WHO erwartet

Bald mehr als 20.000 Ebola-Infizierte

Die WHO befürchtet Schlimmes: Lässt sich die Ebola-Epidemie nicht eindämmen, ist schon bald mit 20.000 Infizierten zu rechnen. Diese Schätzung geht aus einer aktuellen Studie hervor, die auch neue Erkenntnisse zur Sterberate, Inkubationszeit und zum Symptommuster liefert.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
WHO rechnet mit 20.000 Ebola-Toten, wenn sich die Epidemie nicht eindämmen lässt.

WHO rechnet mit 20.000 Ebola-Toten, wenn sich die Epidemie nicht eindämmen lässt.

© Ahmed Zallanzo / dpa / epa

GENF. Die Aussichten für die drei am stärksten von Ebola betroffenen Länder Liberia, Guinea und Sierra Leone sind äußerst düster, wenn es nicht gelingt, die Epidemie endlich wirksam einzudämmen.

Den bisherigen Verlauf vor Augen, rechnet die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit tausenden neuen Infizierten in den nächsten Wochen.

In einer aktuellen Publikation hat das "WHO Ebola Response Team" sämtliche verfügbaren Daten zu dem Ausbruch gesammelt und ausgewertet (NEJM 2014, online 23. September).

Aus diesen Angaben konnten sie die Zeit berechnen, in der sich die Zahl der Infizierten verdoppelt. Sie liegt in Sierra Leone bei knapp 16 Tagen und in Guinea bei 24 Tagen.

Immerhin breitet sich die Seuche in Liberia, dem mit etwa 3000 Erkrankten am stärksten betroffenen Land in Westafrika, deutlich langsamer aus: Hier verdoppelt sich die Zahl der Infizierten alle 30 Tage.

Sterberate bis zu 70 Prozent

Aufgrund dieser Duplikationsraten geht die WHO davon aus, dass Ebola bis zum 2. November in Guinea über 5700 Menschen erkrankt sind, etwa 5000 in Sierra Leone und knapp 10.000 in Liberia. Zusammen dürften sich dann also seit Beginn des Ausbruchs im Dezember 2013 über 20.000 Menschen in Westafrika mit dem Virus infiziert haben.

Die Zahlen könnten dann jedoch weitaus höher sein, da für die Berechnung nur die 4500 Erkrankten dienten, die bis zum 14. September registriert worden sind. Es wird jedoch von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen.

"Ohne drastische Verbesserungen bei der Seuchenbekämpfung wird die Zahl der Ebola-Fälle und -Toten in den nächsten Monaten von Hunderten auf Tausende steigen", heißt es in dem Bericht.

Neben der Verdopplungsrate liefert die WHO-Auswertung weitere Erkenntnisse zum Verlauf der Epidemie. So stellten die Forscher eine mittlere Inkubationsdauer von 11,4 Tagen fest - diese war in allen betroffenen Ländern ähnlich.

Bei 95 Prozent der Erkrankten begannen die Symptome in den ersten drei Wochen nach Kontakt mit Infizierten - eine Quarantäne von 21 Tagen macht demnach Sinn.

Daten für die Sterberate liegen nicht von allen Infizierten vor. Von den Patienten, bei denen Ebola nachgewiesen wurde und die bis zum Tod oder bis zur Heilung beobachtet werden konnten - das waren etwa ein Drittel aller Erkrankten - sind 71 Prozent gestorben.

Auch diese Rate ist ähnlich wie bei früheren Ausbrüchen und variiert kaum in den drei am stärksten betroffenen Ländern. Offiziell wird jedoch von einer Sterberate von etwa 50 Prozent ausgegangen. Sie bezieht sich auf die Zahl der nachgewiesenen und vermuteten Ebolafälle.

Wird Ebola endemisch?

Am höchsten war die Sterberate bei den über 44-jährigen Patienten: Von denjenigen mit eindeutigem Ebola-Nachweis und bekanntem Verlauf starben über 80 Prozent, von Kindern unter 15 Jahren 73 Prozent und von den 15- bis 44-jährigen waren es 66 Prozent.

Kinder und ältere Menschen hatten also eine deutlich schlechtere Prognose, allerdings infizierten sie sich auch seltener mit dem Virus. So waren 61 Prozent der Erkrankten im Alter zwischen 15 und 45 Jahren, diese Altersgruppe stellt jedoch nur 44 Prozent der Bevölkerung in den betroffenen Ländern.

Es sind also vor allem Menschen im arbeitsfähigen Alter, die besonders von Ebola heimgesucht werden. Keine Unterschiede gibt es hingegen bei den Geschlechtern: Männer und Frauen befinden sich gleichermaßen unter den Erkrankten.

Auch die Symptome sind von anderen Ebola-Ausbrüchen her gut bekannt: Fast neun von zehn Patienten fielen durch hohes Fieber auf, eine Fatigue war bei drei von vier festgestellt worden, unter Durchfall und Erbrechen litten zwei Drittel der Patienten, Kopf- und Bauchschmerzen wurden von etwa der Hälfte beklagt.

Auffällige Blutungen fielen dagegen nur bei etwa 18 Prozent auf. Auch dieses Symptommuster wurde in allen drei Ländern gleichermaßen beobachtet.

Ebola nach wie vor ein regionales Problem

Obwohl die Epidemie die drei westafrikanischen Länder stark gebeutelt hat, besteht noch eine gewisse Hoffnung, sie dort einzudämmen. So haben nur 43 von 67 Bezirken in Guinea, Sierra Leone und Liberia Ebolafälle gemeldet, 90 Prozent der Erkranken stammen sogar aus nur 14 Bezirken - das Virus ist also auch in den betroffenen Ländern nach wie vor ein regionales Problem, in einem Großteil dieser Staaten hat sich der Erreger noch nicht ausgebreitet.

Die fehlende Ausbreitung auf andere Länder lässt ebenfalls hoffen: Zwar wurden im Senegal und Nigeria einzelne eingeschleppte Ebolafälle gemeldet, dort gelang es jedoch, alle Kontaktpersonen zu isolieren und eine Verbreitung zu verhindern.

Angesichts weiter exponentiell zunehmenden Erkrankungszahlen im Epizentrum der Epidemie fordert die WHO, alle Bemühungen auf eine bessere Isolation der Erkrankten und ihrer Kontaktpersonen zu richten.

Gelinge diese nicht, sei nicht nur mit einer weiteren Ausbreitung der Seuche in Westafrika zu rechnen, Ebola könnte sich dann auch dauerhaft in der menschlichen Population einnisten.

"Die Gefahr eine ausufernden Epidemie und einer endemischen Verbreitung in Westafrika erfordert stärkste Kontrollmaßnahmen und eine schnelle Entwicklung neuer Medikamente und Impfstoffe gegen Ebola", schließt die WHO in ihren Bericht.

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