Ebola-Epidemie

Die Zeit für Impfstofftests wird knapp

In den nächsten Wochen werden wohl tausende Menschen in den EbolaGebieten an Impfstofftests teilnehmen. Die Tests könnten jedoch zu spät kommen: Sinken die Infektionszahlen, lässt sich die Wirksamkeit kaum noch nachweisen.

Von Thomas Müller Veröffentlicht:
Ein Freiwilliger wird in Bamako (Mali) mit dem Ebola-Impfstoff "cAd3-EBO-Z" geimpft.

Ein Freiwilliger wird in Bamako (Mali) mit dem Ebola-Impfstoff "cAd3-EBO-Z" geimpft.

© Alex Durval Smith / dpa

GENF. Es ist eine gute Nachricht: In allen drei betroffenen Ländern in Westafrika geht die Zahl der Ebola-Neuinfektionen mittlerweile zurück. Allerdings könnten dadurch die geplanten Impfstofftests ins Leere laufen: Wenn kaum noch jemand erkrankt, lässt sich auch nicht feststellen, ob die Vakzine wirkt.

Forscher wären dann gezwungen, die neu entwickelten Impfstoffe an Primaten zu testen und zu hoffen, dass die Ergebnisse auf Menschen übertragbar sind. Immerhin: Sollte eine neue Erkrankungswelle folgen, wäre die Welt nun etwas besser gerüstet.

Impfstoff-Tests haben begonnen

Weitere Option: Therapie mit Immunserum

Nach sieben bis zehn Tagen beginnen Ebola-Infizierte, Antikörper gegen das Virus zu bilden. Neutralisierende Antikörper gegen Oberflächenproteine des Virus können, im Zusammenspiel mit der zellulären Immunreaktion, Leben retten - das eigene und möglicherweise auch das anderer Erkrankter. Das Serum von Rekonvaleszenten lässt sich nämlich zur Therapie von Ebola-Patienten einsetzen. Bei der aktuellen Epidemie sind in den USA, UK und Spanien vier Patienten mit Immunseren behandelt worden. Alle vier haben die Krankheit überstanden.

Als Spender kommen laut WHO Ebola-Patienten infrage, die seit 28 Tagen symptomfrei sind. Die Gewinnung von Seren in großem Maßstab liegt jedoch in weiter Ferne. Sicherheit, Dosierung und Schutzeffekt müssen erst in Studien untersucht werden. (bs)

Am weitesten entwickelt sind derzeit zwei Impfstoffe auf Basis von Adeno- und Vesikulären Stomatitis-Viren.Einer der Impfstoffe enthält Schimpansen-Adenoviren Typ 3 (cAd3). In diese Viren werden immunogene Glykoproteine für das Zaire-Ebolavirus (ZEBOV) eingeschleust.

Diese sollen dann im Menschen eine Immunantwort hervorrufen. Die Vakzine mit dem Namen cAd3-ZEBOV wird derzeit von GlaxoSmithKline und der US-Behörde NSAID (National Institute of Allergy and Infectious Diseases) entwickelt.

Beim zweiten Impfstoff, dem rVSV-ZEBOV, dienen veränderte Vesikuläre Stomatitis-Viren (rVSV) als Vektor, um Ebola-Glykoproteine zu transportieren.

Diese Vakzine entstammt einem staatlichen kanadischen Forschungsprogramm und wird derzeit von den Unternehmen NewLink Genetics und Merck Vaccines weiterentwickelt.

Beide Impfstoffe haben erste Phase-I-Studien bei gesunden Freiwilligen in Europa und den USA absolviert, die VSV-Vakzine wurde auch in Hamburg geprüft. Schwere unerwünschte Wirkungen traten bei den Tests nicht auf, allerdings kam es in höheren Dosierungen zu Fieber und Gelenkschmerzen.

Auch bei einer Studie mit dem cAd3-Impfstoff zeigten sich dosisabhängig zum Teil hohes Fieber und bei jedem Fünften eine transiente Leukopenie. Solche Effekte wurden erwartet.

Um weniger häufige Nebenwirkungen zu erfassen, ist die Zahl der bisherigen Testpersonen jedoch zu gering.

Positiv stimmt die Immunantwort: Zumindest in hohen Dosierungen zeigten sich eine gute CD8- und CD4-basierte Immunantwort nach einer einmaligen Injektion. Es wurden Antikörpertiter erreicht, die in Tierversuchen protektiv wirkten.

Die entscheidende Frage ist allerdings, wie viel Impfstoff ausreicht, um sicher vor Ebola zu schützen. So will man die Akzeptanz der Impfung nicht durch unnötige Nebenwirkungen gefährden, zudem sollte der produzierte Impfstoff möglichst schnell auf möglichst viele gefährdete Menschen verteilt werden.

Minimaldosis ermitteln

Forscher müssen also erst die Minimaldosis ermitteln, die gerade noch vollständig schützt. Unklar ist auch, wie lange der Impfschutz anhält und ob eine Booster-Immunisierung nach einiger Zeit notwendig wird.

Allerdings bleibt nicht viel Zeit, diese Fragen zu beantworten. So sollen in den nächsten Wochen parallel Phase-II- und -III-Studien mit den beiden Vakzinen starten.

Die Phase-II-Studien finden hauptsächlich in Afrika, aber außerhalb der Ebola-Gebiete statt. Hier stehen Dosis, Sicherheit und Immunogenität der Impfstoffe bei einer größeren Personenzahl im Fokus, darunter auch Kinder, ältere Menschen und HIV-Infizierte. Die Ergebnisse bilden dann die Grundlage für Massenimpfungen.

Die Phase-III-Studien beginnen zunächst in Liberia, dann Guinea und Sierra Leone. Es sollen jeweils einige tausend Freiwillige geimpft werden. Sollte die Ebola-Epidemie weiter anhalten, könnten Ende Februar erste Hinweise zur Wirksamkeit vorliegen.

Einen anderen Ansatz verfolgen die beiden Unternehmen Johnson & Johnson und Bavarian Nordic. Gemeinsam haben sie eine heterologe Prime-Boost-Vakzine entwickelt. Sie besteht aus zwei Komponenten: einem veränderten Adenovirus und einem modifizierten Vaccinia-Virus (Modifield Vaccinia Ankara, MVA).

Die Primär-Immunisierung erfolgt mit einer der Komponenten, die Auffrischimpfung mit der anderen. Phase-I-Studien soll nun klären, in welcher Reihenfolge und in welchem zeitlichen Abstand die größte Immunogenität erzeugt wird.

Bavarian Nordic hat bereits 400.000 Dosen seiner MVA-Komponente produziert. Großflächige klinische Tests sind ab April geplant. Ein Vorteil der Kombivakzine: Sie ist weniger temperaturempfindlich als die anderen beiden und lässt sich offenbar monatelang in gewöhnlichen Kühlschränken lagern.

Auch mehrere Therapeutika

Für Schlagzeilen sorgte die Behandlung von Ebolakranken mit ZMapp™ (wir berichteten). Die meisten, aber nicht alle Behandelten haben überlebt. Das Mittel enthält monoklonale Antikörper gegen drei Ebola-Glykoproteine.

Dass es wirkt, scheint plausibel, es gibt jedoch bislang keine kontrollierten Studien mit Ebolakranken. Zudem ist die Produktion sehr aufwändig: Bisher wurden nur wenige Dosen hergestellt. Für die derzeitige Epidemie ist es daher ungeeignet.

Mehr Hoffnung bieten derzeit Virustatika. "Ärzte ohne Grenzen" setzen in den Ebola-Gebieten Favipiravir und Brincidovir ein. Favipiravir ist in Japan gegen Influenza zugelassen, der RNA-Polymerase-Hemmer wirkte in Tierversuchen auch gegen Ebola.

Brincidovir ist ein Cidofovir-Prodrug, aber noch nicht zugelassen. Das Nukleotidanalogon blockiert die DNA-Polymerase einer Vielzahl von Viren, darunter auch Ebola. Die Substanz befindet sich aber noch in der klinischen Entwicklung.

Ein weiterer Ansatz basiert auf Interferenz-RNA. Kleine spezifische RNA-Fragmente sollen die Ebolavirus-Replikation stoppen. Ein Wirkstoff wird derzeit als "TKM-Ebola" vom Unternehmen Tekmira in Phase I geprüft.

Hier dürfte aber ähnlich wie bei ZMapp™ die rasche Produktion größerer Mengen illusorisch sein.

Lesen Sie dazu auch: Ebola-Chronologie: Ein Jahr des Schreckens für Westafrika

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Verpasste Chancen

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