US-Studie

Testosteron gefährlich für ältere Männer?

In der Hoffnung auf mehr Vitalität nehmen immer mehr ältere Männer Testosteron. Dabei könnte das Plus an Libido, Muskel- und Knochenmasse teuer erkauft sein.

Von Dr. Dagmar Kraus Veröffentlicht:
Immer mehr ältere Männer setzen auf Anti-Aging. Außer der kosmetischen Pflege ist dabei die Testosteron-Substitution sehr beliebt.

Immer mehr ältere Männer setzen auf Anti-Aging. Außer der kosmetischen Pflege ist dabei die Testosteron-Substitution sehr beliebt.

© goodluz / fotolia.com

DALLAS. In den letzten zehn Jahren ist in den USA die Zahl der Testosteron-Verschreibungen deutlich gestiegen, zwischen 2000 und 2011 jährlich um den Faktor fünf.

Werden doch mit der Substitution des männlichen Geschlechtshormons eine Reihe positiver Effekte in Verbindung gebracht.

Nicht nur im Hinblick auf das Sexualleben, auch in puncto Kraft, Knochenmineraldichte, Körperzusammensetzung, Lipidprofil und Insulinresistenz scheint Testosteron positiv zu wirken.

Wie das Hormon jedoch auf das Herz-Kreislauf-System wirkt, speziell bei älteren und eventuell vorerkrankten Männern, ist bislang kaum erforscht.

Mehr als 8000 US-Veteranen untersucht

Im Jahr 2010 ließ die TOM (Testosterone in Older Men)-Studie erstmals aufhorchen: Sie wurde vorzeitig abgebrochen, weil bei Männern jenseits des 65. Lebensjahres nach täglicher Anwendung eines Testosteron-Gels über sechs Monate im Vergleich zu Placebo die Rate kardiovaskulärer Ereignisse deutlich gestiegen war.

Nun weist eine aktuelle retrospektive Kohortenstudie in dieselbe Richtung: Mit einer Testosteron-Substitution stieg die Herzinfarkt- und Schlaganfallrate sowie die Gesamtmortalität (JAMA 2013; 310: 1829).

Das Ergebnis basiert auf Daten von insgesamt 8709 US-Veteranen mit Testosteronspiegeln unter 300 ng/dl, die zahlreiche Komorbiditäten aufwiesen und von denen 1223 Männer mit dem Geschlechtshormon behandelt worden waren.

Die Studienteilnahme setzte voraus, dass sich die Probanden im Zeitraum 2005 bis 2011 einer Angiografie unterzogen hatten und eine Substitutionstherapie erst danach begonnen worden war.

Schlechteres Outcome

Nach einer mittleren Nachbeobachtungszeit von drei Jahren nach Angiografie waren insgesamt 681 Männer gestorben, 420 hatten einen Herzinfarkt und 486 einen Schlaganfall erlitten.

Die Ereignisrate lag bei Männern, die Testosteron substituierten, mit 25,7 Prozent deutlich höher als bei Männern, die nicht substituiert hatten (19,9 Prozent).

Die absolute Risikodifferenz betrug nach drei Jahren 5,8 Prozent. Der Effekt der Testosteron-Gabe auf das Outcome veränderte sich auch bei Berücksichtigung koronarer Vorerkrankungen nicht signifikant (p = 0,41).

Die Testosteron-Gabe war, so das Fazit von Rebecca Vigen von der Universitätsklinik in Dallas und ihren Kollegen, mit einem erhöhten Mortalitäts- sowie Herzinfarkt- und Schlaganfallrisiko assoziiert (HR 1,29).

Trotz der Schwächen dieser Studie - wie etwa des retrospektiven Designs - dürften die Ergebnisse die Diskussion um die Sicherheit der Testosteron-Therapie weiter anheizen, glauben Vigen und Kollegen.

Sie fordern randomisierte kontrollierte Studien, um das potenzielle Risiko einer Testosteron-Substitution für ältere vorerkrankte Männer sicher einschätzen zu können.

Vorsicht bei älteren Männern

Ähnlich beurteilt das auch Anne R. Cappola von der Universität in Pennsylvania in ihrem Editorial (JAMA 2013; 310: 1805).

Sie räumt ebenfalls zahlreiche Schwächen ein: So bemängelt sie neben dem Design vor allem fehlende Informationen zu den Substitutionsgründen sowie die hohe Zahl der Männer, bei denen trotz bekannter Nachteile Testosteron injiziert worden war.

Nichtsdestotrotz misst sie den Ergebnissen große Bedeutung bei. Schließlich repräsentiere diese Studiengruppe mit ihren zahlreichen Begleiterkrankungen einen beträchtlichen Teil der substituierenden Männer, so Cappola.

Und für diese Gruppe gäbe es lediglich eine anekdotische Evidenz in Bezug auf die Sicherheit.

Cappola fordert intensivere Forschung und rät gerade angesichts der hohen Verschreibungszahlen sowohl Ärzte als auch Patienten zunächst zur Vorsicht.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Testosteron: Aus der Traum?

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