Lungenembolie

Bei intermediärem Risiko primär keine Lyse

Zum Management nach Lungenembolie hat die ESC neue Empfehlungen vorgelegt: Diese gelten für die erst kürzlich definierte Gruppe von Patienten mit intermediärem Risiko und für Patienten mit chronischer thromboembolischer pulmonaler Hypertonie.

Von Dr. Elke Oberhofer Veröffentlicht:

MÜNCHEN. Zum Vorgehen bei Lungenembolie liegen seit September 2014 neue Leitlinien der Europäischen Kardiologengesellschaft ESC vor. Demnach hängt die Entscheidung für oder gegen eine Lyse-Therapie vor allem vom hämodynamischen Schweregrad ab.

Neu ist die Definition des "intermediären Risikos": ein nach durchgemachter Lungenembolie hämodynamisch stabiler Patient, der jedoch im Herzecho eine Rechtsherzbelastung zeigt sowie labordiagnostisch ein erhöhtes Troponin.

Nach Professor Martin Kohlhäufl vom Robert-Bosch-Krankenhaus Stuttgart sind solche Konstellationen in der Praxis häufig; sie werden nur sehr oft nicht adäquat diagnostiziert.

Dabei sind Echokardiografiebefunde und der Biomarker Troponin prognostisch äußerst relevant.

Intermediäres Risiko: Lyse ist Kann-Entscheidung

Patienten mit intermediärem Risiko sind engmaschig zu überwachen, forderte Kohlhäufl. Anders als der hämodynamisch instabile Patient erfordern sie jedoch nicht zwingend eine Lyse.

"Es handelt sich hier um eine Kann-Entscheidung", sagte der Experte beim Internisten-Update in München. Kohlhäufl riet, zunächst konservativ zu behandeln.

Die Indikation zur Lyse sei erst dann zu stellen, wenn der Patient im Verlauf instabil werde oder die Zeichen der Rechtsherzbelastung zunähmen.

Die Kann-Regelung zur Lyse bei intermediärem Risiko beruht vor allem auf einer Studie mit 1005 hämodynamisch stabilen Patienten mit Rechtsherzbelastung und positivem Troponin-Test: Darin erzielte die Tenecteplase-Gruppe gegenüber dem Placebo-Arm zwar eine deutliche Verbesserung beim kombinierten Endpunkt Tod, hämodynamische Dekompensation, Reanimation und Schock (NEJM 2014; 370: 1402-11).

Nach Kohlhäufl ging dies aber in erster Linie auf das Konto der verbesserten hämodynamischen Stabilität.

Der Preis war das erhöhte Blutungsrisiko: So war die Rate der gefürchteten hämorrhagischen Insulte in der Verumgruppe deutlich höher, vor allem bei Patienten über 75. Die Lyse hatte die Patienten zwar stabilisiert, die Mortalität war unterm Strich jedoch gleich geblieben.

In der ESC-Leitlinie wird noch eine weitere Risikogruppe definiert: Patienten, die - unter Umständen erst Jahre nach einer durchgemachten Lungenembolie - eine chronische thromboembolische pulmonale Hypertonie (CTEPH) entwickeln.

Wie Kohlhäufl berichtete, betrifft dies mindestens neun Prozent aller Patienten mit Lungenembolie. "Die Dunkelziffer", so der Experte, "ist wahrscheinlich hoch." Nach Kohlhäufl liegt der Verdacht auf eine solche Komplikation nahe, wenn ein Patient zum Beispiel "nach dreimonatiger Antikoagulation über Dyspnoe klagt".

In diesem Falle sei eine weiterführende Diagnostik angezeigt. Die ESC sieht hierfür zunächst eine Echokardiografie vor, gefolgt von einem Ventilations-Perfusions-Szintigramm.

Die Angio-CT dagegen halten die Experten zum Ausschluss einer CTEPH für weniger geeignet. "Man muss schon sehr erfahren sein, um hier zuverlässig Veränderungen zu erkennen", so Kohlhäufl. Umgekehrt schließe auch ein normaler Angio-CT-Befund dieses Krankheitsbild nicht aus.

Pulmonale Endarteriektomie ist Standardtherapie

Der nächste Diagnostik-Schritt ist nach Leitlinie eine Rechtsherzkatheteruntersuchung. Diese zeigt nach Kohlhäufl oft typische Gefäßabbrüche in der Lungenperipherie. Bei positivem Befund ist die Standardtherapie die pulmonale Endarteriektomie unter Einsatz der Herz-Lungen-Maschine.

Der aufwendige Eingriff erfolgt, so Kohlhäufl, "in absoluter kurativer Intention". Dabei wird das thrombotische Material vom Herzchirurgen herausgeschält. Etwa 60 Prozent der Patienten sind für diesen schweren Eingriff jedoch nicht geeignet.

Für sie gibt es jetzt eine medikamentöse Option: Riociguat ist der erste Vertreter der sogenannten sGC-Stimulatoren. Die lösliche (soluble) Guanylatzyklase (GC) katalysiert die Synthese von zyklischem Guanosinmonophosphat (cGMP).

Dieses, so Kohlhäufl, "wirkt per se vasodilatatorisch, antiproliferativ und antiinflammatorisch." Das Medikament sei jedoch keinesfalls als Ersatz für den operativen Eingriff zu sehen, warnte der Pneumologe.

"Es sollte wirklich reserviert sein für Patienten, die auch nach Evaluierung an entsprechenden Zentren für definitiv inoperabel erklärt wurden."

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