Masern-Ausrottung

Jetzt müssen endlich Taten folgen

Der Masern-Ausbruch in Berlin verdeutlicht erneut die bundesweiten Defizite beim Impfschutz. Nun soll es einen Nationalen Aktionsplan geben, um die Erkrankung bis 2018 zu eliminieren. Doch Skepsis ist weiter angebracht.

Wolfgang GeisselVon Wolfgang Geissel Veröffentlicht:
Für viele nicht mehr selbstverständlich: Die Impfung gegen Masern.

Für viele nicht mehr selbstverständlich: Die Impfung gegen Masern.

© Marcus Roczen/fotolia.com

NEU-ISENBURG. Mit 347 Masernfällen in diesem Jahr wurden bis Anfang Februar in Berlin mehr Erkrankungen gemeldet als im gesamten Bundesgebiet im Jahr 2014. Das mit der WHO vereinbarte Ziel, Masern (und Röteln) bis 2015 in Deutschland zu eliminieren, ist damit erneut in weite Ferne gerückt.

Der neue Ausbruch birgt keine Überraschungen. Zwar waren zu Beginn in Berlin vor allem Asylbewerber aus Bosnien Herzegowina und Serbien erkrankt. Doch schnell griff die Masernwelle auch auf die ansässige Bevölkerung über, wobei die meisten Betroffenen dort nicht Kinder, sondern 18- bis 43-Jährige sind.

Das war zu erwarten: Große Impflücken bei Masern gibt es in Deutschland vor allem bei den nach 1970 geborenen Erwachsenen.

Immer wieder waren in den vergangenen Jahren bundes- oder landesweite Impfaktionen für ungenügend geschützte Bevölkerungsgruppen (Supplemental immunization activities, SIA) gefordert worden.

Die Umsetzung scheiterte aber immer wieder am Streit zwischen den verantwortlichen Akteuren aus Bund, Ländern und öffentlichem Gesundheitsdienst.

Vor sechs Jahren wurde ein Impfplan angeregt

Aktionismus gab es genug: Als sich 2009 das Scheitern der mit der WHO vereinbarten Masern- und Röteln-Elimination bis 2010 abgezeichnet hatte, wurde auf der 82. Gesundheitsministerkonferenz einstimmig die Erarbeitung eines Nationalen Impfplans beschlossen.

 Dieser Plan wurde Ende 2011 mit einer Verzögerung von zweieinhalb Jahren publiziert. Konkrete Maßnahmen zur Verbesserung der Impfsituation waren allerdings nicht ausgearbeitet worden, das Papier enthält vor allem unverbindliche Absichtserklärungen.

Zur Konkretisierung und Umsetzung der Maßnahmen sollten eine Geschäftsstelle mit zwei Mitarbeitern und eine zuarbeitende Lenkungsgruppe eingerichtet werden. Im Jahr 2013 erhielt dann Bayern den Zuschlag als Standort dieser Geschäftsstelle.

Die Einrichtung ist bisher aber am Streit um die Finanzierung zwischen Bund und Ländern gescheitert. Die Elimination von Masern und Röteln in Deutschland wurde inzwischen auf 2018 bis 2020 verschoben.

Um den Eliminationsprozess zu begleiten und unter Berücksichtigung der WHO-Zielkriterien und Indikatoren zu bewerten, hatte das Bundesgesundheitsministerium 2013 parallel eine Nationale Verifizierungskommission Masern/Röteln (NAVKO) installiert.

Diese Kommission unter Vorsitz von Professor Oliver Razum von der Fakultät für Gesundheitswissenschaften an der Universität Bielefeld hat den verantwortlichen Gesundheitsdiensten inzwischen ein verheerendes Zeugnis ausgestellt.

"Aufgrund der vorliegenden Daten ließ sich nicht feststellen, dass das bestehende nationale gesundheitspolitische Bekenntnis zur Elimination der Masern und Röteln allgemein zu konzertierten Maßnahmen geführt hätte, die nachweislich auf Bundesebene zu einer Verbesserung der epidemiologischen Lage führen", schreibt die NAVKO in ihrem aktuellen Bericht an die WHO zur Situation in Deutschland (www.rki.de).

Erstmals Konzept mit konkreten Maßnahmen

Das Robert Koch-Institut und das LGL Bayern als künftiger Träger der Geschäftsstelle haben nun Mitte Dezember einen Entwurf für einen Nationalen Aktionsplan 2015-2020 zur Elimination von Masern und Röteln in Deutschland vorgelegt, berichtet der "Impfbrief online". Geplant sind darin bis 2018:

  • Maßnahmen zur Steigerung des Anteils der Bevölkerung, der einer MMR-Impfung grundsätzlich positiv gegenüber steht,
  • bei Kindern im Alter von spätestens 15 Monaten Erreichen und Aufrechterhaltung einer 1-Dosis-MMR-Impfquote von über 95 Prozent,
  • bei Kindern in den Schuleingangsuntersuchungen Erreichen und Aufrechterhaltung einer 2-Dosen-MMR-Impfquote von über 95 Prozent,
  • in allen Altersgruppen Erreichen und Aufrechterhaltung einer Bevölkerungsimmunität, die die Transmission von Masern- bzw. Rötelnviren verhindert,
  • Steigerung des Anteils der laborbestätigten übermittelten Masern- und Rötelnfälle auf mindestens 80 Prozent aller klinisch diagnostizierten Masern- oder Rötelnfälle,
  • Stärkung des Ausbruchsmanagements auf kommunaler Ebene und Darstellung von 80 Prozent der jährlich gemeldeten Masern- und Rötelnausbrüche.

"Damit liegt erstmals ein Konzept für fassbare Handlungsschritte zur Masern-Röteln-Eliminierung bis 2018 vor", so der "Impfbrief".

Skepsis ist angebracht: Es wären noch viele Hürden in unserem föderalen Gesundheitssystem zu nehmen, bis aus diesem Entwurf ein verbindlicher Plan werden könnte.

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