Wie läßt sich die Therapie bei Hepatitis B optimieren?

Für Patienten mit chronischer Hepatitis B wird derzeit eine Monotherapie mit Interferon-alfa oder Nukleo(t)sidanaloga empfohlen. Damit können die Virusmenge und das Karzinomrisiko gesenkt und die Prognose verbessert werden. Die Hoffnung besteht, mit neuen Virustatika und Kombinationstherapien die Ansprechraten in Zukunft weiter erhöhen zu können.

Veröffentlicht:

Andreas Erhardt und Dieter Häussinger

Weltweit sind schätzungsweise 350 Millionen Menschen mit dem Hepatitis-B-Virus (HBV) infiziert, davon in Deutschland etwa 500 000. Die chronisch aktive Hepatitis-B-Virus-Infektion führt bei etwa 30 Prozent der Infizierten zur Leberzirrhose. Jährlich sterben weltweit eine halbe bis eine Million Menschen am hepatozellulären Karzinom, dessen weitaus häufigste Ursache die chronische Hepatitis B ist. Durch eine Therapie mit Interferonen (IFN) oder Nukleo(t)sidanaloga können das Karzinomrisiko gesenkt und die Prognose verbessert werden.

Derzeit sind zur Behandlung von Patienten mit Hepatitis B fünf Medikamente zugelassen:

  • IFN-alfa-2a (Roferon®),
  • IFN-alfa-2b (IntronA),
  • pegyliertes (PEG) IFN-alfa-2a (Pegasys®),
  • das Nukleosidanalogon Lamivudin (Zeffix®) und
  • das Nukleotidanalogon Adefovir (Hepsera®).

Für PEG-IFN-alfa-2b (PegIntron®) liegen Daten zur klinischen Wirksamkeit vor, das Präparat hat aber bislang keine Zulassung bei Hepatitis B. Tenofovir (Viread®) und Emtricitabin (Emtriva™) sind nur zur Behandlung bei HIV-Infektion zugelassen, aber auch bei der HBV-Infektion wirksam.

Zur Zeit sind bei Hepatitis B nur Monotherapie-Schemata etabliert. Weder die Kombination IFN-alfa plus Nukleo(t)sidanaloga noch die Kombination zweier Nukleosidanaloga hat verbesserte dauerhafte virologische Ansprechraten erbracht.

Allerdings konnte die Viruslast während der Kombinationstherapien teilweise stärker abgesenkt werden als unter Monotherapien. Durch die Kombinationstherapie mit verschiedenen Nukleo(t)sidanaloga kann die Entstehung antiviraler Resistenzen möglicherweise stärker unterdrückt werden als durch Monotherapien. Welche Kombinationstherapien die bislang etablierten Monotherapien ablösen werden, ist jedoch noch unklar.

HBV-Genotyp scheint für die Therapiewahl wichtig zu sein

Das Ansprechen auf Interferon ist bei der Hepatitis B, ähnlich wie bei der Hepatitis C, vom viralen Genotyp abhängig. Daher sollte in Zukunft vor Therapiebeginn eine HBV-Genotypisierung erwogen werden. Derzeit sind acht HBV-Genotypen (A bis H) mit unterschiedlicher geographischer Verteilung beschrieben. In Deutschland sind die Genotypen A und D vorherrschend.

Eigene Untersuchungen haben ergeben, daß HBeAg-positive Patienten mit HBV-Genotyp A auf eine IFN-alfa-Therapie doppelt so häufig dauerhaft ansprechen wie Patienten mit HBV-Genotyp D (46 vs. 24 Prozent). Ähnliche Ergebnisse bei HBeAg-positiven Patienten wurden in multizentrischen Studien erhoben. Asiatische Patienten mit HBV-Genotyp B sprachen besser auf Interferon an als diejenigen mit HBV-Genotyp C.

Es gibt Hinweise dafür, daß die HBV-Genotypen auch bei der Therapie mit Nukleo(t)sidanaloga berücksichtigt werden sollten. Denn Resistenzmuster und Zeitdauer bis zur Entstehung von Mutationen können vom HBV-Genotyp abhängig sein.

In internationalen Leitlinien wird außer der dreimal wöchentlichen auch die tägliche Interferongabe empfohlen. Jedoch gibt es bislang keine großen randomisierten Studien, die die Gleichwertigkeit oder Überlegenheit einer dieser Therapieformen belegen.

In den Leitlinien ist PEG-IFN-alfa noch nicht berücksichtigt, da sie vor Zulassung und teilweise vor der klinischen Erprobung von PEG-IFN-alfa abgefaßt wurden. Nach derzeitigem Kenntnisstand kann PEG-IFN-alfa jedoch als Alternative zu den nicht-pegylierten Interferonen angesehen werden: In großen prospektiven Studien ist eine ähnlich hohe Reduktion der Virusmenge erzielt worden. Es ist jedoch zu beachten, daß in den meisten Studien mit PEG-IFN-alfa eine zwölfmonatige Therapie erfolgte - und nicht eine vier bis sechsmonatige Therapie wie mit den nicht-pegylierten Interferonen.

Mutationen im Polymerase-Gen erschweren die Therapie

Bei der Therapie mit Nukleo(t)sidanaloga ist die Entwicklung von Resistenzen durch Mutationen im Polymerase-Gen zu beachten. Mit Lamivudin ist nach dreijähriger Therapie bei bis zu 60 Prozent der Patienten mit der Entwicklung einer YMDD-Mutation (M552V / M552I) im Virus-Polymerase-Gen zu rechnen. YMDD ist der Buchstabencode für die Aminosäuren der Virusmutante: Y = Tyrosin, M = Methionin, D = Aspartat.

Mit Adefovir kommt es nach zwei Jahren bei weniger als drei Prozent der Patienten zu einer Mutation im Polymerase-Gen (häufigste Mutation: N236T). Adefovir ist zudem bei Lamivudin-Resistenz wirksam.

Nach Absetzen von Nukleosidanaloga sind fulminante Reaktivierungen der Hepatitis B beschrieben, vor allem bei Patienten unter immunsuppressiver Therapie.

Eine unumstrittene Indikation zur antiviralen Therapie besteht bei der immunaktiven, hochreplikativen Hepatitis B, die HBeAg-positiv oder HBeAg-negativ sein kann. Charakteristisch für diese Form der Hepatitis B sind

  • erhöhte Transaminasen (mehr als Zweifach über der Norm),
  • erhöhte HBV-DNA (HBeAg-positiv: > 105 Kopien / ml; HBeAg-negativ: > 104 Kopien / ml) und
  • deutliche histologische Veränderungen.

Ziel ist die dauerhafte Virussuppression

Primäres Therapieziel bei Patienten mit chronischer Hepatitis B ist, die Virusvermehrung dauerhaft zu unterbinden. Andere Therapieziele wie die Verbesserung von Laborwerten, Gewebestruktur und Symptomen sind in der Regel nur bei ausreichender Reduktion der Virämie zu erreichen.

Eine Hepatitis B gilt als ausgeheilt, wenn es zu einer HBsAg-Serokonversion gekommen ist: HBsAg ist dann nicht mehr nachweisbar, anti-HBs-Antikörper sind vorhanden. Diese komplette Response wird durch eine IFN-Therapie bei weniger als zehn Prozent der Patienten erreicht. Von einem Therapieerfolg bei Patienten mit HBeAg-positiver Hepatitis wird ausgegangen, wenn sechs Monate nach Therapieende

  • die HBV-DNA im Hybridisierungsassay nicht mehr nachweisbar ist,
  • es zur HBeAg-Serokonversion (Verlust von HBeAg und Nachweis von anti-HBe-Antikörpern) gekommen ist und
  • die Transaminasen im Normbereich liegen.

Bei der HBeAg-negativen Hepatitis kann die HBeAg-Serokonversion als Erfolgskriterium nicht herangezogen werden. Aufgrund der hohen Rezidivrate sollte ein dauerhaftes Ansprechen erst angenommen werden, wenn die Patienten zwölf Monate nach Therapieende normale Transaminasen haben und keine HBV-DNA nachweisbar ist.

Bei HBeAg-positiver Hepatitis B ist Interferon Mittel der Wahl

Bei Patienten mit der immunaktiven, hochreplikativen HBeAg-positiven Hepatitis B gilt nicht-pegyliertes IFN-alfa über vier bis sechs Monate in einer Dosis von 5 - 6 Mio I.E. s.c. täglich oder von dreimal wöchentlich 9 - 10 Mio I.E. s.c. als Standard. Eine Alternative ist PEG-IFN-alfa (Pegasys®: 180 µg s.c. pro Woche; PegIntron®: 1,5 µg / kg KG s.c. pro Woche), wobei die Dauer der Anwendung nicht definiert ist. Mit der IFN-alfa-Therapie wird bei 25 bis 50 Prozent der Patienten eine dauerhafte Virussuppression erreicht.

Eine Alternative zu IFN-alfa sind Lamivudin (100 mg / Tag oral) und Adefovir (10 mg / Tag oral). Sie können auch als Second- oder Third-line-Therapie eingesetzt werden, das heißt, wenn IFN-alfa nicht ausreichend wirksam ist oder nicht vertragen wird oder Kontraindikationen bestehen. Mit Lamivudin oder Adefovir wird nach zwölf Monaten Therapie eine HBeAg-Serokonversion bei 15 bis 20 Prozent der Patienten erzielt. Durch eine Verlängerung der Behandlungsdauer auf drei Jahre kann die Serokonversionsrate auf bis zu 40 Prozent gesteigert werden.

Hohe Rezidivrate bei HBeAg-negativer Hepatitis

Die Therapie bei HBeAg-negativer Hepatitis B ist durch gute primäre Ansprechraten von 40 bis 90 Prozent, aber hohe Rückfallraten nach Therapieende gekennzeichnet. Die dauerhaften Ansprechraten für IFN-alfa liegen bei 15 bis 25 Prozent. Für eine zwölfmonatige Therapie mit Lamivudin oder Adefovir sind sie noch niedriger.

Die meisten Konsensus-Empfehlungen lassen sowohl eine Therapie mit IFN-alfa (täglich 5 - 6 Mio I.E. oder dreimal wöchentlich 9 - 10 Mio I.E.) als auch mit Nukleo(t)sidanaloga zu. PEG-IFN-alfa können als Alternative zu nicht-pegylierten IFN angesehen werden.

Patienten mit HBeAg-negativer Hepatitis B sollten mindestens zwölf Monate mit Interferon oder Nukleo(t)sidanaloga behandelt werden. Möglicherweise ist Adefovir aufgrund der geringeren Resistenzentwicklung besser zur First-line-Therapie geeignet als Lamivudin.

Progression der Leberzirrhose kann verlangsamt werden

Bei Patienten mit HBV-Leberzirrhose sollte die Indikation zur Therapie großzügig gestellt werden. Mittel der Wahl sind Nukleo(t)sidanaloga. In Studien ist belegt, daß bei Patienten mit Zirrhose oder schwerer Fibrose die Häufigkeit von Komplikationen durch die langfristige Anwendung von Lamivudin (mehr als 30 Monate) signifikant vermindert werden kann. Das Eintreten einer hepatischen Dekompensation, eines hepatozellulären Karzinoms, einer spontan bakteriellen Peritonitis, einer Varizenblutung oder eines leberbedingten Todes konnte mit Lamivudin im Vergleich zu Placebo von 17,8 auf 7,8 Prozent gesenkt werden.

Interferone können nur in einem frühen Zirrhosestadium eingesetzt werden und sind in fortgeschrittenen Zirrhose-Stadien (Child B und C) kontraindiziert.

Privatdozent Dr. Andreas Erhardt, Prof. Dr. Dieter Häussinger Klinik für Gastroenterologie, Hepatologie und Infektiologie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Moorenstr. 5, 40225 Düsseldorf, Tel.: 0211 / 811-6330, Fax: 811-8572, E-Mail: erhardt@uni-duesseldorf.de



Neue Therapienansätze bei chronischer Hepatitis B

Mehrere neue Virustatika werden derzeit für die Therapie bei chronischer Hepatitis B geprüft.

Tenofovir (Viread®; 245 mg pro Tag oral) und Emtricitabin (Emtriva®; 200 mg / Tag oral) sind Nukleo(t)sidanaloga, die bereits in der HIV-Therapie etabliert sind. Beide Substanzen haben auch eine antivirale Potenz gegen Hepatitis-B-Viren (HBV). Sie hemmen die HBV-Vermehrung ähnlich gut wie Adefovir. Unter einer 48wöchigen Therapie mit Emtricitabin wurde bei 14 Prozent der Patienten eine Mutation im viralen Polymerase-Gen (YMDD-Mutationen) gefunden, die für die Resistenzentwicklung wichtig ist.

Remofovir ist wie Adefovirdipivoxil ein Prodrug des PMEA (Phosphonyl-methoxyethyl-adenin). Remofovir wird aber relativ selektiv über das Cytochrom Cyp3A in der Leber umgewandelt. Damit wird die bei Adefovir dosislimitierende Nephrotoxizität umgangen. Derzeit befindet sich die neue Substanz in der klinischen Prüfung (Phase I / II).

Das Guanosin-Analogon Entecavir weist unter den bislang bekannten Nukleosidanaloga bei einer Dosierung von nur 0,5 mg / Tag die stärkste antivirale Aktivität auf. In Studien hemmte es die Virusvermehrung stärker als das Vergleichsmedikament Lamivudin. Die Raten für die HBeAg-Serokonversion oder GPT-Normalisierung waren ähnlich hoch. Entecavir ist auch bei YMDD-Mutation wirksam. Die Zulassung ist beantragt.

Telbivudine (L-dT), Clevudine (L-FMAU) und ACH 126-443 (ß-L-Fd4C) sind Nukleoside, die derzeit in Phase-II- und -III-Studien bei Hepatitis B geprüft werden.

Ein neue Substanz aus der Klasse der nicht-nukleosidischen Hemmstoffe ist Bay 41-4109, ein Heteroaryl-dihydropyrimidin-Derivat. Es unterbindet die Kapsidbildung des HBV, ohne die Synthese des viralen Proteins selbst zu unterdrücken. (Erhardt)

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