Ebola-Patient am UKE

Heilende Therapie - mit Überraschungen

Nach der Behandlung am Hamburger UKE ist ein Ebola-Patient als geheilt entlassen worden. Jetzt haben die Ärzte Details zur Krankengeschichte und der erfolgreichen Therapie verraten. Sie sehen in der Behandlung einen Präzedenzfall.

Von Angela Speth Veröffentlicht:
Nach erfolgreicher Therapie am Hamburger UKE ist ein Patient als geheilt entlassen worden.

Nach erfolgreicher Therapie am Hamburger UKE ist ein Patient als geheilt entlassen worden.

© Bertram Solcher/UKE/dpa

HAMBURG. Die erfolgreiche Behandlung des Ebola-Patienten am Uniklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) zeige als Präzedenzfall, dass auch Betroffene in Westafrika mit der besten unterstützenden Therapie ohne Intensivmedizin gute Überlebenschancen hätten. Diese Lehre zieht das Ärzteteam um Professor Stefan Schmiedel am Hamburger Klinikum.

Der 36-jährige WHO-Mitarbeiter, der Anfang Oktober aus dem UKE als geheilt entlassen worden war, hatte sie von der Schweigepflicht entbunden, so dass sie seine Krankheitsgeschichte am Donnerstag vor Journalisten in Hamburg vorstellen konnten.

Zugleich wurde sie publiziert (NEJM 2014, online 23. Oktober). Die Behandlung hielt nach Aussage der Ärzte einige Überraschungen bereit:

- Der enorme Flüssigkeitsverlust über den Stuhl (am elften Tag mehr als acht Liter), der für drei Tage eine Substitution von fast zehn Litern täglich erforderlich machte.

- Eine Sepsis mit Atemversagen, die sich nur mit einem speziellen Antibiotikum behandeln ließ. Diese Komplikation könnte entscheidend zur hohen Sterberate bei Ebola beitragen.

- Die lange Verweildauer bzw. Ausscheidung von Viren im Urin.

Offenbar im Büro angesteckt

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Wie die Ärzte erläuterten, war der Patient am 27. August mit einem Spezialtransport von Sierra Leone nach Hamburg geflogen worden. Es war sein zehnter Krankheitstag, denn so lange hatte es gedauert, bis sämtliche Genehmigungen vorlagen - für das UKE Zeit, die Behandlung vorzubereiten.

Da die Krankheit bereits deutlich fortgeschritten war, entschieden sich die Ärzte für die bestmögliche intensivmedizinische Unterstützung ohne zusätzliche experimentelle Therapie.

Als Anfangssymptome gab der Patient Übelkeit, Kopfschmerzen, Myalgie, Arthalgie und Fieber an. Er hatte sich offenbar über einen Kollegen angesteckt, mit dem er sein Büro geteilt hatte und der zehn Tage zuvor an Ebola gestorben war.

Bei der Ankunft in Hamburg war der Mann aus Sierra Leone klinisch stabil, wach und voll orientiert. Wegen des starken Flüssigkeitsverlusts durch die Diarrhoe bestand die erste Maßnahme darin, über einen intravenösen Zugang den Flüssigkeits- und Elektrolythaushalt zu gewährleisten, da die Ärzte das Risiko eines hypovolämischen Schocks als hoch einschätzten.

Eine orale Flüssigkeitsaufnahme war wegen der Heftigkeit von Übelkeit und Erbrechen nicht möglich. Im Ultraschall zeigte sich eine vollständige Atonie des Magen-Darm-Trakts, weshalb eine parenterale Ernährung begonnen wurde.

Die anfangs sehr hohe Viruslast, gemessen mit PCR auf Ebola-RNA, sank bereits ab dem zehnten stationären Tag, die ebola-spezifischen IgG- und IgM-Antiköpertiter stiegen stetig - "prognostisch günstig, aber keine Garantie für Heilung", wie Schmiedel sagte. Das Erbrechen hörte am 13. Tag auf, die starken Durchfälle am 15. Tag.

Viren bis zum 31. Tag im Urin nachweisbar

Dennoch setzte plötzlich am 13. Tag eine drastische Verschlechterung ein mit hohem Fieber, Hypoxämie, Tachykardie, Kurzatmigkeit, Bauchschmerzen und erhöhten Werten an Leukozyten, Neutrophilen und C-reaktivem Protein bis hin zu einer schweren Enzephalopathie mit Delirium und Halluzinationen sowie Atemversagen, das eine mehrtägige künstliche Beatmung notwendig machte.

Ursache war eine Sepsis mit gram-negativen Bakterien, die sich als resistent gegen gängige Antibiotika erwiesen und erst auf Meropenem ansprachen. Offenbar waren die Keime durch ein Leck der Darmbarriere als Folge der starken Entzündung ins Blut eingedrungen.

Ab dem 17. Tag besserte sich der Zustand des Patienten, zugleich war im Plasma keine Virus-RNA mehr nachzuweisen, in Speichel, Sputum, und Stuhl ab dem 18. Tag.

Zum Erstaunen der Ärzte waren Urinproben jedoch bis zum 31. Tag positiv für Viren-RNA und Schweißproben bis zum 40. Tag. "Offenbar sind Nieren und Blase für die Immunabwehr schwer zugänglich", erläuterte Schmiedel.

In Abstimmung mit den lokalen Behörden wurde der Patient entlassen, nachdem die Tests sämtlicher Körperflüssigkeiten 20 Tage lang keine Viruspartikel mehr ergaben. Vollständig erholt, mit Laborwerten im Normbereich konnte der Patient die Klinik verlassen und ohne Hilfe zu seiner Familie nach Senegal zurückkehren.

In Deutschland können weniger Ebola-Patienten aufgenommen werden als gedacht. Zwar gibt es nach Angaben des Robert Koch-Instituts sieben Behandlungszentren mit zusammen 47 Isolierbetten.

Die Zahl der Ebola-Infizierten, die dort gleichzeitig behandelt werden könnten, ist allerdings deutlich geringer, wie die Kliniken jetzt bestätigten. Nach Angaben von Professor August Stich aus Würzburg sind derzeit nur etwa zehn Betten für Ebola-Patienten in Deutschland gleichzeitig einsetzbar.

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