Forschung

Details der HIV-Infektion geklärt

Forscher haben geklärt, wie Körperzellen Retroviren entdecken und HIV sich zu tarnen versucht.

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BONN. Die angeborene Immunität beruht bekanntlich auf Rezeptoren, die etwa Zellwand-Bestandteile von Bakterien oder virales Erbgut erkennen.

Als Erbgut-Sensor fungiert dabei ein zelluläres Molekül namens cGAS, berichtet die Uni Bonn. Erkennt cGAS virale DNA, beginnt eine Kaskade, bei der das Immunsystem aktiviert wird und sich die Zelle und ihre Nachbarn gegen die Virusinfektion wappnen.

cGAS erkennt nicht nur doppelsträngige DNA, sondern auch die zu einzelsträngiger DNA umgeschriebene einzelsträngige RNA, wie sie bei der Vermehrung von Retroviren wie HIV-1 in menschlichen Zellen vorliegt, heißt es in der Mitteilung.

Dies sei darauf zurückzuführen, dass Einzelstrang-DNA sogenannte "Haarnadel"-Strukturen ausbilden kann - so ähnlich, wie sich ein einzelnes Kabel mit sich selbst verdrillen kann, so dass es zwei miteinander verdrehten Kabeln ähnelt. Solche DNA-Strukturen bilden dann also kurze Doppelstränge, die vom cGAS-Sensor detektiert werden.

CGAS erkennt Guanosine

"Die Haarnadel-Strukturen, die sich bei HIV-1 ausbilden können, sind aber eigentlich zu kurz, um von cGAS erkannt zu werden", wird Dr. Martin Schlee vom Uniklinikum Bonn zitiert, einer der Autoren der Studie.

Sein Team hat geklärt, warum es dennoch funktioniert: cGAS erkennt zusätzlich zu dem kurzen doppelsträngigen Stück Guanosine im nicht verdrillten einzelsträngigen Stück. Dadurch wird die zelluläre Antwort deutlich verstärkt (Nature Immunology 2015; online 7. September).

"Wenn wir die Guanosine aus diesen Strukturen entfernen, kann die Zelle nicht mehr auf die einzelsträngige DNA reagieren", erläutert Erstautorin Anna-Maria Herzner. "Wenn wir zusätzliche Guanosine einfügen, reagiert sie dagegen stärker."

Interessanterweise ist die DNA, die während der HIV-1-Infektion entsteht, besonders arm an Guanosinen. "HIV-1-Viren scheinen durch das Immunsystem darauf selektioniert worden zu sein, Guanosine aus ihrer DNA zu eliminieren", sagt Professor Gunther Hartmann, Leiter des Instituts für Klinische Chemie und Klinische Pharmakologie. "Möglicherweise gelingt es ihnen so, einer Entdeckung durch die Zelle teilweise zu entgehen", so Hartmann in der Mitteilung.

Dass diese DNA-Erkennung tatsächlich von großer klinischer Bedeutung ist, zeige eine neue Arbeit des Massachusetts Institute of Technology (MIT) in Boston.

Es gibt Menschen, die mit HIV-1 infiziert sind, das Virus aber so gut unterdrücken, dass es nicht mehr nachweisbar ist.

Bestimmte Immunzellen dieser so genannten "Elite Controller" reichern so viel HI-Virus-DNA an, dass diese - möglicherweise über die noch verbleibenden Guanosine - dennoch erkannt werden kann, wie die Uni Bonn berichtet.

Sie lösen so eine starke Immunantwort aus, die das Virus dauerhaft unterdrückt. Somit scheine das HIV-1-Erbgut auch in diesen Immunzellen über den von Schlee und Kollegen entdeckten Mechanismus erkannt zu werden. (eb)

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