Zwei auf einen Streich

Neue Wirkstoffe blockieren MRSA und HIV zugleich

Aids und multiresistente Erreger gleichzeitig bekämpfen - dieser Traum könnte Wirklichkeit werden.

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SAARBRÜCKEN. Eine neuartige Substanzklasse wirkt sowohl gegen HIV als auch gegen Methicillin-resistente Staphylococcus aureus (MRSA). Diese beiden Krankheitserreger treten häufig gemeinsam auf. Künftig - so die Hoffnung der Entdecker - könnten sie mit einem einzigen Medikament bekämpft werden.

Wissenschaftler des Helmholtz-Instituts für Pharmazeutische Forschung Saarland (HIPS) haben duale Wirkstoffe entwickelt, die das Wachstum beider Erreger hemmen (J Med Chem, online 24. Juni 2016), teilt das Helmholtz Zentrum für Infektionsforschung mit.

Mittlerweile lassen sich ja die Vermehrung von HIV und das Fortschreiten von Aids zwar durch eine Kombinationstherapie aufhalten, doch zunehmend entwickeln die Viren Resistenzen und sprechen nicht mehr auf die eingesetzten Medikamente an.

Ähnlich hartnäckig zeigen sich MRSA, gegen die mittlerweile viele gängige Antibiotika unwirksam sind. Gerade HIV-Patienten, deren Immunsystem durch ihre Krankheit geschwächt ist, werden vielfach noch zusätzlich von MRSA befallen, heißt es in der Mitteilung. Solche Koinfektionen seien äußerst problematisch und schwierig zu behandeln.

"Sowohl bei den Viren als auch bei den MRSA-Bakterien sind Resistenzen gegen die gängigen Therapien verbreitet - das macht es besonders kompliziert, die Koinfektion in den Griff zu bekommen", wird Professor Rolf Hartmann, Leiter der Abteilung Wirkstoffdesign und Optimierung am HIPS, in der Mitteilung zitiert.

Hier könnten die Ureidothiophen-Carbonsäuren Abhilfe schaffen. Unter dieser Molekülklasse finden sich neuartige Wirkstoffe, die die Vermehrung sowohl von HIV als auch von MRSA effektiv blockieren.

 Das Interessanteste daran: "Bisher bekannte resistente Stämme - sowohl bei den Viren als auch bei den Bakterien - sind empfindlich gegen unsere dualen Wirkstoffe", wird Walid Elgaher vom HIPS zitiert. "Eine schädliche Wirkung auf menschliche Zellen konnten wir bislang nicht feststellen."

Viren und Bakterien sind zwar biochemisch sehr unterschiedlich, dennoch lässt sich der Effekt, dass ihr Wachstum durch einen einzigen Wirkstoff gehemmt werden kann, schlüssig erklären. Sowohl die HI-Viren als auch die Bakterien benutzen für Wachstum und Vermehrung bestimmte spezialisierte Enzyme, um ihre Erbinformation "umzucodieren" und gewissermaßen von einer Schreibweise in eine andere zu übertragen. Die entsprechenden Enzyme - Eiweißmoleküle mit katalytischer Wirkung - sind sich in Funktion und Aufbau ähnlich.

Bei den Bakterien übersetzt das Enzym RNA-Polymerase die Erbinformation von Desoxyribonucleinsäure (DNA) in Ribonucleinsäure (RNA), die dann wiederum den Bauplan für die wichtigsten Bestandteile ihrer Zelle enthält. Das HI-Virus benötigt für seinen Lebenszyklus das Enzym Reverse Transkriptase, das den umgekehrten Prozess auslösen und RNA in DNA umwandeln kann.

Dass die RNA-Polymerase bestimmter Bakterien und die Reverse Transkriptase des Aids-Erregers ähnliche chemische Bindungsstellen aufweisen - und damit möglicherweise auch gemeinsam blockiert und lahmgelegt werden könnten - war Wissenschaftlern bereits vor einigen Jahren aufgefallen.

Am HIPS in Saarbrücken nutzte man diese Erkenntnis: "Wir haben mehrere Substanzen entwickelt, die die RNA-Polymerase von Bakterien wie den MRSA hemmen können", so Dr. Jörg Haupenthal. "Diese haben wir dann weiter optimiert, sodass sie auch an die sehr ähnlichen Bindungsstellen der HI-Viren andocken und sie dadurch blockieren."

Die Forscher hoffen, dass sich ihre Entdeckung künftig einmal für die klinische Anwendung nutzen lässt. "Dazu muss allerdings sorgfältig geklärt werden, ob die Substanzen auch in der Zelle und letztlich im menschlichen Patienten wirksam sind und ob sie nicht doch unerwünschte Nebenwirkungen haben", so Hartmann. "Das erfordert umfangreiche Studien und Entwicklungsarbeiten." (eb/mmr)

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