Europäische Neurologen

Plädoyer für Thrombektomie

Beim ersten Kongress der European Academy of Neurology (EAN) sind Empfehlungen zur Thrombektomie vorgeschlagen worden. Das Verfahren soll bei bestimmten Patienten die intravenöse Thrombolyse ergänzen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:

BERLIN. Der Schlaganfall zählt zu den neurologischen Erkrankungen mit den höchsten volkswirtschaftlichen Kosten: Etwa 64 Milliarden Euro müssen die europäischen Nationen jährlich für die medizinischen Kosten und wirtschaftlichen Folgekosten, etwa durch Behinderungen und Frühpensionierungen, ausgeben.

Darauf hat der Präsident der neu gegründeten European Akademie of Neurology (EAN), Professor Günther Deuschl von der Uni Kiel, hingewiesen.

Deuschl nannte auf einer Pressekonferenz Daten aus Untersuchungen, nach denen jährlich direkte und indirekte Kosten von mehr als 336 Milliarden Euro aufgrund von neurologischen Krankheiten in Europa anfallen - das ist mehr Geld, als dem Bundeshaushalt zur Verfügung steht.

An gemeinsamen Empfehlungen wird gefeilt

Um die Versorgung von Schlaganfall-Patienten zu verbessern, arbeiten die europäischen Neurologen nun zusammen mit anderen Fachärzten an gemeinsamen Empfehlungen.

Nachdem in den vergangenen Monaten eine ganze Reihe von Studien der Nutzen der mechanischen Thrombektomie bei Patienten mit proximalen Verschlüssen der Hirngefäße nachgewiesen worden ist, sieht die EAN hier Handlungsbedarf.

"Das Verfahren ist vor allem bei großen Thromben sinnvoll, die sich unter medikamentöser Therapie nicht oder nur zum Teil auflösen lassen und die große Hirnversorgungsgefäße verschließen", so Vizepräsident Professor Franz Fazekas von der Universität Graz.

Der Neurologe sieht die Thrombektomie primär als Ergänzung zur rt-PA-Lyse; die mechanische Rekanalisierung sollte unter bestimmten Voraussetzungen bei Verschlüssen großer Gefäße zur Anwendung kommen. So müsse der Eingriff in den ersten sechs Stunden nach Symptombeginn erfolgen. "Die Behandlungsresultate sind umso besser, je früher der Eingriff erfolgt."

Ein hohes Alter der Patienten dürfe dagegen kein Ausschlusskriterium sein. "Bei bereits stark vorgeschädigtem Gehirn, sehr großen Infarkten und schwerer Erkrankungen auch anderer Organsysteme erscheint ein Einsatz allerdings nicht zielführend", so Fazekas. "Die Kunst wird es sein, das Verfahren mit dem richtigen Augenmaß bei jenen Patienten einzusetzen, die davon profitieren können."

Auch sei es wichtig, für diese Form der Behandlung entsprechende Strukturen und geeignete Arbeitsabläufe zu schaffen.

Neue Daten zur rt-PA-Lyse vorgestellt

Da die bisherigen positiven Daten zur Thrombektomie aus Studien mit Stent-Retrievern stammen, sollten möglichst auch diese Systeme verwendet werden. "Der Einsatz anderer Verfahren ist im Einzelfall von den Behandlern zu beurteilen."

Neue Daten gibt es jedoch auch zur rt-PA-Lyse. So zeigen die Ergebnisse einer beim EAN-Kongress präsentierte portugiesische Studie, dass Patienten auch dann von der Thrombolyse profitieren können, wenn sie an Krebs oder Demenz erkrankt sind oder vor Kurzem einen Herzinfarkt hatten.

Erfolge waren auf dem Kongress auch bei der Schlaganfallprävention zu vermelden. In einer Studie konnte bei zehn von 58 Patienten nach kryptogenem Schlaganfall mithilfe implantierbarer Event-Rekorder ein intermittierendes Vorhofflimmern nachgewiesen werden.

"Der Einsatz von implantierbaren Event-Rekordern ist dazu geeignet, die gefährlichen Herzrhythmusstörungen bei Patienten nach einem kryptogenen Schlaganfall zu erkennen", so das Fazit von Fazekas.

Zum ersten Kongress der EAN vom 19. bis 23 Juni kamen rund 6500 Experten aus aller Welt nach Berlin. Die EAN entstand 2014 durch eine Zusammenführung der beiden europäischen neurologischen Fachgesellschaften, der European Federation of Neurological Societies (EFNS) und der European Neurological Society (ENS).

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