Bei Wechseljahresbeschwerden ist kompetente Beratung gefragt

Bei etwa zwei Drittel der Frauen im Klimakterium sind die Wechseljahresbeschwerden so ausgeprägt, daß die Lebensqualität deutlich beeinträchtigt ist. Eine wirksame Option ist nach wie vor die Therapie mit Sexualhormonen. Hier ist eine eingehende Beratung der Patientinnen notwendig, auch um sie über Nutzen und Risiken der Hormontherapie zu informieren. Die Wahl des geeigneten Präparats hängt unter anderem vom Stadium des Klimakteriums und den individuellen Wünschen der Frauen ab.

Veröffentlicht:

Katrin Schaudig

Nachdem in den zurückliegenden Jahrzehnten von vielen Frauenärzten eine Hormonersatztherapie in der Peri- und Postmenopause bedenkenlos empfohlen wurde, hat sich aufgrund neuer Studien in den vergangenen Jahren ein Paradigmenwandel vollzogen. Mittlerweile wissen wir, daß die Gabe von Sexualsteroiden in dieser Lebensphase keineswegs risikofrei ist.

Die Anwendung von Hormonen muß heute bei jeder einzelnen Patientin sorgfältig überdacht und abgewogen werden. Die Empfehlungen lauten dahingehend, die Hormone nur bei deutlichen, die Lebensqualität nachhaltig einschränkenden Beschwerden in den Wechseljahren zu verabreichen - und dies möglichst kurzfristig.

In der täglichen Praxis ist es allerdings so, daß

  • etwa ein Drittel der Frauen unter sehr schwerwiegenden Wechseljahresbeschwerden leidet, die ein therapeutisches Eingreifen dringend erfordern,
  • sich ein weiteres Drittel der Frauen durch die Symptomatik im täglichen Leben stark eingeschränkt fühlt und ebenfalls, zumindest vorübergehend, therapiert werden muß,
  • nur 30 bis 40 Prozent der Frauen die Lebensphase des "Wechsels" mit gut erträglichen oder allenfalls geringen und gut aushaltbaren Symptomen durchlebt.

Häufig sehr hohe Östradiolwerte zu Beginn des Klimakteriums

Erste Symptome haben viele Patientinnen schon lange vor dem endgültigen Ausbleiben der Regelblutung. Definitionsgemäß ist die Menopause die letzte natürliche Blutung, der mindestens ein Jahr lang keine weitere Blutung folgt. Erste Zeichen für das beginnende Klimakterium sind häufig eine nachlassende Progesteronsekretion in der zweiten Zyklushälfte oder das Ausbleiben der Ovulation mit komplettem Ausfall der Progesteronbildung.

Zum klinischen Bild gehören Zeichen einer Östrogendominanz mit verstärkten oder verlängerten Blutungen, unregelmäßigen Zyklen sowie Ödemen und Brustspannen infolge sogenannter Follikelpersistenzen, das heißt nicht geplatzter Eibläschen.

Laboranalytische Untersuchungen ergeben außer niedrigen Progesteronspiegeln und noch unauffälligen Gonadotropinen (FSH und LH) häufig außerordentlich hohe Östradiolkonzentrationen. Für die Patientinnen ist dies eine scheinbar paradoxe Situation, sind sie doch der Meinung, typisch für das Klimakterium sei ein Östrogenmangel. Aufklärung über die Pathophysiologie ist hier ungemein wichtig, um die Compliance und das Verständnis für die eigene Situation zu fördern.

Zyklische Gestagensubstitution im beginnenden Klimakterium

Therapeutisch hilfreich ist im beginnenden Klimakterium in erster Linie eine zyklische Gestagensubstitution. Dabei sollte ein Gestagen in der zweiten Zyklushälfte (ab Tag 12 bis 14 des Zyklus) über die Dauer von zwölf bis 14 Tagen in voller Transformationsdosis angewendet werden.

Die Transformationsdosis ist die erforderliche Gestagenmenge, die nötig ist, um ein durch Östrogene aufgebautes Endometrium vollständig zu transformieren und eine komplette Abbruchblutung herbeizuführen. Die entsprechende Dosis, die hierfür benötigt wird, ist in den meisten als Tabletten angebotenen Präparaten enthalten. Wichtig ist die ausreichend lange Applikation über zwölf bis 14 Tage.

Die Gestagenzufuhr verhindert einen zu hohen Aufbau des Endometriums und wirkt damit Blutungsstörungen entgegen. Gleichzeitig wird über die Hypophyse die übermäßige Östradiolsekretion gedrosselt.

Welches Gestagenpräparat man wählt, hängt vom Beschwerdebild der Patientin ab: Bei starker Neigung zu Ödemen ist aufgrund seiner antimineralkortikoiden Wirkung natürliches Progesteron hilfreich. Bei Neigung zu Androgenisierungssymptomen sollte ein antiandrogen wirksames Gestagen bevorzugt werden, zum Beispiel Cyproteronacetat oder Chlormadinonacetat.

Für Patientinnen mit deutlichen Blutungsstörungen oder Libidoproblemen ist ein Präparat mit androgener Partialwirkung, zum Beispiel Norethisteronacetat, geeignet. Wichtig ist das Wissen um die extrem unterschiedlichen Partialwirkungen der diversen Gestagene, die zum Teil auch nur in Kombinationspräparaten und nicht als Einzelsubstanzen verfügbar sind.

Mit der Gestagentherapie werden im wesentlichen zwei Ziele verfolgt: Die Symptome einer Östrogendominanz sollen gemildert werden. Zudem soll einer Hyperplasie des Endometriums und somit auch der Entwicklung von Endometriumkarzinomen vorgebeugt werden.

Herzrasen oder psychische Labilität durch Östrogenmangel

Mit fortschreitender ovarieller Erschöpfung treten bei den Patientinnen Östrogenmangelsymptome auf, die häufig initial vorübergehend, später dauerhaft bestehen: Hierzu gehören vor allem Hitzewallungen, aber auch psychische Labilität, Schlafstörungen, Antriebsschwäche, verminderte Leistungsfähigkeit, Gelenkschmerzen, Herzrasen und anderes. Hier kann man dann - niedrig dosiert - intermittierend oder durchgehend zusätzlich zum Gestagen mit natürlichen Östrogenen behandeln.

Die therapeutische Bandbreite ist hierbei groß. Es gibt natürliches 17-ß-Östradiol, das bioidentisch mit dem vom Ovar sezernierten Östradiol ist, in Tablettenform (17-ß-Östradiolvalerat oder mikronisiertes 17-ß-Östradiol). Zudem hat sich die transdermale Applikation von 17-ß-Östradiol als Pflaster oder Gel etabliert.

Die transdermale Therapie hat den Vorteil, daß der First-pass-Effekt in der Leber entfällt und sich damit manche unerwünschte Wirkung auf den Leberstoffwechsel, etwa die vermehrte Bildung von gerinnungsaktiven Substanzen in der Leber, verhindern läßt. Besonders Patientinnen mit erhöhtem Risiko für eine Thrombose oder kardiovaskulären Erkrankungen sollten bevorzugt das Östradiol transdermal erhalten.

Die früher fast ausschließlich verwendeten und in den meisten großen und älteren klinischen Studien eingesetzten konjugierten equinen Östrogene, die aus dem Harn trächtiger Stuten gewonnen werden, enthalten außer 17-ß-Östradiol noch einige andere östrogenartige, teils equine Substanzen. Diese Präparate haben in Deutschland bei der Substitution nur noch geringe Bedeutung.

Außer den Monopräparaten gibt es eine Reihe Kombinationspräparate als Tabletten und Pflaster, die 17-ß-Östradiol in niedriger und höherer Dosierung bereits mit Gestagenzusatz enthalten.

Patientinnen mit noch vorhandenem Uterus müssen zwingend ein Gestagen erhalten, wenn sie mit einem Östrogen behandelt werden. Bei hysterektomierten Patientinnen hingegen verzichtet man heute in der Regel auf die zusätzliche Gestagengabe, da diese offenbar mit einem höheren Risiko für ein Mammakarzinom und kardiovaskuläre Erkrankungen verbunden ist.

Für Frauen mit Zwischenblutungen ist Sequenztherapie geeignet

Ob bei der Kombinationstherapie ein Sequenzpräparat (nur Östrogen in der ersten Monatshälfte, Östrogen plus Gestagen in der zweiten Monatshälfte) oder eine durchgehende Östrogen-Gestagen-Kombination eingesetzt wird, hängt im wesentlichen davon ab, ob die Patientinnen noch Blutungen haben möchten oder nicht. Bei Patientinnen, die zu Zwischenblutungen neigen, empfiehlt sich eher die Sequenztherapie.

Die freie Kombination der beiden Wirkstoffe als Einzelpräparate läßt erfahrungsgemäß Spielraum für eine individuelle Dosierung und ist immer dann empfehlenswert, wenn eine befriedigende Linderung der Beschwerden mit Kombinationspräparaten nicht herbeigeführt werden kann. Andererseits ist die freie Kombination für die Patientinnen meist komplizierter und setzt ein hohes Maß an Compliance und Verständnis voraus.

Regelmäßige Auslaßversuche haben sich bewährt

Sobald die Ovarien die Sekretion von Östrogenen und Gestagenen endgültig eingestellt haben, gestaltet sich die Substitution in der Regel einfacher und es gelingt meist, längerfristig ein für die einzelne Patientin optimales Substitutionsschema zu finden. Regelmäßige Auslaßversuche alle sechs bis zwölf Monate - am besten mit zuvor ausschleichender Dosierung - sind angezeigt, um die aktuelle Symptomatik ohne Hormoneinnahme zu überprüfen.

Leider kann nie vorhergesagt werden, ob nach Weglassen der Hormone erneut Beschwerden auftreten. Häufig sind diese beim Auslaßversuch etwas geringer als in der Akutphase der Wechseljahre. Man kann dann, falls es die Patientin wünscht, wieder mit einer niedrigeren Hormondosis beginnen und durch erneute Auslaßversuche langfristig die Dosis immer weiter senken, um schließlich auf Sexualsteroide gänzlich zu verzichten.

Es gibt aber immer wieder Patientinnen, die auch noch viele Jahre nach der Menopause zum Beispiel unter Hitzewallungen leiden. Wichtig ist in diesem Zusammenhang der ätiologische Ausschluß anderer Erkrankungen wie Schilddrüsenfunktionsstörung, Hypertonus oder Diabetes mellitus.

Die vorübergehende Therapie mit Östrogenen und Gestagenen in der Akutphase der Wechseljahre wird auch von Kritikern der Hormongabe im allgemeinen als vertretbar eingestuft. Im Einzelfall ist aber keineswegs absehbar, wie lange die Symptome anhalten. Dies kann durchaus ein kurzer Zeitraum von sechs Monaten sein, kann sich aber auch über zehn Jahre oder mehr hinziehen. In solchen Fällen müssen Nutzen und Risiken der Therapie sorgfältig zusammen mit der Patientin abgewogen werden.

Eingehende Aufklärung über Nutzen und Risiken ist unverzichtbar

Bei der Entscheidung für oder gegen eine Hormoneinnahme muß mit den Patientinnen auch immer über die Risiken der Therapie gesprochen werden.

In Studien wurde eine leichte bis mäßige Risikoerhöhung bei langfristiger kombinierter Einnahme von Östrogen und Gestagen festgestellt, und zwar für die Entwicklung eines Mammakarzinoms, für Herzinfarkt und Schlaganfall (1,3- bis zweifache Erhöhung). Zudem besteht eine deutliche Risikoerhöhung für thromboembolische Ereignisse (um das Zwei- bis Dreifache).

Alle diese Ereignisse werden jedoch auch mindestens ebenso stark oder sogar noch stärker durch unseren Lebensstil beeinflußt, etwa durch Übergewicht, Alkoholkonsum oder Ernährungsgewohnheiten.

Bei der Östrogenmonotherapie, die lediglich für hysterektomierte Frauen in Betracht kommt, besteht nur ein erhöhtes Thrombose- (1,5- bis dreifach erhöht) und Apoplexrisiko (1,4fach erhöht).

Belegt ist, daß durch beide Therapieformen das Risiko für eine Osteoporose gesenkt werden kann.

Letztlich müssen die Patientinnen selbst entscheiden, welche Risiken sie bereit sind zu tragen - im Einzelfall möglicherweise um einer deutlich besseren Lebensqualität willen. Entscheidend ist eine ausführliche Aufklärung der Frauen vor Einleitung einer Therapie. Hierbei muß die individuelle Disposition für die eben genannten Erkrankungen besonders berücksichtigt werden. (Schaudig)

Alternative zu Hormonen: Cimicifuga und Serotonin-Wiederaufnahmehemmer

Von den pflanzlichen Präparaten, den sogenannten Phytoöstrogenen, die für das Klimakterium angeboten werden, hält Cimicifuga racemosa (Traubensilberkerze) einer kritischen wissenschaftlichen Betrachtung stand - im Gegensatz zu vielen anderen pflanzlichen Präparaten oder Nahrungsergänzungsmitteln.

Die Wirksamkeit Cimicifuga-haltiger Präparate ist in mehreren Studien zumindest bei Frauen mit leichten und mäßigen klimakterischen Beschwerden belegt, sofern hoch genug dosiert wird, das heißt die jeweils empfohlene Höchstdosis eingenommen wird. Allerdings gibt es keine Langzeitstudien mit diesen Präparaten, so daß auch nichts über mögliche Langzeitfolgen, Risiken und unerwünschte Wirkungen bekannt ist, die diese pflanzlichen Medikamente selbstverständlich genauso haben können wie Sexualsteroide. Dies gilt auch für ihre Anwendung bei Patientinnen, bei denen die Therapie mit Östrogenen und Gestagenen generell vermieden werden sollte, zum Beispiel bei Brustkrebs-Patientinnen.

Eine Alternative können hier die selektiven Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) sein. Mit diesen ist in vielen Studien eine Reduktion der Hitzewallungen um 50 bis 75 Prozent nachgewiesen worden, bei relativ geringen unerwünschten Wirkungen. Ausreichend ist meist eine niedrige Dosierung (zum Beispiel 10 bis 20 mg Fluoxetin oder Paroxetin pro Tag).

Es muß allerdings klar sein, daß mit keinem dieser Präparate auch nur annähernd ähnlich gute Effekte auf die klassischen Wechseljahresbeschwerden erzielt werden können wie mit natürlichem Östradiol. (Schaudig)

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