Seit 2001 steigt die Zahl der HIV-Neuinfektionen

BERLIN (HL). Die nationale Strategie der Bundesregierung gegen HIV und AIDS setzt darauf, daß durch Aufklärung im Prinzip vorhandenes Wissen über Infektionsrisiken auch in tatsächliches Verhalten mündet. International stellt vor allem die besorgniserregende steigende Zahl von Neuinfektionen in Osteuropa für Mitteleuropa eine neue Herausforderung dar.

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Dies sind Kernpunkte der HIV/AIDS-Bekämpfungsstrategie, die das Bundeskabinett verabschiedet hat. Sie wurde von den Ministerien für Gesundheit und für wirtschaftliche Zusammenarbeit entworfen.

Für Deutschland wird die Präventionsstrategie, die vor allem auf Aufklärung beruht, als alles in allem erfolgreich bewertet. Die Kenntnis der Bevölkerung über die Übertragungswege von HIV sind danach zu hundert Prozent bekannt.

Therapie-Erfolge machen auch sorglos

Aber: der wachsende therapeutische Erfolg vor allem der medikamentösen Behandlung und die damit einhergehende Steigerung der Lebenserwartung von Menschen mit AIDS hat, wie Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt beklagt, dazu geführt, daß vor allem homosexuelle Männer wieder sorgloser riskanten Sex praktizieren.

In der Folge ist die Zahl der diagnostizierten Neuinfektionen seit 2001 um 30 Prozent auf 1928 im vergangenen Jahr gestiegen. 55 Prozent davon sind schwule Männer. Eine zweite Risikogruppe stellen Migranten aus Hochprävalenzgebieten (Afrika, Asien und Osteuropa) dar, die ein Fünftel der Neuinfizierten stellen. Zu zwei Dritteln sind davon Frauen betroffen.

Aufklärung und Prävention treffen hier auf hohe Hürden: Sprachbarrieren und, die beispielsweise auch davon gekennzeichnet sind, daß staatlichen Hilfsangeboten wegen befürchteter Stigmatisierung und Repression grundsätzliches mißtraut wird.

Ausdrücklich kritisiert der Bericht, daß "durch finanzielle Kürzung bei Gesundheitsämtern beratende und aufsuchende Arbeit mit besonders gefährdeten Frauen im Prostitutionsbereich schwieriger geworden" sei.

Eine völlig andere Dimension hat AIDS in Afrika, teilweise in Südostasien. Dennoch stellt Entwicklungshilfeministerin Heidemarie Wiczorek-Zeul fest: "Wir sind nicht machtlos." Wenn es gelinge, bei den Regierungen und in den jeweiligen Gesellschaften das Thema HIV zu enttabuisieren, dann könne die Zahl der Neuinfektionen zurückgedrängt werden.

Beispiele dafür seien Uganda, Thailand und Brasilien. Im größten lateinamerikanischen Land sei es gelungen, mit Aufklärung, systematischer Prävention durch Kondomgebrauch und gesichertem Zugang zur AIDS-Behandlung die Infektionsrate auf 0,7 Prozent zu beschränken. Zum Vergleich: Im afrikanischen Botswana sind 38 Prozent der Bevölkerung HIV-infiziert.

Dramatisch ist die Lage in Osteuropa: Seit 1995 ist die Zahl der Menschen mit HIV von 160 000 auf 1,4 Millionen gestiegen. Die Infektionsraten liegen bei 1,4 Prozent in der Ukraine, 1,1 Prozent in Rußland und Estland. Mehr als 80 Prozent sind jünger als 30. Der größte Teil davon ist drogenabhängig, und der Gebrauch kontaminierter Nadeln ist Ursache der Infektion.

HIV und Tuberkulose nehmen in Mitteleuropa zu

Die Tabuisierung von HIV und ein repressives Strafrecht sind Haupthindernisse für wirksame Prävention. Verbunden ist HIV in diesen Ländern mit einer extrem hohen Tuberkulose-Prävalenz. Aufgrund räumlicher Nähe zu Mitteleuropa und steigender Mobilität stellt HIV in Osteuropa eine wachsende Bedrohung dar.

Inzwischen bestehen Gesundheitsabkommen mit Polen, Ungarn, Bulgarien und Rußland, deren Bestandteil der Know how-Transfer im Kampf gegen AIDS und Tuberkulose ist. Im Unterschied zu Afrika wird in diesen Ländern nicht Geldknappheit als das Haupthindernis für eine effektive Anti-HIV-Politik gesehen.

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