Embryonen in der Petrischale

Unfruchtbarkeit auf den Grund gehen

Britische Forscher haben erstmals die Entwicklung menschlicher Embryonen in der Petrischale bis zum 14. Lebenstag verfolgt. Mit den Erkenntnissen wollen die Wissenschaftler auch bessere Strategien gegen Infertilität entwickeln.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Durch Forschung an Embryonen in der Petrischale erhoffen sich Forscher auch neue Erkenntnisse zu Unfruchtbarkeit.

Durch Forschung an Embryonen in der Petrischale erhoffen sich Forscher auch neue Erkenntnisse zu Unfruchtbarkeit.

© Dmytro Sukharevskyy / otolia.com

CAMBRIDGE. Die menschliche Embryonalentwicklung ist noch längst nicht komplett verstanden, zum Beispiel zum Zeitpunkt der Einnistung in die Gebärmutter. Bisher war es wegen technischer Probleme nicht möglich, die Embryonen im Frühstadium in der Kulturschale länger als neun Tage am Leben zu erhalten. Meist waren es maximal nur sieben Tage, also bis zu dem Zeitpunkt, an dem in vivo die Einnistung der befruchteten Eizelle in den Uterus erfolgt.

Wie eine solche Entwicklung im Frühstadium abläuft, hatten Professor Magdalena Zernicka-Goetz von der Universität von Cambridge und ihre Kollegen in Großbritannien und den USA bereits in Experimenten mit Embryonen von Affen und Mäusen beobachten können.

Gespendete menschliche Embryonen verwendet

 Unklar war, ob die Morphogenese nach der Implantation auch mit humanen Embryonen in der Petrischale nachgebildet werden kann. Die Kulturmethoden, die die Forscher für Mausembryonen entwickelt und bei diesen erfolgreich erprobt hatten, passten sie deshalb zur Anwendung in Experimenten mit befruchteten menschlichen Eizellen an (Nat Cell Biol 2016; online 4. Mai und Nature 2016; online 4. Mai).

Für ihre Versuche verwendeten die Wissenschaftler zu Forschungszwecken gespendete menschliche Embryonen, die nach einer In-vitro-Fertilisation und im Alter von fünf oder sechs Tagen als Blastozysten tiefgefroren worden waren. Nach dem Auftauen wurde die äußere Hülle der Embryonen entfernt.

Unter natürlichen Bedingungen entledigen sich die Embryonen beim "Schlüpfen" der Zona pellucida. Unter standardisierten Bedingungen ließen die Forscher die Embryonen sich anschließend in einem speziellen Nährmedium in besonderen Kulturschalen für Zellzüchtung entwickeln.

Anhand biochemischer Marker wie OCT4 und F-actin verfolgten Zernicka-Goetz und ihre Kollegen schließlich Schritt für Schritt die frühe Embryonalentwicklung bis zum 10. bis 13. Tag nach der Befruchtung, spätestens zum 14. Tag in Übereinstimmung mit internationalen bioethischen Leitlinien und dem britischen Gesetz. Am elften Tag besteht der Epiblast, aus dem sich letztlich der Fetus entwickelt, dann aus durchschnittlich 328 Zellen.

Embryonalentwicklung beim Menschen verläuft anders

Aus den Ergebnissen der Experimente wird deutlich, dass die Embryonalentwicklung beim Menschen anders verläuft als etwa bei Affen und Mäusen, sodass die Beobachtungen in den bisherigen Modellsystemen bei Tieren keine Schlussfolgerungen für die menschliche Entwicklung zulassen.

Wie die Forscher berichten, entdeckten sie unter anderem eine Fähigkeit zur Selbstorganisation der Embryonalzellen, die offenbar unabhängig von Faktoren sind, die normalerweise in der Gebärmutter den Fortgang der Embryonalentwicklung beeinflussen: Die Embryonen entwickelten sich in der Kulturschale, nachdem sie sich am Schalenboden angeheftet hatten - meist nach einer Woche - völlig normal, auch ohne mütterliche Faktoren, zumindest bis zum 12. Tag nach der Befruchtung.

Angesichts der erfolgreichen Invitro-Entwicklung menschlicher Embryonen bis zum 14. Tag plädieren USForscher dafür, die 14-Tage-Regel zu überdenken, zumal ein Grund für diese Regel ja wegfalle (Nature 2016; 533: 169).

Denn auch aus rein technischen Hindernissen in der In-vitro-Entwicklung war die Grenze gesetzt worden - länger als eine knappe Woche war nicht drin. Ein anderer Grund lässt sich aber nicht so einfach wegwischen: 14 Tage nach der Befruchtung wird der Primitivstreifen sichtbar, ein Zeichen für Individuation, es kann kein Zwilling mehr entstehen.

Aufgrund der Erkenntnisse, die nun innerhalb der ersten beiden Lebenswochen in vitro gewonnen werden können, erhoffen sich die Wissenschaftler Möglichkeiten für bessere Strategien gegen Infertilität. In Deutschland sind solche Versuche nicht möglich.

Das Embryonenschutzgesetz verbietet dies im § 2 "Missbräuchliche Verwendung menschlicher Embryonen".

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