Knochenmark-Spende

Keine Option zur Heilung HIV-Infizierter

Bei HIV-Infizierten taucht das Virus trotz Knochenmarktransplantation und erfolgreicher Therapie wieder auf, wenn die Arzneimittel abgesetzt werden. Das zeigt die Krankengeschichte von zwei betroffenen Patienten, berichten Aids-Forscher.

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Modell von HIV: Die Viren können nach der Infektion ihr Genom in das Erbgut - zum Beispiel von Immunzellen - einbauen. Dadurch sind sie für die bisherigen antiretroviralen Medikamente nicht erreichbar.

Modell von HIV: Die Viren können nach der Infektion ihr Genom in das Erbgut - zum Beispiel von Immunzellen - einbauen. Dadurch sind sie für die bisherigen antiretroviralen Medikamente nicht erreichbar.

© psdesign / fotolia.com

MELBOURNE. Die Hoffnung vieler Aids-Forscher ruht darauf, HIV-Infizierte eines Tages heilen zu können. Hierzu müssen auch latent mit dem Aids-Erreger infizierte Zellen im Körper der Patienten eliminiert werden.

Denn HIV baut sein Genom in das Erbgut etwa von Immunzellen ein und ist dadurch für die bisherigen antiretroviralen Medikamente nicht erreichbar. Das Thema wird jetzt auch beim Welt-Aids-Kongress in Melbourne diskutiert.

Welches Potenzial in einer speziellen Knochenmarktransplantation steckt, verdeutlicht der Erfolg bei Timothy Brown, der als "Berlin-Patient" bekannt geworden ist und bei dem seit mehr als fünf Jahren nach Knochenmarktransplantation kein Virus nachweisbar ist, obwohl er keine antiretroviralen Medikamente mehr einnimmt.

Allerdings: Brown, bei dem wegen einer akuten myeloischen Leukämie für eine Knochenmarktransplantation entschieden worden war, erhielt Zellen von einem passenden Spender, die nicht von HIV befallen werden können. Ihnen fehlt ein bestimmter Rezeptor, mit dessen Hilfe das Virus Zellen entert.

Spenderzellen waren infizierbar

Onkologen und Virologen um Dr. Timothy J. Henrich vom Brigham and Women's Hospital in Boston haben nun detaillierte Daten von zwei HIV-Patienten vorgestellt, die ebenfalls eine allogene Knochenmarktransplantation erhalten hatten, und zwar wegen Lymphomen (Ann Int Med 2014; online 22. Juli).

Der eine Patient wurde während der Geburt angesteckt, der andere Patient hatte sich auf sexuellem Wege infiziert. Allerdings erhielten die beiden Patienten passende Spenderzellen, die nicht mutiert und damit mit dem Aids-Erreger infizierbar waren.

Wie die Forscher berichten, war das Virus nach der Transplantation unter dem Schutz der antiretroviralen Therapie zunächst weder im Plasma noch in CD4-positiven Lymphozyten nachweisbar.

Solange die Patienten antiretroviral behandelt wurden, nämlich mindestens zwei Jahre lang, ließ sich das Virus weder im peripheren Blut noch in der Schleimhaut des Rektums nachweisen. Das war auch nach Absetzen der Kombinationstherapie für mehrere Wochen der Fall, und zwar deutlich länger als bei Patienten ohne Knochenmarktransplantation (normalerweise nur ein bis zwei Monate).

Bei dem einen Patienten war das Virus nach zwölf Wochen wieder nachweisbar, bei dem anderen erst nach 32 Wochen. Stets entwickelte sich zudem ein akutes retrovirales Syndrom, dessen Leitsymptome eine Lymphknotenschwellung, Fieber, ein makulopapulöses Exanthem sowie Myalgien sind.

Henrich und seine Kollegen halten es für möglich, dass Spender-gegen-Wirt-Reaktionen das Reservoir für HI-Viren verkleinert haben und sich deshalb das Wiederaufflammen der Virämie später als sonst ereignete.

Dass es überhaupt erneut zur Virämie gekommen ist, könne daran liegen, dass eben nicht alle potenziellen Verstecke für HIV, zum Beispiel bereits kurz nach der Infektion befallene langlebige Makrophagen der Patienten, während der myeloablativen Behandlung vor der Transplantation eliminiert worden seien.

Sensitivität der Tests reicht nicht aus

Professor Sharon R. Lewin vom Burnet-Institut in Melbourne, die gemeinsam mit der Nobelpreisträgerin und HIV-Mitentdeckerin Professor Françoise Barré-Sinoussi vom Institut Pasteur in Paris gegenwärtig die Welt-Aids-Konferenz in Melbourne leitet, betrachtet die Ergebnisse mit einem lachenden und einem weinenden Auge.

Die gute Nachricht ist, wie sie in ihrem Kommentar zu den Kasuistiken schreibt, dass es offenbar tatsächlich möglich ist, die Zahl der latent infizierten T-Lymphozyten drastisch zu senken und dadurch das Wiederaufflammen der Virämie nach einem Therapiestopp deutlich zu verlängern.

Die schlechte Nachricht sei, dass die derzeit verfügbaren Tests nicht sensitiv genug seien, um HIV-Reservoire aufzuspüren. So lasse sich auch nicht vorhersagen, wann nach einem Therapiestopp mit einem Wiederaufflammen der Virämie zu rechnen sei und wie heftig sie ausfalle.

Die beiden Kasuistiken machten darüber hinaus deutlich, dass es wohl niemals möglich sein werde, auch das letzte HI-Virus im Körper unschädlich zu machen oder die letzte HIV-infizierte Zelle zu zerstören und dadurch eine lebenslange Remission zu erzielen.

Um eine Langzeitremission zu erreichen, müsse nicht nur die Virusmenge so klein wie möglich gehalten werden, sondern auch die Immunabwehr besser als bisher gestärkt werden.

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Der "Berlin-Patient" ist einzigartig

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