Akuttherapie des Schlaganfalls

Alter spricht nicht gegen Lyse

Nach zwei Jahrzehnten Erfahrung mit Millionen von Patienten wird die Lysetherapie bei Schlaganfall oft auch "off label" eingesetzt. Zu möglichen Ausnahmen bei Zulassungs-Einschränkungen gibt es jetzt ein Positionspapier der American Stroke Association.

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Ein Patient mit Verdacht auf Schlaganfall wird notversorgt.

Ein Patient mit Verdacht auf Schlaganfall wird notversorgt.

© Christoph Pueschner/Zeitenspiegel Stiftung Dt. Schlaganfall-Hilfe

BERLIN. Die Lysetherapie rettet seit 20 Jahren vielen Menschen mit Schlaganfall das Leben oder bewahrt sie vor schweren Behinderungen. Die Behandlung wird dabei häufig auch "off label" vorgenommen. Entscheidungshilfen zu solchen Grenzfällen der Therapie hat nun die Amerikanische Schlaganfall-Gesellschaft zusammengestellt (Stroke Association. Stroke 2016; 47: 581).

Die Deutsche Schlaganfall-Gesellschaft (DSG) und die Deutsche Gesellschaft für Neurologie (DGN) empfehlen das amerikanische Statement als wertvolle Argumentationshilfe für Ärzte, die vor der Entscheidung für eine solche "Offlabel-Therapie" stehen.

Ärzte müssen eine "Off-label-Therapie" immer gut begründen können, betont die DGN in einer Mitteilung. Zudem sollte das Ärzteteam möglichst das Einverständnis des Patienten zu einer solchen Therapie einholen, was bei Betroffenen mit einem schweren Schlaganfall oft nicht möglich ist.

Die American Stroke Association hat sich nun mit den Kontraindikationen einer Thrombolyse ausführlich auseinandergesetzt und gibt in ihrem Positionspapier Behandlungsempfehlungen für Ärzte.

Wenig Evidenz bei Gegenanzeigen

Viele Gegenanzeigen entpuppten sich in den letzten beiden Jahrzehnten als Mythos, wird Professor Hans-Christoph Diener, Direktor der Klinik für Neurologie am Uniklinikum Essen, in der Mitteilung zitiert. Die wissenschaftliche Evidenz hinter vielen Ausschlusskriterien sei zudem oftmals dünn.

Nach seinen Angaben betrifft die wichtigste Erweiterung die Altersgrenze von 80 Jahren. "Hochbetagte Menschen erleiden häufig einen sehr schweren Schlaganfall", sagt Diener, der Pressesprecher der Deutschen Gesellschaft für Neurologie ist. Dies bedeute allerdings nicht, dass eine Lysetherapie keine Wirkung mehr erzielt.

 Diener: "Die Beweislage ist eindeutig und die neue Empfehlung ist klar. Die Lysetherapie kann ohne Altersgrenze nach oben zum Einsatz kommen."

Von der Lysetherapie sollten laut Statement auch Schwangere oder Patienten nach einer vorangegangenen Magenblutung nicht generell ausgeschlossen werden.

Genauso wenig sprechen eine kürzlich erfolgte Operation, Herzinfarkt oder Krebs notwendigerweise gegen eine Lysetherapie, auch wenn das Blutungsrisiko erhöht sein kann und die Therapieentscheidung hier immer individuell abgewogen werden muss.

Ärzte haben Entscheidungshoheit

Die amerikanischen Empfehlungen bieten auch in ungewöhnlichen Situationen wichtige Entscheidungshilfen, etwa bei einem Schlaganfall von einem Kind. Dennoch bleibt die Therapie immer eine Ermessensfrage. Ein Beispiel sind leichte Schlaganfälle. "Bei vielen Patienten ist bereits vor der Infusion eine Tendenz zur Verbesserung erkennbar", so Diener.

Solange allerdings weiterhin Lähmungen oder andere leichte Schlaganfallsymptome vorhanden sind, sollte auch in dieser Situation eine Lysetherapie erfolgen, findet der Experte.

Für die DGN-Experten ist klar: Das Konsensuspapier biete zu vielen Grenzfragen der Thrombolyse wichtige Empfehlungen und werde ein wertvoller Ratgeber in der klinischen Praxis auf den Stroke Units werden.

Die Endverantwortung liegt jedoch immer beim behandelnden Ärzteteam und hängt wesentlich von dessen Erfahrung ab, so die DGN.

Und eines sollte auch nicht vergessen werden: Bestehen bei einem Patienten mit einem sehr schweren Schlaganfall Zweifel an der Sicherheit der gerinnselauflösenden und blutverdünnenden Thrombolyse, dann gibt es seit Kurzem die Möglichkeit der mechanischen Rekanalisation: Anstatt ihn medikamentös aufzulösen, wird der Thrombus mit einem Stent-Retriever aus dem Hirngefäß gezogen. (eis/eb)

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