TSH-Screening für Schwangere

Kein Ende der Diskussion in Sicht

Beim gezielten TSH-Screening von Schwangeren etwa mit positiver Familienanamnese oder Struma ist die Rate entdeckter klinischer oder subklinischer Hypothyreosen gleich groß wie bei generellem TSH-Screening. Ein Großteil der Frauen mit erhöhten TSH-Werten würde nicht entdeckt, ergab eine Hochrechnung.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Ist die Diagnose einer Schilddrüsenfunktionsstörung ein Kriterium für ein TSH-Screening?

Ist die Diagnose einer Schilddrüsenfunktionsstörung ein Kriterium für ein TSH-Screening?

© bojan fatur / istock

UPPSALA. Es wird geschätzt, dass die Inzidenz der Hypothyreose während der Schwangerschaft zwischen 0,3 Prozent und 0,5 Prozent liegt, die der subklinischen Hypothyreose sogar zwischen 3 Prozent und 5 Prozent.

Uneinigkeit herrscht international bisher bei der Frage, ob nur bei Schwangeren mit Risikofaktoren oder bei allen Schwangeren die Schilddrüsenfunktion überprüft werden sollte.

In einer retrospektiven bevölkerungsgestützten Studie haben nun schwedische Gynäkologen um Dr. Michaela Granfors von der Universität Uppsala die Ergebnisse von TSH-Messungen in beiden Gruppen geprüft (Obstet Gynecol 2014; 124: 10-5).

Daten von 891 schwangeren Frauen

In Schweden wird jeder Schwangeren in der 17. bis 19. Schwangerschaftswoche (SSW) eine sonografische Untersuchung angeboten und gleichzeitig eine Blutprobe entnommen. Fast 97 Prozent der Schwangeren nehmen dieses Angebot wahr.

Für die Studie wurden die Daten aus einer Kohorte von 5524 Schwangeren verwendet, deren Entbindung zwischen Anfang 2009 und Ende 2011 stattfand.

Die Ärzte konnten auf die Daten von 891 Schwangeren mit gezielter Schilddrüsenuntersuchung zurückgreifen, und von zufällig ausgewählten 1006 Schwangeren, deren TSH-Werte im Nachhinein und nicht während der Schwangerschaft bestimmt worden waren.

Kriterien für ein gezieltes Screening waren eine Schilddrüsenfunktionsstörung mit und ohne L-Thyroxintherapie, eine positive Familienanamnese, eine Struma, ein insulinpflichtiger Diabetes mellitus oder andere Autoimmunkrankheiten wie Morbus Addison oder Zöliakie.

Der TSH-Schwellenwert für eine Intervention lag - in Anlehnung an die Internationalen Leitlinien der Endocrine Society - im ersten Trimenon bei 2,5 mIU/l und im 2. und 3. Trimenon bei 3 mIU/l (J Clin Endocrinol & Metab 2012; 97: 2543-2565).

Eine klinische Hypothyreose lag bei einem TSH-Wert über 10 mIU/l unabhängig von der Konzentration an freiem T4 sowie bei erhöhten TSH-Werten in Verbindung mit einem T4-Wert unter 9,7 pmol/l (etwa 7,5 µg/l) vor. Allerdings wurde nicht bei allen Teilnehmerinnen die Konzentration des freien T4 bestimmt.

Hypothyreose bei 1,1 Prozent

Der Anteil der Schwangeren mit trimenonspezifischer TSH-Erhöhung lag in der Gruppe mit gezieltem Screening bei 12,6 Prozent, in der Vergleichsgruppe bei 12,1 Prozent. Der Anteil von Frauen mit klinischer Hypothyreose betrug bei gezieltem Screening 1,1 Prozent, sonst 0,7 Prozent - ein nicht signifikanter Unterschied.

Die Ärzte schätzen nach Extrapolation auf die Ausgangzahl der Studiengruppe von 5524 Schwangeren, dass etwa 82 Prozent der Frauen mit erhöhten TSH-Werten durch ein gezieltes Screening nicht entdeckt worden wären. Sollte sich herausstellen, dass eine Therapie Schwangerer mit erhöhten TSH-Werten den Kindern zugutekommt, sei ein generelles Screening sinnvoll, so die Ärzte.

Solange es diese Daten nicht gebe, könne man sich schwerlich gegen die Empfehlungen der US-Gynäkologen und Geburtshelfer stellen, die für ein Screening nur bei Risikofaktoren plädieren, so Dr. Brian M. Casey von der Uni von Texas in Dallas in seinem Kommentar zur Studie (Obstet Gynecol 2014; 124(1): 8-9).

Granfors und ihre Kollegen merken schließlich an, dass der Verlauf der Schwangerschaften und Geburten in der Gruppe der Frauen mit normalen und mit erhöhten TSH-Werten bei generellem Screening gleich gewesen sei. Für eine abschließende Bewertung sei die statistische Aussagekraft der Studie in diesem Punkt jedoch nicht groß genug.

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