Berlin

Zentrale Impfstelle für Flüchtlinge geplant

Vor dem Hintergrund der Masernwelle in Berlin soll es bald ein kostenloses Impfangebot für Flüchtlinge geben. Unterdessen raten Pädiater Eltern mit Säuglingen, zu Hause zu bleiben.

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BERLIN. Berlin will die Gesundheitsvorsorge für Flüchtlinge verbessern.

Das Landesamt für Gesundheit und Soziales plant dafür bis zum Sommer den Aufbau einer zentralen Impfstelle.

Zurzeit werde gemeinsam mit den Bezirken ein Konzept erarbeitet, sagte Sprecherin Silvia Kostner. Ziel sei es, ab Mitte des Jahres ein zentrales Impfen auf dem Areal des Landesamtes in Moabit zu ermöglichen.

Pläne für dieses Angebot habe es schon länger gegeben, sagte Kostner. Die Masern-Welle beschleunigt nun die Umsetzung.

Bisher gibt es kein reguläres Impfangebot für Flüchtlinge.

In der Heimat kein Gesundheitssystem

Viele Asylbewerber kommen jedoch aus Ländern, in denen das Gesundheitssystem durch Krieg und Krisen nicht mehr oder nur noch schlecht funktioniert.

Auch die aktuelle Berliner Masern-Welle mit bisher mehr als 630 gemeldeten Fällen hatte im Oktober ihren Anfang in einem Flüchtlingsheim genommen.

Die Ausbreitung von Infektionskrankheiten wie Masern in den Unterkünften hat in der Hauptstadt auch schon dazu geführt, dass zur Vermeidung von Ansteckungen zeitweise Belegungs- und Verlegungstopps verhängt wurden. Das kann die Unterbringung erschweren.

Für erwachsene Flüchtlinge gibt es zur Gesundheitsvorsorge bisher schon die Möglichkeit, mit einem Krankenschein zum Arzt zu gehen.

Masern-Impfungen für Erwachsene, die vor 1970 geboren wurden, sind aber zum Beispiel keine reguläre Kassenleistung - und können deshalb mit Kosten verbunden sein.

Kinderärzte schlagen Alarm

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte schlägt unterdessen wegen der starken Masern-Welle in Berlin Alarm: "Wir raten Eltern davon ab, mit Säuglingen in Berlin in die Öffentlichkeit zu gehen", sagte Sprecher Sean Monks der Deutschen Presse-Agentur.

Die Ansteckungsgefahr sei im Moment zu groß. Für Säuglinge, die Masern bekommen, bestehe das Risiko an einer chronischen Maserngehirnhautentzündung (SSPE) zu erkranken.

Auch wenn diese Fälle sehr selten seien, führe die Komplikation später immer zum Tod, sagte Monks. "Das ist eine vermeidbare Erkrankung. Darum raten wir, in Berlin mit Säuglingen im Moment besser zu Hause zu bleiben." 

Eltern von todkrankem Kind raten zur Impfung

Die Eltern der todkranken Aliana (5) aus Hessen haben eindringlich dazu geraten, den Impfschutz nicht zu vernachlässigen. Frauen sollten unbedingt prüfen, ob sie ausreichend gegen Masern geimpft sind, bevor sie schwanger werden.

Nur durch eine Mutter mit Impfschutz ist auch ein Neugeborenes in den ersten Monaten gegen die hochansteckende Infektionskrankheit geschützt.

Die Folgen einer fehlenden Impfung haben Aliana aus Bad Hersfeld getroffen: Sie leidet an SSPE.

"Als wir von dem Berliner Todesfall gehört haben, waren wir sehr traurig. Es ist unverständlich, warum die Leute nicht wach werden und sich nicht konsequenter impfen lassen. Jeder sollte die Möglichkeit nutzen und Vorsorge betreiben", sagte Alianas Vater Suvarez der dpa.

Freiwillige Teilnahme

Bisher gab es auf der Ebene der Bezirke vereinzelt Versuche, Impfungen für Flüchtlinge anzubieten. Die Teilnahme ist freiwillig.ig.

"Das Interesse von Flüchtlingen an Impfungen ist oft groß", sagte Kostner. Viele syrische Kinder seien wegen des Bürgerkriegs in ihrer Heimat zum Beispiel nicht mehr durchgeimpft.

Darüber hinaus klaffen bei Asylbewerbern aus Balkanstaaten wie Bosnien aufgrund des Bürgerkriegs in den 90er Jahren große Impflücken.

Das war eine Ursache für die schnelle Verbreitung der Masern in einem Berliner Flüchtlingsheim im Oktober.

Dass diese Krankheit dann um sich griff, lag aber am fehlenden Impfschutz vieler Berliner - vor allem Erwachsener.

Auf das Gelände des Landesamts in Moabit kommen pro Tag rund 1500 Flüchtlinge, etwa um Sozialleistungen abzuholen oder Termine wahrzunehmen.

Deshalb will das Amt die zentrale Impfstelle hier ansiedeln und den Service später in mehreren Sprachen bekannt machen.

Dafür müssen sich jedoch erst noch Räumlichkeiten und Ärzte finden. (dpa)

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