Erlebnisbericht

Mittendrin im Ebola-Chaos

Den Kampf gegen Ebola haben vier Mitarbeiter des Marburger Instituts für Virologie in Afrika mitgemacht. Sie berichten von chaotischen Zuständen vor Ort, von Infizierten, die zu schwach sind, um eine Flasche zu halten, und den psychischen Stress für die Helfer.

Von Gesa Cordes Veröffentlicht:
Slum West Point in Monrovia am 25 August: Polizist überwacht unter Quarantäne stehende Bewohner.

Slum West Point in Monrovia am 25 August: Polizist überwacht unter Quarantäne stehende Bewohner.

© Ahmed Jallanzo / EPA / dpa

MARBURG. Die chaotische Lage in den Ebola-Gebieten Westafrikas haben die Experten vom Marburger Institut für Virologie mit zwei Fotos verdeutlicht: Eines zeigt eine aufgebrachte Menschenmenge in einem abgeriegelten Slum in Liberias Hauptstadt Monrovia.

Die Behörden hatten im August das Armenviertel unter Quarantäne gestellt und damit auch von der Versorgung mit Lebensmitteln abgeschnitten. Für die Menschen gab es daher mehrere Tage nichts zu essen.

Das zweite Bild zeigt einen defekten Truck des Roten Kreuzes neben dem Labor in Guinea, in dem vier Mitarbeiter des Marburger Hochsicherheitslabors in den vergangenen Monaten gearbeitet haben.

Auf einer Seite ist der Geländewagen auf Steinen aufgebockt. Eigentlich nur ein simpler Reifenschaden. Doch obgleich der Truck dringend gebraucht wurde, gab es kein Geld, ihn zu reparieren.

Augenzeugen berichten

Vier Mitarbeiter des Marburger Instituts waren in den vergangenen Monaten jeweils für mehrere Wochen in Westafrika im Einsatz. In dem Institut wird schon seit vielen Jahren über Ebola geforscht. Jetzt haben sie in der Uni-Klinik der nordhessischen Stadt über ihre Erfahrungen berichtet.

Von einer "traumatischen Entwicklung" spricht der Biologe Thomas Strecker. Die tödliche Krankheit, die durch Flughunde übertragen wird, grassierte bislang nämlich nur in Zentralafrika.

Die inzwischen flächendeckend betroffenen westafrikanischen Länder Guinea, Sierra Leone und Liberia traf es völlig unvorbereitet. In den vergangenen Wochen habe es eine "Explosion" von Neuinfektionen gegeben.

So schnellte die Zahl der Kranken bei seinem letzten Besuch Ende August innerhalb von zwei Tagen von 13 auf 80 Patienten hoch. In Guéckédou im Süden Guineas haben das Rote Kreuz und "Ärzte ohne Grenzen" (MSF) eine Isolierstation aufgebaut.

Die Marburger Experten gehörten zum Team des dazu gehörigen "europäischen mobilen Labors", das bislang noch nie unter realen Bedingungen getestet worden war.

Zu schwach, um eine Flasche zu halten

Dort untersuchen sie unter hohen Sicherheitsvorkehrungen die Blutproben der Patienten. Wer direkt mit dem noch nicht deaktivierten Blut oder den Kranken zu tun hat, trägt einen elfteiligen Ganzkörper-Schutzanzug.

Etwa vier Stunden dauert die Blutuntersuchung. Unterdessen warten die Menschen, die täglich von den Trucks aus den Dörfern gebracht werden, auf ihre Diagnose.

Viele sind bereits so krank, dass sie nicht mehr laufen können. In etwa jedem zweiten Fall wird Ebola festgestellt. Von einer "sehr angespannten Atmosphäre im Zelt" erzählt Labor-Mitarbeiter Gordian Schudt. Tatsächlich können die Helfer unter den Bedingungen nur wenig für die Kranken tun: Intensivmedizin ist nicht möglich.

Es wird versucht, die Menschen mit ausreichender Flüssigkeit, Nahrung, Vitaminen, Schmerzmitteln und Antibiotika zu stabilisieren. Die Wasserflaschen werden grundsätzlich nur zu einem Drittel gefüllt.

Die meisten Patienten sind nämlich zu schwach, um eine ganze Flasche zu halten. Viele sterben innerhalb von wenigen Tagen.

Große psychische Belastung

Angesichts des großen Leids ist die Arbeit auch für die Helfer psychisch sehr anstrengend, berichtet Mitarbeiterin Svenja Wolf. Nur etwa die Hälfte der Infizierten übersteht die Krankheit. Damit die Überlebenden in ihren Dörfern nicht ausgegrenzt werden, erhalten sie ein Zertifikat, in dem die Heilung bestätigt wird.

Manche klären ihre Nachbarn dann über die Übertragungswege des Virus auf, deren Ausbreitung durch häusliche Pflege und traditionelle Beerdigungsriten begünstigt wird.

Zu ihnen gehört etwa der Vater des zwölfjährigen Alfonso, dessen Sohn trotz einer zusätzlichen Malaria-Infektion überlebte.

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