HINTERGRUND

Das West-Nil-Virus hat sich in Amerika festgesetzt - Reisende müssen sich vor Überträgermücken schützen

Von Ursula Armstrong Veröffentlicht:

Seit sich West-Nil-Viren (WNV) in den USA und Nordamerika ausgebreitet haben, ist die Infektion für die Reisemedizin bedeutsam geworden. Vorher hatte es WNV nur in Afrika und im Nahen Osten gegeben und später auch in Südeuropa, sagte Professor Tino F. Schwarz aus Würzburg auf einem Ärzte-Forum in Berlin.

In den USA wurden die Viren bei einem Vogelsterben entdeckt

Im August 1999 wurden WNV in der Region New York erstmals in den USA bei Vögeln und Pferden isoliert. Es begann mit einem Vogelsterben im Zoo in der Bronx. "Zunächst dachte man an einen terroristischen Anschlag", so Schwarz. Der in New York isolierte WNV-Stamm war molekulargenetisch identisch mit einem Stamm aus Israel. "Es wurde daher vermutet, dass ein infizierter Vogel aus Israel in die Bronx gebracht worden war."

Inzwischen hat sich das WNV über die USA bis in den Süden Kanadas und nach Mittelamerika ausgebreitet, so der Würzburger Virologe. Im vergangenen Jahr wurde es außerdem in der Karibik (etwa in Kuba und der Dominikanische Republik) gefunden. Und auch in Argentinien wurde im März 2006 von ersten WNV-Patienten berichtet, so Schwarz bei einer Veranstaltung des Centrums für Reisemedizin und des Auswärtigen Amts.

2006 wurden in den USA 4180 WNV-Patienten registriert, 149 sind gestorben. 68 Prozent der Infizierten hatten vor allem Fieber und Grippe-ähnliche Symptome, 30 Prozent eine Meningitis oder eine Enzephalitis und zwei Prozent unspezifische Symptome. Schwarz geht davon aus, dass es pro Jahr in den USA bis zu 800 000 WNV-Infektionen gibt.

Denn nur bei einem Prozent der Infizierten treten überhaupt klinische Symptome auf. Alle Infizierten sind aber Vektoren für die Überträgermücken. West-Nil-Fieber beginnt meist abrupt und verläuft meist selbst-limitierend. Die Patienten haben vor allem Fieber, Kopfschmerzen und Myalgien und sind sehr müde und abgeschlafft. Es kann auch zu Übelkeit, Erbrechen, Exanthemen und Lymphadenopathie kommen.

In seltenen Fällen kommt es zu WNV-neuroinvasiven Erkrankungen (früher als West-Nil-Meningoenzephalitis bezeichnet). Nach Schätzungen erkrankt einer von 150 bis 200 Infizierten neuroinvasiv, so Schwarz. Ein bis zwei Tage nachdem ein Patient fiebert kommt es dann zu einer Meningitis mit Nackensteife, Kopfschmerzen, Enzephalitis, Verwirrung und Krämpfen. Folgen sind akute schlaffe Paresen, weshalb man die neuroinvasive Variante des West-Nil-Fiebers auch die neue Polio Nordamerikas nenne, so Schwarz. Etwa einer von 1000 Infizierten stirbt an einer Enzephalitis.

Schwere Krankheitsverläufe gibt es vor allem bei Patienten mit Immundefizienz oder Tumorerkrankungen sowie bei alten Menschen. WNV wird hauptsächlich von Culex-Stechmücken, die abends und nachts aktiv sind, übertragen. Saison für die Mücken ist von Juni bis November. In einigen US-Staaten mit warmem Klima wird das WNV ganzjährig übertragen.

Das Virus kann zudem bei Transfusionen von Blut und Gefrierplasma übertragen werden. Reisende, die vom 1. Juni bis 30. November in den USA, Kanada oder Mexiko gewesen sind, dürfen deshalb vier Wochen nach Rückkehr in Deutschland kein Blut spenden. Virus-inaktiviertes Poolplasma oder Plasmapräparate sind sicher. Auch bei einer Organtransplantation ist eine WNV-Infektion möglich.

Auch könne das Virus über die Plazenta übertragen werden, berichtete Schwarz. Dabei wird der Fet wohl gegen Ende des II. Trimenons infiziert. Die Neugeborenen sind dann schwer geschädigt. Es komme zu Chorioretinitis, bilateralem Verlust an weißer Hirnsubstanz in der temporal-okzipitalen Region oder temporalen lobären Zysten. Das Risiko für Schwangere sei unklar.

Bisher gibt es nur eine symptomatische Therapie

Die Therapie bei West-Nil-Fieber ist symptomatisch. Alle antiviralen Substanzen seien bisher erfolglos, sagte der Virologe. Umso wichtiger ist die Prophylaxe, also der Schutz vor Stechmücken. Ein Impfstoff ist bisher noch nicht verfügbar, es laufen aber klinische Studien zu zwei verschiedenen Vakzinen. Es werde aber noch einige Jahre dauern, bis diese Impfstoffe auf dem Markt seien.

Bisher gibt es nur einzelne Berichte über WNV-Infektionen bei USA-Urlaubern. Angesichts der hohen Zahl an Reisenden nach Nordamerika und auf die karibischen Inseln muss aber auch in Deutschland mit importierten Infektionen gerechnet werden. Für die reisemedizinische Beratung ist das Thema wichtig. In Urlaubsregionen ist Mückenschutz, unbedingt wichtig - vor allem für alte Menschen und auch für Schwangere.

Weitere Infos beim Robert-Koch-Institut unter www.rki.de



STICHWORT

West-Nil-Fieber

Erreger: Flaviviren, die von Stechmücken übertragen werden. Auch Übertragungen über Blutkonserven, Transplantate oder über die Plazenta sind möglich.

Inkubationszeit: Vier bis 21 Tage (meist drei bis sechs Tage).

Symptome: Viele Infekte verlaufen asymptomatisch, Symptome sind Fieber, Kopfweh, Müdigkeit, Exanthem. Etwa jeder 200. erkrankt neuroinvasiv.

Diagnose: Immundiagnostik, Virusnachweis.

Therapie: nur symptomatisch.

Prophylaxe: Mückenschutz. (ug)

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