Große Hirngefäße verstopft

Jetzt sind Korkenzieher gefragt

Beim Verschluss großer Hirngefäße profitieren Patienten offenbar von einer endovaskulären Therapie: Das Infarktvolumen ist kleiner und schwere Behinderungen treten damit seltener auf als bei der I.v.-Lyse.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
CT nach Schlaganfall.

CT nach Schlaganfall.

© All. Krkhs. Altona

ATLANTA. Um die richtige Vorgehensweise bei einem Schlaganfall wird noch immer heftig gestritten, vor allem ob, wann und bei welchen Patienten eine endovaskuläre Therapie hilfreich ist.

Drei große kontrollierte Studien hatten vor kurzem keinen Vorteil einer mechanischen Gefäßöffnung ergeben, allerdings waren hierbei kaum moderne Stent-Retriever benutzt worden, sondern ältere, weniger effektive Systeme (wir berichteten).

Auch war der Anteil von Patienten mit Verschlüssen großer Gefäße zum Teil nicht besonders hoch. Ein Kritikpunkt war daher, man habe zum Teil die falschen Patienten mit den falschen Methoden behandelt.

Naturgemäß sollten von einer endovaskulären Therapie vor allem Patienten mit einem proximalen Verschluss großer Gefäße profitieren - diese sind per Katheter gut zugänglich, und hier schafft es die I.v-Lyse oft nicht, die Thromben aufzulösen.

So liegen die Erfolgsraten für eine rt-PA-Lyse bei einem Verschluss der Carotis interna im oberen Bereich bei weniger als 6 Prozent, ein proximaler Verschluss der mittleren Zerebralgefäße oder Basilararterien lässt sich mit intravenöser Alteplase meist nur bei gut einem Drittel der Patienten auflösen.

Daten aus zwei Zentren verglichen

Neurologen um Dr. Srikant Rangaraju haben nun in einer retrospektiven Analyse den Erfolg der endovaskulären Therapie bei großen Gefäßverschlüssen genauer untersucht (JAMA Neurol 2013; 70(7): 831-836).

Sie verwendeten dabei Daten aus zwei Schlaganfallzentren in Atlanta. Im einen Zentrum bevorzugten die Ärzte bei großen Gefäßverschlüssen eine rasche endovaskuläre Therapie, im anderen Zentrum war die Katheterbehandlung jedoch eher unüblich, hier setzten die Intensivmediziner meist auf die I.v.-Lyse.

Insgesamt werteten Rangaraju und Mitarbeiter das Schicksal von 203 Patienten aus, die innerhalb von sechs Stunden nach Symptombeginn in ärztliche Hände gelangten.

Alle hatten einen Verschluss der Carotis interna oder einen M1- oder M2-Verschluss der mittleren Gehirnschlagader. M3- und M4-Verschlüsse der A. cerebri media wurden dagegen nicht berücksichtigt.

134 Patienten waren endovaskulär behandelt worden, 38 nur per I.v.-Lyse, 31 erhielten keine Reperfusionstherapie - sie lagen in der Regel außerhalb des Lysezeitfensters.

Im Median lag der NIHSS-Wert bei der Aufnahme bei 19 Punkten - die Patienten hatten also moderate bis schwere Symptome.

Vor der endovaskulären Therapie hatten die meisten Patienten (68 Prozent) auch eine vollständige I.v.-Lyse bekommen, der Eingriff erfolgte dann meist per Merci-Retriever oder Penumbra, nur 18 Patienten (13 Prozent) waren bereits mit modernen Stent-Retrievern behandelt worden.

Infarktvolumen fast um zwei Drittel kleiner

Primärer Endpunkt war das mediane Infarktvolumen gemessen per MRT. Dieses war in der Gruppe mit endovaskulärer Therapie deutlich geringer als in der Gruppe mit ausschließlicher I.v.-Lyse oder ohne Reperfusion (42 versus 109 und 110 cm3).

Die Unterschiede zwischen endovaskulärer Therapie und den anderen Gruppen waren auch dann noch signifikant, wenn Alter, NIHSS-Wert bei der Aufnahme und Dauer bis zum Therapiebeginn berücksichtigt wurden, und sie waren sowohl für den Karotisverschluss als auch jeweils für den M1- und M2-Verschluss signifikant, wobei der Nutzen beim Karotis- und M1-Verschluss etwas ausgeprägter war als bei einem Thrombus im M2-Segment der A. cerebri media.

Dies könnte darauf deuten, dass Patienten mit weiter distal gelegenen Verschlüssen kaum noch von der endovaskulären Behandlung profitieren.

Thrombektomie nützt besonders bei schweren Smptomen

Auch bei Patienten mit relativ leichten Symptomen (NIHSS-Wert bis 13 Punkte) ergab sich kein Vorteil: Einen Wert auf der modified Rankin-Scale (mRS) von maximal drei Punkten - also eine leichte bis moderate Behinderungen - zeigten bei der Klinikentlassung nach endovaskulärer Therapie 72 Prozent, aber 88 Prozent nach Lyse oder ohne Reperfusion.

Bei höheren NIHSS-Werten war das Ergebnis für die Patienten mit mechanischer Thrombolyse aber deutlich besser: 42 Prozent mit einem NIHSS-Wert von 14-19 Punkten waren bei der Entlassung höchstens moderat eingeschränkt, ohne endovaskuläre Therapie erreichten nur noch 17 Prozent einen solchen Zustand.

Bei schwerem Schlaganfall (NIHSS von 20 oder mehr Punkten) gingen die Chancen für ein günstiges Ergebnis mit 27 Prozent versus 4 Prozent noch weiter auseinander.

Die Daten legen folglich für Patienten mit großen Gefäßverschlüssen einen deutlichen Vorteil der endovaskulären Therapie nahe, vor allem bei gravierenden Symptomen.

Dies ist auch insofern interessant, als moderne Stent-Retriever in der Studie kaum zum Einsatz kamen- mit ihnen könnten die Ergebnisse noch weitaus besser sein, vermuten auch die beiden US-Neurologen Harold Adams und Michael Froehler in einem Editorial zur Arbeit von Rangaraju (JAMA Neurol. 2013;70(7):828-830).

Sie schlagen vor, immer im geeigneten Zeitfenster eine rt-PA-Lyse vorzunehmen und bei nachgewiesenen Verschlüssen großer Gefäße auf moderne Stent-Retriever zu setzen, wenn sich Ärzte für eine zusätzliche mechanische Reperfusion entscheiden.

Kaum Aussichten auf Erfolg hat ihrer Auffassung nach eine Thrombektomie distal von M1. Patienten mit solchen Verschlüssen sollten in Studien zur endovaskulären Therapie nicht mehr aufgenommen werden.

Da die Arbeit von Rangaraju und Mitarbeitern retrospektiv war, sind weitere Studien mit prospektiv-randomisiertem Design dringend nötig, um einen möglichen Nutzen der Thrombektomie zu bestätigen.

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