HNO-Ärzte

Schwindelgefühle nicht als Alterserscheinung abtun

Schwindelgefühle und die damit verbundene Unsicherheit beim Gehen gehören für Zehntausende ältere Menschen zum Alltag. Noch zu oft werden die Symptome nicht ernst genug genommen.

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Bei Patienten über 80 Jahren geht etwa die Hälfte ihrer Besuche beim Hausarzt auf Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen zurück.

Bei Patienten über 80 Jahren geht etwa die Hälfte ihrer Besuche beim Hausarzt auf Schwindelgefühle und Gleichgewichtsstörungen zurück.

© panthermedia

ERFURT. Jeder zweite Hausarzt-Besuch von Patienten über 80 geht auf Schwindelgefühle und damit verbundene Gleichgewichtsstörungen zurück. Das teilte die Deutsche Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde am Dienstag vor ihrer Jahrestagung in Erfurt mit. Bei den über 70-Jährigen habe etwa jeder dritte Hausarzt-Besuch diesen Grund. Durch den demografischen Wandel dürfte die absolute Zahl der Betroffenen weiter steigen, sagte Kongresspräsident Dirk Eßer. "Schwindel wird zu einem immer wichtigeren Thema in der Altersmedizin." Eßer bezeichnete die Behandlung einer steigenden Zahl von Schwindel-Patienten als interdisziplinäre Herausforderung.

Obwohl vielen Patienten bei einer richtigen Diagnose geholfen werden könnte, gebe es noch erhebliche Behandlungsdefizite in Deutschland. "Bei älteren Patienten wird Schwindel oft als Begleiterscheinung des Alterungsprozesses angesehen. Oft wird den Ursachen nicht auf den Grund gegangen", sagte Stefan Volkenstein von der Universitätsklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde der Ruhr-Universität Bochum. Schwindel müsse ernster genommen werden. Eine richtige Behandlung, für die eine systematische Befragung der Patienten (Anamnese) erforderlich sei, koste jedoch Zeit. Er verwies auf eine große Kohorten-Studie, wonach Schwindel als wesentlicher, die Lebensqualität beeinträchtigender Faktor alter Menschen identifiziert worden war.

 Für bestimmte peripher-vestibuläre Schwindelformen gibt es chirurgische Verfahren. Daher soll jeder Schwindel internistisch, HNO-ärztlich und/oder neurologisch abgeklärt werden. Entsprechende Konzepte zur strukturierten Diagnostik und Therapie werden beim Kongress in Erfurt diskutiert. Eine S2k-Leitlinie zu vestibulären Funktionsstörungen, verantwortet von den Fachgesellschaften für HNO und Neurologie, soll demnächst veröffentlicht werden. Seit Ende 2015 steht eine Leitlinie für Hausärzte zu akutem Schwindel zur Verfügung

Schwindelgefühle entstehen nach Angaben der Mediziner, wenn die am Gleichgewichtssystem beteiligten Sinnesorgane widersprüchliche Informationen an das Gehirn senden. Ursachen könnten unter anderem Erkrankungen im Innenohr, aber auch Abnutzungserscheinungen der Halswirbelsäule oder eine Störung des Gleichgewichtszentrums im Gehirn sein. Bei richtig diagnostizierten Schwindelsymptomen gebe es eine gute Prognose. Sie könnten häufig mit Medikamenten sowie einem Schwindeltraining zur Sturzprophylaxe behandelt werden. Operative Therapieverfahren kämen dagegen eher selten zum Einsatz.

Nach Volkensteins Angaben sind bei alten Menschen sensorische Defizite, etwa bei bilateraler Vestibulopathie, zentraler Schwindel und der gutartige Lagerungsschwindel häufige Ursachen. Bei unter 40-jährigen Schwindelpatienten kommen dagegen häufiger phobische und somatoforme Ursachen oder die vestibuläre Migräne in Betracht.

Auf ihrer Jahresversammlung in Erfurt, zu der vom 24. bis 27. Mai etwa 2500 Fachleute erwartet werden, beschäftigen sich die HNO-Ärzte vor allem mit der Altersmedizin - mit den Hauptthemen Schwindel sowie Hören einschließlich Tinnitus. (ner/dpa)

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