Im Alter

Nutzen und Risiko einer Testosteronsubstitution

Von einer Testosteronsubstitution profitieren beim älteren Mann offenbar Körper und Geist, doch hat sie eine Kehrseite und birgt sie ein Risiko für Prostata und Herz?

Von Prof. Dr. Wolfgang Weidner Veröffentlicht:

GIEßEN. Die für uns gültigen Leitlinien der Endocrine Society, der ESA, der ISSAM, der EAU, der EAA und der ASA haben mit der Festlegung klarer Grenzwerte eindeutig für den alternden Mann die Vor- und Nachteile einer Testosterongabe bei einem gesicherten Testosteronmangel (Testosteron-Deficiency-Syndrom) (TDS) definiert.

Bei einem gesicherten Testosteronmangel sind positive Effekte auf die Muskulatur, die sexuelle Funktion, das Bauchfett, die Knochendichte, das metabolische Syndrom, den Typ-II-Diabetes und die Psyche akzeptiert, wobei die Kriterien für die Überwachung eventueller Nebenwirkungen der Testosteronsubstitution insbesondere auf das Blutbild und die Prostata gut definiert erscheinen.

Kandidaten für eine Testosteronsubstitution sind alternde Männer mit einem Hypogonadismus mit den typischen Symptomen eines Libidoverlustes, einer erektilen Dysfunktion, Vitalitätsmangel und auch einer Verschiebung der Stimmung in Richtung einer Depression.

Über die Messung des Gesamt-Testosterons und des freien Testosterons hinaus wird auch auf den Nachweis eines geringen Hodenvolumens, die Bestimmung der CAG, ein erhöhtes LH und das gleichzeitige Vorhandensein eines Diabetes mellitus oder metabolischen Syndroms zu achten sein.

Metaanalyse zu Krebsrisiko

Bezüglich der Risiken der Therapie erschien es bisher eindeutig, dass bei einem gesicherten Hypogonadismus das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen erhöht ist. Auch psychische Probleme einschließlich Ängstlichkeit und depressiver Symptome sind deutlicher bei hypogonadalen im Vergleich zu eugonadalen Männern ausgeprägt.

Über Jahrzehnte wurde weiterhin auch diskutiert, dass eine Testosteronsubstitution ein Prostatakarzinom stimulieren bzw. ein subklinisches Prostatakarzinom manifest machen kann.

Erst in den letzten Jahren haben wir gelernt, dass keine statistische Assoziation zwischen Prostatakarzinomrisiko und Testosteronkonzentration, freiem Testosteron oder Dihydrotestosteron besteht. Eine große Metaanalyse hat gezeigt, dass es kein größeres Risiko für ein Prostatakarzinom unter Testosterontherapie versus Placebo gibt.

Es besteht auch keine Assoziation zwischen Serum-Testosteron und DHT-Spiegel bezüglich des Bösartigkeitsgrads eines Prostatakarzinoms. Auch bezogen auf eine LUTS auf dem Boden einer BPH ist akzeptiert, dass eine Testosteronsubstitution bei Hypogonadismus eine LUTS klinisch nicht signifikant verschlechtert.

Zusammenfassend hat damit der andrologische Urologe in den letzten Jahren verinnerlicht, dass eine Testosteronsubstitution bei Hypogonadismus sich positiv auf den Mann, seine Sexualität, Lebensqualität und insbesondere auch auf metabolische Parameter auswirkt.

Für uns nicht überraschend liegen mehrere Untersuchungen vor, dass bei älteren und hypogonadalen Männern ein höheres Risiko für eine erhöhte Mortalität, insbesondere kardiovaskuläre Mortalität besteht und sogar hohe Serum-Testosteronkonzentrationen das kardiovaskuläre Risiko bei älteren Männern reduzieren sollen.

Studien mit vielfältigen Mängeln

Es hat daher viele Experten, auch den Autor dieses Beitrages überrascht, dass nach der abflauenden Diskussion über das Prostatarisiko einer Testosteronsubstitutionstherapie plötzlich eine Diskussion losgebrochen ist, die beinhaltet, dass kardiovaskuläre Risiken unter Testosteronsubstitution verstärkt auftreten und auch zum früheren Tod führen.

Dabei wurden einmal vermehrt kardiovaskuläre "events" unter Testosterontherapie im Vergleich zu Placebo bei Mobilitäts-limitierten älteren Männern und in einer anderen Studie retrospektiv in einer Patientengruppe der Veteran Administration Hospitals beschrieben, dass eine Testosterontherapie ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko in erheblichem Ausmaß für die Testosterontherapiegruppe darstellte.

Diese letztere Studie wurde wegen ihres statistischen Designs, Unklarheiten in der Rekrutierung der Patientengruppen und der statistischen Analyse kritisiert.

Dies führte u.a. auch zu einer kontroversen Darstellung über das Risiko der Testosterontherapie bezogen auf kardiovaskuläre Nebenwirkungen im Journal of Urology dieses Jahres, wobei kein eindeutiger Konsens gefunden wurde.

Ein Autor (Seftel) empfiehlt weitere Studien zur Testosteronsubstitutionstherapie bei älteren Männern unter besonderer Berücksichtigung der Princeton-III-Leitlinien, der andere Autor (Morgentaler) beharrt nach ausführlicher Erwägung aller Daten auf der Meinung, dass kardiovaskuläre Risiken mit einem niedrigen Serum-Testosteronspiegel assoziiert sind und eine entsprechende Testosterontherapie für den Patienten von Vorteil ist.

Der Artikel ist in der DGU-Kongresszeitung 2014 von Springer Medizin erschienen.

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