Ebola

Zeit wird knapp, einen Flächenbrand zu verhindern

Noch lässt sich die Ebola-Epidemie eindämmen, noch ist die Seuche auf drei kleine Länder in Westafrika begrenzt. Wir sollten daher alles tun, damit das Virus nicht weitere Staaten erfasst - schon im eigenen Interesse.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Infektion mit Ebola? Kontrolle der Körpertemperatur auf dem Weg zur Arbeit in Liberia.

Infektion mit Ebola? Kontrolle der Körpertemperatur auf dem Weg zur Arbeit in Liberia.

© Jallanzo /EPA / dpa

Es war wohl nur eine Frage der Zeit: Ein Mann aus Liberia reist in die USA, bekommt Fieber, geht ins Krankenhaus und wird wieder nach Hause geschickt, weil man Ebola mit einer Erkältung verwechselt.

Der Mann soll angeblich noch gesagt haben, er komme aus Westafrika. Westafrika? War da was? Nicht besser erging es jener Krankenschwester, die einen Ebola-Kranken auf einer Isolierstation in Spanien gepflegt hat - auch sie wurde bei ersten Symptomen mit Paracetamol nach Hause geschickt.

Man mag über so viel Ignoranz den Kopf schütteln, aber beides hätte genauso gut in Deutschland passieren können, und beides wird hier eines Tages geschehen, wenn es uns nicht gelingt, Ebola in Westafrika einzudämmen.

Zum einen, weil diejenigen, die Ebola in sich tragen, noch lange Zeit reisefähig sind und keine Symptome zeigen. Kein Fieberthermometer kann sie erfassen. Der einzige Schutz wäre, allen Menschen aus Liberia, Sierra Leone und Guinea die Einreise zu verweigern.

Ein derart schweres Geschütz traut sich derzeit aber niemand aufzufahren. Zum anderen zeigt das spanische Beispiel: Mit jedem Ebola-Kranken, den wir auch noch absichtlich importieren, steigt das Risiko, dass sich Ärzte und Schwestern infizieren.

Es hat nicht lange gedauert, die Mär zu widerlegen, dass dies auf Isolierstationen mit westlichem Standard kaum möglich ist.

Größte Gefahr: Weitere Verbreitung in Afrika

Der Weg des Ebola-Virus in Westafrika

Die Ebola-Epidemie in Westafrika sorgt für Tausende infizierte Menschen - und Tausende Tote. Der Ausbruch geht auf ein zweijähriges Mädchen zurück. Zur Chronologie des Ausbruchs.

Letztlich liegt das größte Problem aber nicht bei einzelnen eingeschleppten Infekten in den USA oder Europa - hier begreift im Ernstfall jeder schnell, wie er sich vor einem Keim schützen kann, der primär durch Körperkontakt übertragen wird.

Auch verdächtigt hier niemand die Regierung, eine Krankheit zu erfinden, um Hilfsgelder abzugreifen. Ebola dürfte es in einer gut informierten Gesellschaft daher schwerfallen, sich auszubreiten.

Die größte Gefahr liegt vielmehr in einer weiteren Verbreitung in Afrika. Es grenzt fast an ein Wunder, dass die Epidemie erst drei Länder erfasst. In Nigeria ließ sich ein Übergreifen gerade noch verhindern.

Auch hier wurde das Virus durch einen Fluggast eingeschleppt, der 20 weitere Personen infizierte, aber den Behörden gelang es, alle Kontaktpersonen einzusammeln.

Welches Ausmaß eine Epidemie im bevölkerungsreichsten Staat Afrikas mit seinen 150 Millionen Einwohnern und einem Bürgerkrieg im Norden hätte, kann sich kaum jemand ausmalen.

Was also ist in der gegenwärtigen Situation zu tun? Erstens muss der Schutz der Nachbarstaaten höchste Priorität haben. Die Situation in Guinea, Sierra Leone und Liberia ist außer Kontrolle, in diesen Ländern hat sich das rudimentäre Gesundheitssystem weitgehend aufgelöst, eine Quarantäne von Infizierten und deren Kontaktpersonen ist de facto nicht mehr möglich.

Wie bei einem lichterloh brennenden Haus gilt es jetzt vor allem zu verhindern, dass der Funke überspringt. Die Grenzen zu den Nachbarländern sind zwar schon weitgehend geschlossen, dennoch werden mit Sicherheit Infizierte auch in andere afrikanische Länder gelangen.

Hier müssen die Behörden gewappnet sein - sie sollten von der WHO und der UN alle erdenkliche Hilfe erhalten, um Ebola-Fälle schnell und zuverlässig zu erkennen und zu isolieren. Nigeria hat gezeigt: Noch ist ein solcher Schutz möglich.

Bisher wenig Engagement aus Europa

Zweitens werden in den betroffenen Ländern dringend neue Behandlungszentren benötigt. Solange Ebola-Kranke in den Straßen sterben, weil sie keine Klinik mehr aufnehmen kann, solange werden sämtliche Versuche zur Eindämmung der Epidemie scheitern, denn dann werden die Kranken lieber zu Hause bleiben und ihre Verwandten anstecken.

Wenn US-Präsident Obama nun 4000 Soldaten und Spezialisten in die Krisenländer schickt, um provisorische Ebola-Kliniken aufzubauen, ist das ein wichtiger Schritt.

Man würde sich ein ähnliches Engagement aus Europa wünschen. Ein paar Tonnen Schutzmasken und -stiefel, wie sie jetzt von der Bundeswehr in die Ebola-Länder geflogen wurden, sind allenfalls ein Tropfen auf den heißen Stein.

Drittens gilt es, eine Hunger- und Wirtschaftskatastrophe verhindern. Der Handel mit den drei betroffenen Ländern ist weitgehend zusammengebrochen, die Lebensmittelpreise steigen, viele Felder werden bald nicht mehr bewirtschaftet, weil die Bauern tot sind oder unter Quarantäne stehen.

Es darf nicht passieren, dass unter den wirtschaftlichen Folgen der Seuche mehr Menschen leiden als unter der Krankheit selbst. Lebensmittellieferungen könnten die größte Not lindern.

Die Zeit zum Handeln wird jedoch knapp. Jeden Tag, den wir länger warten, diskutieren oder nur unsern guten Willen verkünden, sterben mehr als hundert Menschen an Ebola. Bald schon könnten es Tausende sein.

Das befürchten selbst nüchtern denkende Charaktere wie der Weltbank-Chef und ehemalige WHO-Arzt Jim Yong Kim: Sollten sich die düstersten Prognosen bewahrheiten, so Kim auf einer UN-Versammlung, "dann reden wir über nichts Geringeres, als dass dieser ganze Kontinent verschwindet".

Es wäre fatal, würden wir uns erst um das Problem kümmern, wenn die ersten Ebola-Kranken in überfüllten deutschen Hausarztpraxen auftauchen.

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