueschner/ZEITENSPIEGEL Stift

Noch drastischer war der Unterschied bei Cholesterinsenkern. Von den knapp 40 Prozent der Patienten mit bekannter Hypercholesterinämie erhielten vor dem Apoplex im Jahr 1999 nur ein Viertel eine medikamentöse Therapie, 2008 über 90 Prozent.

Und auch nach einem Schlaganfall verbesserte sich die Versorgung innerhalb einer Dekade deutlich: Der Anteil aller Patienten mit Cholesterinsenkern stieg von 15 Prozent auf 80 Prozent, der Anteil von Patienten mit Plättchenhemmern wie ASS und Clopidogrel nahm von 60 Prozent auf 75 Prozent zu.

Dies wird nicht zuletzt als einer der Gründe für die sinkende Sterberate nach einem ersten Schlaganfall betrachtet.

Fehlversorgung noch häufig bei Vorhofflimmern

Etwas Wasser in den Wein fließt mit der Erkenntnis, dass die Schlaganfallprophylaxe bei Patienten mit Vorhofflimmern noch nicht optimal ist. So hatten zwar über 50 Prozent dieser Patienten einen CHADS2-Score von 2 und mehr, also ein erhöhtes Schlaganfallrisiko, aber nur 25 Prozent aller Patienten mit Vorhofflimmern erhielten Antikoagulanzien wie Marcumar.

Und diese waren nicht unbedingt die Patienten mit hohem Apoplex-Risiko, sondern auch solche mit einem CHADS2-Wert von weniger als 2, also Patienten, bei denen die Medikamente eigentlich nicht verordnet werden sollten.

Dafür verschrieben die Ärzte bei hohem Schlaganfallrisiko vermehrt Plättchenhemmer, um die Thromboembolie-Gefahr einzudämmen.

Frauen sterben häufiger am Schlaganfall

Über solche Entwicklungen in Deutschland kann man nur spekulieren, da vergleichbare bundesweite Registerdaten zur allgemeinärztlichen Versorgung fehlen. Immerhin lässt sich anhand von lokalen Registern und Angaben des Statistischen Bundesamtes erahnen, dass es auch hierzulande entsprechende Fortschritte gibt.

So ist die Schlaganfallmortalität in Deutschland nach der offiziellen Todesursachenstatistik zwischen 1998 und 2008 von 150 auf 90 pro 100.000 Einwohner gesunken - ein Rückgang um 40 Prozent. Auch hier fällt auf: Frauen sterben deutlich häufiger am Schlaganfall als Männer.

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