Ei-Allergie

Impfspray wirklich unbedenklich?

Eine Hühnereiweiß-Allergie gilt als Kontraindikation für den seit 2012 zugelassenen nasalen Influenza-Lebendimpfstoff. Nach Studiendaten besteht aber allenfalls ein geringes Risiko für systemische Reaktionen.

Von Beate Schumacher Veröffentlicht:
Eine Grippe-Impfung kann auch intranasal appliziert werden - wenn sich eine Allergie ausschließen lässt.

Eine Grippe-Impfung kann auch intranasal appliziert werden - wenn sich eine Allergie ausschließen lässt.

© EPA / Kenny Crookston / dpa

LONDON. Influenzaviren zur Herstellung der attenuierten Lebendvakzine (LAIV) werden in Hühnereiern vermehrt, der Impfstoff enthält daher geringe Mengen an Hühnereiweiß.

Bei den Totimpfstoffen ist das genauso; für die herrscht aufgrund ausgedehnter Erfahrungen aber inzwischen der Konsens, dass sie bei einem Ovalbumingehalt unter 0,12 µg/ml für Menschen mit Hühnereiweiß-Allergie sicher sind - sofern die Impfeinrichtung für das etwaige Auftreten einer Anaphylaxie gerüstet ist.

Bei der für Kinder und Jugendliche von 2 bis 17 Jahre zugelassenen LAIV dagegen fehlten entsprechende Sicherheitsdaten bislang. Personen, die "überempfindlich (allergisch) gegen Eier oder Eiproteine" sind, sollen den nasalen Lebendimpfstoff laut Produktinformation nicht erhalten.

Die Kontraindikation könnte allerdings bald aufgeweicht werden, wenn sich die Ergebnisse einer britischen Studie bestätigen sollten. Bei der gezielten Impfung von 779 Ei-Allergikern wurde in keinem Fall eine systemische Reaktion ausgelöst (BMJ 2015; 351: h6291).

Anaphylaxie in Zusammenhang mit Hühnereiweiß

Von den minderjährigen Impflingen im medianen Alter von fünf Jahren hatten knapp 35 Prozent schon eine Anaphylaxie in Zusammenhang mit Hühnereiweißkonsum durchgemacht, 40 Prozent hatten innerhalb der letzten zwölf Monate allergisch auf Hühnereiweiß reagiert.

Eine Impfung gegen Grippe, insbesondere eine LAIV hatten 47 und 24 Prozent der Kinder schon einmal erhalten. Die meisten in Großbritannien verfügbaren LAIV haben laut den Studienautoren um Paul J. Turner vom Imperial College London allerdings einen Ovalbumingehalt unterhalb der Nachweisgrenze.

Für ihre Untersuchung verwendeten die Ärzte mit Absicht ausgesuchte Chargen des 2014/2015er-Impfstoffs, die Ovalbuminkonzentrationen über 0,3 ng/ml (bis maximal 1,9 ng/ml) aufwiesen. Trotzdem wurde in den ersten zwei Stunden nach der Impfung keine systemische Reaktion registriert.

Und nur bei acht Patienten (1,2 Prozent) wurden Nebenwirkungen beobachtet, die mit einer lokalen IgE-abhängigen Reaktion vereinbar waren, zum Beispiel Rhinitis oder Kontakturtikaria. Die lokalen Nebenwirkungen waren aber leicht und verschwanden von selbst.

Innerhalb von 72 Stunden traten bei 221 Probanden unerwünschte Ereignisse mit potenziellem Zusammenhang zur Impfung auf. Auch in diesem Zeitraum wurden keine schweren Nebenwirkungen erfasst.

62 Kinder (8,1 Prozent) entwickelten Symptome der unteren Atemwege. Knapp die Hälfte von ihnen (n = 29) hatte zuvor schon an wiederkehrendem Giemen gelitten.

Studie mit 394 Teilnehmern

Bei den 394 Studienteilnehmern mit kontrolliertem Asthma oder rezidivierendem Giemen führte die Impfung jedoch nicht zu einer Verschlechterung der respiratorischen Situation.

Asthma Control Tests vor und nach der Impfung lieferten ähnliche Ergebnisse. In der Fachinformation der LAIV wird bislang allerdings vor der Anwendung bei schwerem Asthma oder akutem Giemen gewarnt.

Den neuen Daten zufolge könnte die LAIV vermutlich breiter als bisher eingesetzt werden. "Die LAIV ist bei Kindern mit Hühnereiweißallergie mit einem geringen Risiko für systemische Reaktionen verbunden. Und von Kindern mit gut kontrolliertem Asthma oder Wheezing scheint sie ebenfalls gut vertragen zu werden", fassen Turner und Kollegen ihre Beobachtungen zusammen.

Berücksichtige man alle publizierten Daten zur LAIV bei jungen Ei-Allergikern (insgesamt 955 Personen), liege die Obergrenze des 95%-Konfidenzintervalls für ein systemisches Ereignis bei 0,39 Prozent, also bei weniger als einem Fall pro 256 Impflinge.

Anders als in Großbritannien, wo eine Grippeimpfung für alle Kinder ab zwei Jahren empfohlen wird, gilt die Impfempfehlung in Deutschland nur für Kinder und Jugendliche mit chronischen Erkrankungen.

Bei den betroffenen Kindern zwischen zwei und sechs Jahren wird von der STIKO zur bevorzugten Verwendung der LAIV geraten, bei älteren Kindern gibt es keine Präferenz.

Mehr zum Thema

Immunisierung gegen Flaviviren

Dem Geheimnis der Gelbfieber-Impfung auf der Spur

Hämatologe gibt Tipps

Krebspatienten impfen: Das gilt es zu beachten

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Weniger Rezidive

Hustenstiller lindert Agitation bei Alzheimer

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“

Lesetipps
Experten fordern von Bund und Ländern verbindliche Vorgaben für die Kooperation von Rettungsleitstellen (Bild) und ärztlichem Bereitschaftsdienst.

© Heiko Rebsch / dpa / picture alliance

Reform des Rettungsdienstes

Bereitschaftsdienst und Rettungsleitstellen sollen eng aneinanderrücken

Die Gesundheitsversorgung der Bevölkerung steht in vielen Ländern vor großen Herausforderungen. Ein Arzt aus Israel fordert deshalb mehr Zusammenarbeit.

© Vladislav / stock.adobe.com

Weiterentwicklung der Versorgung

Experte: Bei der Transformation international die Kräfte bündeln!

KBV-Chef Dr. Andreas Gassen forderte am Mittwoch beim Gesundheitskongress des Westens unter anderem, die dringend notwendige Entbudgetierung der niedergelassenen Haus- und Fachärzte müsse von einer „intelligenten“ Gebührenordnung flankiert werden.

© WISO/Schmidt-Dominé

Gesundheitskongress des Westens

KBV-Chef Gassen fordert: Vergütungsreform muss die Patienten einbeziehen