Schweinebandwurm

Weltweite Allianz gegen einen Parasiten

Das Projekt CYSTINET-Africa erforscht den Schweinebandwurm und entwickelt neue Strategien gegen Infektionen.

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MÜNCHEN. Infektionen mit dem Schweinebandwurm sind auf dem afrikanischen Kontinent die häufigste Ursache für epileptische Anfälle. Forscherinnen und Forscher der Technischen Universität München (TUM) haben mit Partnern aus Tansania, Mosambik und Sambia das Großprojekt CYSTINET-Africa ins Leben gerufen, um den Parasiten zu bekämpfen.

Projekt CYSTINET-Africa

Start: Mitte Januar mit einem Treffen aller Beteiligten in Tansaniaz

Laufzeit: zunächst fünf Jahre

Ein ausgewachsener Schweinebandwurm (Taenia solium) kann sieben Meter lang werden. Die Parasiten leben und wachsen im menschlichen Darm, nachdem ihre Larven über die Nahrung, vor allem Schweinefleisch, in den Körper gelangt sind. Das Hauptproblem sind aber nicht die erwachsenen Tiere, sondern ihre Larven, heißt es in einer Mitteilung der TUM. Diese leben normalerweise in Schweinen. Wenn sie gewissermaßen aus Versehen in den menschlichen Körper gelangen, können sie im Gehirn Zysten bilden und eine Neurozystizerkose verursachen. Die Symptome können epileptische Anfälle, chronische Kopfschmerzen und im schlimmsten Fall ein Koma sein.

"Weltweit werden 30 Prozent der Epilepsiefälle von Schweinebandwürmern verursacht", wird Professor Andrea Winkler, Leiterin der Arbeitsgruppe Globale Neurologie am Klinikum rechts der Isar der TUM und Ko-Direktorin des Projekts CYSTINET-Africa in der Mitteilung zitiert. "An und für sich lässt sich Neurozystizerkose gut behandeln. Sie ist aber eine armutsassoziierte Krankheit, die sich durch mangelnde Hygiene und fehlende Bildung massiv verbreitet."

Am Projektstandort Morogoro in Tansania werden daher Strategien entwickelt, wie sich Ansteckungen bei Menschen und Tieren verhindern lassen, beispielsweise durch Aufklärungskampagnen, die an lokale Bedürfnisse angepasst sind.

In München an der TUM wiederum werden die Auswirkungen des Schweinebandwurms auf das Immunsystem von infizierten Patienten untersucht. Denn den Larven des Wurmes gelingt es offenbar, das menschliche Immunsystem auszutricksen. "Wir verstehen noch nicht, warum diese komplexen Organismen mit einem eigenen Stoffwechsel fast keine Entzündungsreaktion hervorrufen solange sie am Leben sind, sondern erst wenn sie absterben, beispielsweise durch die Gabe von Medikamenten", wird Professor Clarissa Prazeres da Costa vom Institut für Medizinische Mikrobiologie, Immunologie und Hygiene an der TUM in der Mitteilung zitiert. "Unsere Hypothese ist, dass die Larven die Immunreaktion unter anderem direkt durch Parasitenproteine aber auch mit Hilfe körpereigener sogenannten Suppressorzellen aktiv unterdrücken."

Um mehr zu erfahren, werden die Immunologin und ihr Team in einer großangelegten Studie in Mosambik Zellproben von Erkrankten sammeln und sie dann mithilfe der technischen Möglichkeiten des Instituts für Medizinische Mikrobiologie an der TUM untersuchen.

Unterstützung aus der Informatik

Neben Teilprojekten zur Erforschung, Prävention und Behandlung von Bandwurminfektionen hat das Projekt auch eine technische Seite. An dieser Stelle kommt Bernd Brügge, Professor für Angewandte Software-Technik an der Fakultät für Informatik, ins Spiel. "Wir untersuchen Methoden, um die sichere Übertragung von Patientendaten möglich zu machen", so Brügge in der Mitteilung. Das sei schon aufgrund deutlich schlechterer mobiler Datenverbindungen und Hardware vor Ort eine Herausforderung. "Außerdem werden wir die Arbeitsabläufe und den Austausch medizinischer Daten zwischen den Teams an den verschiedenen Standorten modellieren."

Darüber hinaus will Brügge gemeinsam mit Studierenden helfen, eine Hypothese zu untersuchen: Auch Schweine könnten durch die Larven epileptische Anfälle erleiden. Das Team entwickelt deshalb ein Gerät mit dem Arbeitstitel "iPig", das mithilfe eines Ohrclips mögliche Anfälle aufzeichnet und Aufschluss über Dauer, Intensität und Häufigkeit liefert. (eb)

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