Testosteronmangel als Diabetes-Vorbote

Testosteronmangel erhöht offenbar das Risiko für ein metabolisches Syndrom. Umgekehrt scheint das Syndrom den Hypogonadismus zu fördern. Bei Männern mit abdomineller Adipositas oder Typ-2-Diabetes sollte deshalb ein Testosteronmangel abgeklärt werden.

Von Helga Brettschneider Veröffentlicht:

Niedrige Testosteronwerte gehen oft einem metabolischen Syndrom und Typ-2-Diabetes voraus. Das hat Privatdozent Michael Zitzmann von der Universität Münster berichtet. Ein Androgendefizit betrifft also nicht nur die Libido. In Finnland etwa entwickelten Männer, die in einer Studie elf Jahre beobachtet wurden und niedrig-normale Testosteron-Werte hatten, auffallend oft ein metabolisches Syndrom. In anderen Studien seien Diabetes und Insulinresistenz um so häufiger notiert worden, je niedriger der Hormonspiegel war, so Zitzmann auf einer Veranstaltung des Unternehmens ProStrakan in Frankfurt am Main.

Der Mangel an Testosteron ist zudem mit erhöhter Mortalität verknüpft. Das belegen Daten einer Studie mit etwa 800 Männern, die 18 Jahre hinweg beobachtet wurden. 583 starben in dieser Zeit. Die Sterberate bei den Männern, die zu Beginn einen verringerten Testosteron-Spiegel (unter 9 nmol/l) hatten, war um ein Drittel höher als bei Männern mit normalen Testosteron-Werten.

Bei geringem Bauchumfang sind Testosteronspiegel hoch

Auffallend war auch, dass viele der Männer mit niedrigen Testosteron-Werten zugleich einen erhöhten Bauchumfang (ein Maß für das besonders atherogene Bauchfett) und ein Metabolisches Syndrom hatten - und zwar dreimal häufiger als Männer mit normalen Werten.

Zitzmann empfiehlt, auch dann an einen Androgenmangel zu denken, wenn ein Bauchumfang von mindestens 94 cm mit einem schmalen Körper bei normalem Body-Mass-Index (BMI) unter 25 kg/m² einhergeht: "Dieser Typ Mann hat am wenigsten Testosteron. Männer mit einem hohen BMI und einem geringen Bauchumfang dagegen haben mehr Muskulatur und die höchsten Werte."

Wenn das Gesamttestosteron im Serum verringert ist und Symptome auftreten, kann substituiert werden. Das betrifft bis zu 23 Prozent der Männer zwischen 48 und 79 Jahren. Einigkeit über den Grenzwert herrscht aber nicht: Er variiere in Europa zwischen 8 und 12 nmol/l und liege in Frankreich sogar bei 7,5 nmol/l, so Dr. Thomas Kreutzig aus Freiburg. Wobei eine Standortabhängigkeit zweifelhaft ist. Immerhin plädieren mehrere Leitlinien für die Hormongabe, wenn der Wert zweimal unter 8 nmol/l liegt.

Bleibt die Frage nach der Aussagekraft der Messwerte. Denn die individuellen Unterschiede seien groß, so Kreutzig. Und sinkende Spiegel bei alten Männern führen nicht immer zu einem Testosteron-Mangel: Mancher 70-Jährige hat höhere Werte als viele Junge. Ein Rückschluss auf das Niveau in jungen Jahren ist jedoch nicht möglich: Ein niedrig-normaler Wert etwa kann früher hoch gewesen und stark gefallen sein. Kann ein starker Abfall starke Symptome auslösen? Oder war der Spiegel nie besonders hoch?

Für die Therapieentscheidung solle deshalb auf die Symptome geachtet werden, so Kreutzig. Sie sind unter 8 nmol/l praktisch immer zu erwarten. Bei Beschwerden ist ein Therapieversuch auch ab 12 nmol/l gerechtfertigt. Immer öfter wird zudem empfohlen, schon ab 15 nmol/l zu handeln, wenn Symptome vorliegen.

Testosteronsubstitution hilft, HbA1c-Wert zu senken

Eine Substitution kann jedoch nicht nur die Libido steigern. In einer Studie mit 108 Männern ab 65 Jahren mit Hypogonadismus ging mit Testosteron die Gesamtfettmasse zurück, die Muskelmasse stieg. Das scheine dosisabhängig zu sein und könne den Einfluss auf die Insulinempfindlichkeit erklären, so Zitzmann. Noch weiter reichen Ergebnisse einer Cross-over-Studie mit 24 Typ-2-Diabetikern mit Testosteronmangel. Sie erhielten drei Monate lang Testosteron oder Placebo. Im Vergleich zu Placebo sanken unter Testosteron Insulinresistenz, HbA1c, Nüchternblutzucker und Bauchumfang. Alle Unterschiede waren signifikant.

STICHWORT

Hypogonadismus

Typische Hypogonadismus-Symptome sind Zunahme der Körperfettmasse, Muskelabbau, Osteoporose, Anämie und erektile Dysfunktion, aber auch Leistungsschwäche, Libidoverlust, Depressionen und Erschöpfung. Zudem nehmen oft Insulinresistenz und LDL-Werte zu, die kognitiven Fähigkeiten und Antriebskraft lassen dagegen nach. Treten solche Symptome auf, und liegt der Gesamttestosteron-Wert unter 8 nmol/l, oder der Wert für freies Testosteron unter 180 pmol/l, dann wird nach einem internationalen Konsensus-Papier eine Testosteron-Substitution empfohlen. Bei Gesamttestosteron-Werten zwischen 8 und 12 nmol/l sind Therapieversuche zu erwägen. Bei Verdacht auf Hypogonadismus sollten Testosteron-Messungen zwischen

7 und 11 Uhr morgens erfolgen, weil der Wert einem zirkadianen Rhythmus unterliegt.

(hbr)

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